Hochwald. Fichten und Buchen, so dicht, dass nicht einmal der Mond sie fluten kann. Zwischen diesen Flanken liegt eine Straße, darauf ein Helm. Er gehörte Leon*, der an diesem Tag im November 2019 mit seinem Moped von Sandizell Richtung Hörzhausen gefahren war, als es knallte und der Junge starb.
Amtsgericht Neuburg verhandelt fahrlässige Tötung bei Schrobenhausen
Eineinhalb Jahre darauf befasst sich die Justiz mit den Hintergründen dieses Unfalls. Amtsgericht Neuburg, Saal 42. Hier schildert Staatsanwältin Sara Pöll, dass der 15-Jährige angefahren worden sei. „Erfasst“, sagt sie, von dem Wagen eines Mannes, damals 52. Er soll den Jungen fahrlässig getötet haben. Doch der Angeklagte will nichts zu den Geschehnissen sagen.
Rückblick. Es war Herbst, die Straße feucht. Als die Polizisten eintrafen, befanden sich schon mehrere Menschen in diesem Waldstück, dort, wo es geschehen war. Sie alle wollten helfen. Und das obwohl zunächst unklar war, was sich genau zugetragen hatte. Ein Wildunfall? Der Helm sprach dagegen. Sie fanden erst das Moped, dann Leon, der bei den Bäumen lag, verwickelt in dorniges Gestrüpp, wie es Zeugen später erzählen. Nur mit Arbeitshandschuhen konnten die Helferinnen und Helfer den Körper des Jugendlichen befreien. Sie fühlten den Puls, reanimierten. Doch Leon erlag den Verletzungen im Kopf-Halsbereich, die er sich beim Aufprall zugezogen hatte, notiert die Rechtsmedizin. Dabei war sein Helm „mindestens teilweise entfernt“, weil das Backenpolster defekt war.
Zeugen beschreiben im Prozess, dass der Angeklagte aufgewühlt gewesen sei. Schockiert. Dass er helfen wollte. Sich umbringen wollte, als er das Ausmaß begriff. Einige bestätigen außerdem, dass der Mann leicht nach Alkohol gerochen habe. „Ob es ein Aftershave, ein Deo oder etwas anderes war, kann ich nicht sagen“, berichtet eine Frau. Ein Bluttest ergab 0,14 Promille, zu wenig, um strafrechtlich relevant zu sein. Und doch schwebt es im Raum. Hätte der Angeklagte den Unfall vermeiden können?
Unfall im November 2019: Angeklagter hätte Jungen mit Fernlicht erkennen können
Berechnungen eines Gutachters zufolge war der Angeklagte zwischen 96 und 108 Kilometer pro Stunde unterwegs, als sein Auto mit dem Heck des Mopeds kollidierte. Mit Abblendlicht und einer einsekündigen Reaktionszeit hätte er unter den Umständen nicht anhalten, zumindest aber bremsen und ausweichen können, glaubt der Sachverständige. Bei einer Verzögerungszeit von eineinhalb Sekunden, wie man sie für eine Nachtfahrt ansetzen kann, ist selbst das nicht mehr möglich. Mit Fernlicht hätte der Angeklagte Leon rechtzeitig erkennen können. Das aber war aus.
Es gehe um Schuld, betont Christian Veh. Die moralische, aber auch die juristische, sagt der Richter deutlich. Nach kurzer Bedenkzeit räumt der Angeklagte die fahrlässige Tötung ein – der Einspruch aber wird „auf die Rechtsfolgen beschränkt“, was laut Urteil 120 Tagessätze zu je 100 Euro, dazu zwei Monate Fahrverbot nach sich zieht. Damit bleibt der Richter unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Ebenso unter den Vorstellungen der Eltern als Nebenkläger. Für sie ist dieser Prozess ein Kondensat der schlimmsten Vorstellungen – der Tod des eigenen Kindes. Richter Veh hofft dennoch, dass sie nach all der Tragik mit dieser Verhandlung einen Schlussstrich ziehen können. Auch wenn sie die Erwartungen nicht erfüllt: „Das Leben muss weitergehen.“
*Name von der Redaktion geändert
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