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Neuburg: Not am Neuburger Mietmarkt: Von der verzweifelten Suche nach günstigem Wohnraum

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Not am Neuburger Mietmarkt: Von der verzweifelten Suche nach günstigem Wohnraum

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    Wer in Neuburg eine Wohnung sucht, muss entweder sehr lange suchen oder ziemlich hohe Preise bezahlen. Experten gehen davon aus, dass die Immobilienpreise in der Region auf absehbare Zeit nicht sinken werden.
    Wer in Neuburg eine Wohnung sucht, muss entweder sehr lange suchen oder ziemlich hohe Preise bezahlen. Experten gehen davon aus, dass die Immobilienpreise in der Region auf absehbare Zeit nicht sinken werden. Foto: dpa (Symbolbild)

    Rainer Bierwagen kann sich noch genau erinnern. Es war 2007, ein Neubau in der Eybstraße, mitten in Neuburg. Wer dort eine Wohnung kaufen wollte, musste 2500 Euro für den Quadratmeter zahlen. Ein Angebot, das aus heutiger Sicht wie ein Schnäppchen erscheint. Und nicht nur der Preis wirkt rückblickend wie aus einer anderen Zeit. Vor 14 Jahren standen die Interessenten für eine solche Immobilie keineswegs Schlange. Im Gegenteil. „Wir haben die Wohnungen anfangs gar nicht alle losbekommen“, sagt Bierwagen. Heute ist die Situation eine andere. Ingolstadt ist stark gewachsen, und im Speckgürtel davon auch Neuburg. Dieser Zuzug hat die ohnehin angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt verschärft - mit gravierenden Folgen.

    „Mittlerweile sind wir teilweise bei mehr als 5000 Euro pro Quadratmeter“, sagt Bierwagen, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Neuburg (kurz GeWo). Nicht nur bei den Kauf-, sondern auch bei den Mietpreisen gilt: Eine Wohnung, die man im Vergleich als „günstig“ bezeichnen kann, findet man im Raum Neuburg nur noch schwer. Bierwagen berichtet von einer „sehr großen Not“ unter Interessenten, die kein großes Einkommen haben. Welche Folgen hat dies – und wie wird sich die lokale Wohnungssituation entwickeln?

    In Neuburg kostet ein Quadratmeter mitunter knapp zehn Euro - kalt

    Immer öfter sieht Bierwagen in Neuburg Annoncen wie diese: Altbau, unsaniert, mit einer Kaltmiete von 9,50 Euro pro Quadratmeter aufwärts. „Und das ist nur die Anzeige. Wie der Mietvertrag dann abgeschlossen wird, ist noch einmal eine andere Sache.“ Solche Angebote nennt der Immobilienexperte „nicht gerechtfertigt“: „Die Richtung, in die es geht, ist erschreckend.“

    Manche Menschen müssen sich in Neuburg wegen ihrer Miete verschulden

    Was immer teurere Mieten für Menschen bedeuten, die wenig Geld zur Verfügung haben, weiß Anett Drude. Die Schuldner- und Insolvenzberaterin beim Caritasverband Neuburg-Schrobenhausen spricht von einem „echten Problem“, und davon, dass sich viele Menschen mittlerweile durch hohe Mieten verschulden. Den Satz „Ihre Wohnung ist zu teuer“ sage sie in ihrer Arbeit mindestens einmal täglich. Ihre Klienten geben teilweise mehr als die Hälfte des Einkommens für das Wohnen aus. „Das ist viel zu viel“, betont Drude. Dahinter steckt in der Regel nicht ein Leben über den Verhältnissen. Die Betroffenen haben oft keine andere Wahl. „In Neuburg gibt es quasi keinen bezahlbaren Wohnraum“, macht die Schuldnerberaterin deutlich. Sobald etwas Preisgünstiges auf dem Markt ist, sei die Nachfrage immens, und das Objekt gehe meistens unter der Hand weg, sagt Drude.

    Das Jobcenter gibt Grenzen für die Miete vor

    Das Problem für Menschen, die Hartz 4 oder Grundsicherung beziehen: Das Jobcenter gibt Grenzen für „angemessene“ Mietausgaben vor. Übersteigen die tatsächlichen Mieten diese Grenze, werden die Kosten nicht auf Dauer übernommen. Im Raum Neuburg gelten für eine Person beispielsweise die Werte von 400 Euro für die Kalt- beziehungsweise 510 Euro für die Warmmiete bis 50 Quadratmeter – Beträge, die in der Praxis erst einmal eingehalten werden müssen. Bierwagen berichtet von einem typischen Fall: Eine alleinstehende Frau aus dem Raum Neuburg wurde von der Arge aufgefordert, sich eine günstigere Wohnung zu suchen. Nur: Die findet sie nicht. So muss Bierwagen dem Amt bestätigen, dass die Frau bereits seit Jahren auf seiner Warteliste steht – bisher ohne Erfolg. Ausnahmen stellen die Jahre 2020 und 2021 dar. Während dieses Zeitraums übernimmt das Jobcenter pandemiebedingt die Mietkosten, unabhängig von der Höhe, sagt Stefanie Buchner-Joppich, die im Caritasverband unter anderem die Fachstelle für Wohnungsnotfälle leitet. Steigende Mieten würden also auch auf Kosten des Steuerzahlers gehen, betont Buchner-Joppich, die von einem „aufgeheizten Markt“ und einer „Spirale“, die durchbrochen werden muss, spricht.

    Immobilienmakler: Lage in Neuburg ist "angespannt"

    Als „angespannt“ bezeichnet auch der Neuburger Immobilienmakler Thomas Kappelmeier den Mietmarkt. „Ich erhalte nahezu täglich Mietgesuche von verzweifelten Suchenden“, berichtet er. „Leider kann ich nur in den seltensten Fällen weiterhelfen, da mir selbst die Mietobjekte fehlen.“ In einer Auswertung im Auftrag unserer Redaktion legte der Makler vor Kurzem dar, dass die Preise für Wohnen und Mieten in Neuburg in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Inflation. Auch die Corona-Krise hat diese Entwicklung nicht aufgehalten (lesen Sie hier mehr dazu).

    Kappelmeier sieht einen klaren Nachfrageüberhang, der sich im Laufe der Zeit, zum Unmut der Mietsuchenden, noch mehr auf die Preise niederschlagen werde. „Der aufblühenden Industrie und Wirtschaft stehen zu wenige Neubauten gegenüber“, so der Experte. „Altbausanierungen und -entwicklungen sollten meiner Meinung nach gefördert und unterstützt werden. In vielen großen Altbauten in der Stadt gäbe es Ausbaupotenzial, um einzelne Wohnungen zu schaffen, was jedoch teilweise durch Denkmalschutz oder Baurecht nur sehr eingeschränkt möglich ist.“

    In Neuburg sind viele Wohnungen geschaffen worden

    Rainer Bierwagen von der GeWo sieht, dass in Neuburg mittlerweile einige Wohnbauprojekte auf dem Weg (zum Beispiel am Donauwörther Berg) oder schon abgeschlossen sind (zum Beispiel Margaretengärten). „Es sind sehr viele Wohnungen geschaffen worden. Die Frage ist, wann sich das auszahlt und ob der Markt irgendwann gesättigt ist“, so Bierwagen. Er weiß aber: Gerade im Segment des preisgünstigen Wohnraums wird die Nachfrage höher bleiben als das Angebot. Angesichts fehlender Zinsen stecken Investoren ihr Geld in „Betongold“, und erhoffen sich eine entsprechende Rendite. „Diese Privatanleger darf man nicht verteufeln“, sagt Bierwagen. „Die haben große Ausgaben und müssen kalkulieren.“

    Wie kann der Wohnungsmarkt also entlastet werden? Laut Bierwagen müssen staatliche Stellen Wohnraum schaffen. In Neuburg passiert dies etwa mit dem Bauprojekt am Siedlerweg in Feldkirchen. Dort entstehen insgesamt 27 Wohnungen, zum Teil mit sozialer Bindung. Der Stadtrat hat kürzlich die Kaltmieten festgelegt: je nach Umfeld 7,90 Euro oder 8,40 Euro pro Quadratmeter. So lange die Baukosten so hoch bleiben wie derzeit, etwa aufgrund der Brandschutz-Anforderungen, könne man Wohnraum nicht billiger anbieten, so Bierwagen. Ihm fällt vermehrt auf, dass sich Menschen auf diese Umstände eingestellt haben. Die Ansprüche würden bei manchen sinken. Alleinerziehende etwa geben sich statt mit einer Drei- mit einer Zwei-Zimmer-Wohnung zufrieden, beobachtet Bierwagen. „Vor ein paar Jahren war das für manche undenkbar. Jetzt sehen die Menschen, dass es teilweise nicht mehr anders geht.“

    Die Immobilienpreise hängen auch von der Entwicklung bei Audi ab

    Und wie wird es weitergehen mit dem Wohnungsmarkt in Neuburg? Bierwagen verweist auf die Abhängigkeit zum größten Arbeitgeber der Region: Audi. Je nachdem, wie es beim Autobauer läuft, könnte sich auch der Zuzug und damit die Nachfrage nach Wohnraum entwickeln. Immobilienmakler Kappelmeier betont, dass trotz der angespannten Lage die Region bislang von „Extrem-Mieten“ noch verschont wurde. „Städte wie München zeigen, dass es bei Mietpreisen nach oben nur sehr vage Grenzen gibt.“ Da Grund und Boden, ähnlich wie Gold, stets begrenzt sein werden und auch die Nachfrage nach Wohnraum gleichbleibend bis steigend sein wird, erwartet er nach wie vor eine steigende Preisentwicklung bei Wohnimmobilien in den kommenden Jahren. Die Corona-Krise könnte die Nachfrage nach dem „sicheren Hafen“ Immobilien weiter befeuern. Aber nicht nur die. „Die Bundeswehr und andere Institutionen und Unternehmen stellen in Neuburg wichtige wirtschaftliche Grundpfeiler dar, die die Nachfrage nach Wohnraum weiter beflügeln“, so Kappelmeier. Auch der neue Campus in Neuburg trage dazu bei. Der Makler ist überzeugt: „Mittelfristig werden sich die Miet- und Kaufpreise denen in Augsburg oder Ingolstadt angleichen.“

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