Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Neuburg: Prozess am Amtsgericht Neuburg: „Ein Kind ist kein Gegenstand“

Neuburg

Prozess am Amtsgericht Neuburg: „Ein Kind ist kein Gegenstand“

    • |
    Vor dem Amtsgericht in Neuburg musste sich eine Mutter verantworten.
    Vor dem Amtsgericht in Neuburg musste sich eine Mutter verantworten. Foto: Oliver Berg, dpa (Symbolfoto)

    Dieser Fall zeigt, dass Dinge nicht immer so sind, wie sie zunächst vielleicht scheinen.

    Lukas ist zwölf Jahre alt, sein familiäres Umfeld schwierig. Mit seinen Eltern und zwei Hunden lebte er noch vor einiger Zeit mehr oder weniger zusammengepfercht in nur einem Zimmer in einer Obdachlosenunterkunft. Hier sei er kaum zur Schule gegangen, schildert eine Sozialpädagogin vor dem Amtsgericht Neuburg. „Er hatte massive Fehlzeiten und war viel zuhause.“ Also beschloss das Jugendamt, Lukas, der eigentlich anders heißt, in ein Heim zu bringen. Dort lebte er auch zur Sommerzeit 2020, bis etwa Mitte August.

    Amtsgericht Neuburg: Mutter soll Kind versteckt gehalten haben

    Damals, so notiert es die Anklageschrift, soll Lukas’ Mutter, 49 Jahre alt, den Jungen nach einem Wochenendbesuch nicht mehr zurückgebracht haben. Ihn zu finden aber war schwierig. Denn die Familie hatte zwischenzeitlich den festen Wohnsitz verloren, musste das Zimmer in der Obdachlosenunterkunft räumen. Erst zwei Monate später, im Oktober, konnte das Kind durch einen Zufall gefunden und seine Mama verhaftet werden. In einem Wohnwagen, wo sie sich und Leon angeblich versteckt gehalten hatte. Strafbar als: Entziehung Minderjähriger, Paragraf 235 des Strafgesetzbuchs.

    Das Verfahren am Amtsgericht Neuburg wurde eingestellt.
    Das Verfahren am Amtsgericht Neuburg wurde eingestellt. Foto: Elisa Glöckner

    Doch es zeigt sich, dass es nicht die Mutter war, die sich weigerte. Sondern Leon. Wie die Verteidigung in der Verhandlung beteuert, hätte der Junge „mit Gewalt zurückgebracht werden müssen“. Ein Verhalten, das so auch an das betreffende Kinder- und Jugendzentrum kommuniziert worden sei, erklärt Rechtsanwalt Klaus Wittmann für seine Mandantin, die selbst lieber schweigt. „Ein Kind ist kein Gegenstand, man kann es nicht herausgeben.“

    Die Sozialpädagogin, die damals für Leon zuständig war, bestätigt im Zeugenstand, Kontakt mit der Frau gehabt zu haben. „Ich habe der Mutter die rechtliche Lage erklärt“, sagt sie. „Dass es ihrer Aufgabe als Mutter sei, das Kind zurückzubringen.“ Eine weitere Frist bis zum 25. August 2020 aber verstrich. Stattdessen strebte die Mutter ein persönliches Treffen mit der Einrichtung an, das wohl in einem Fast-Food-Restaurant tatsächlich stattgefunden hat. Allerdings ergebnislos. Am 21. Oktober wurde die Familie dann in dem Wohnwagen verhaftet und mit aufs Polizeipräsidium genommen. Eine Erfahrung, die für das Kind aus pädagogischer Sicht für „untunlich erachtet“ wird, bekräftigt der Verteidiger.

    Verfahren gegen Mutter am Amtsgericht Neuburg wird eingestellt

    Wie aber ist dieser Fall nun zu werten? Denn Paragraf 235 des Strafgesetzbuchs gibt vor, dass der- oder diejenige mit einer bis zu fünfjährigen Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe bestraft wird, der oder die „eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält“.

    Prämissen, die in diesem Kontext allesamt fehlen. Und so entscheidet Richterin Sabine Seitz mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung, das Verfahren einzustellen.

    Und Leon? Der bleibt vorerst im Heim. Seine Mutter, mit der er eine sehr enge Verbindung hat, im Gefängnis, wo sie wegen anderer Vergehen Strafen absitzt. Ihrem Sohn aber scheint es gut zu gehen. Im Heim gehe er wieder regelmäßig zum Unterricht. Schnell habe Leon hier Freundschaften geschlossen, erinnert sich die Sozialpädagogin. Und auch die psychosomatischen Beschwerden des Kindes seien verschwunden.

    Lesen Sie dazu auch:

    Ein Abend, zwei Erwartungen: Prozess um sexuellen Übergriff in Neuburg

    Junger Mopedfahrer stirbt bei Schrobenhausen: Gericht verhandelt "fahrlässige Tötung"

    Was bringt die Ausgangssperre? Ein Streifzug durch Ingolstadt

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden