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Neuburg: Hochwasser: Nur Oberlieger können Unterlieger schützen

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Hochwasser: Nur Oberlieger können Unterlieger schützen

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    Während tausende Helfer in zigtausend Stunden es im Mai 1999 geschafft haben, die Mauer des Donaukais zu stabilisieren und die Dämme zu sichern, sorgte eine gebrochene Sperrholzplatte vor einem Kanalrohr in der Donau dafür, dass die Innstadt Neuburgs doch noch unter Wasser gesetzt wurde. 
    Während tausende Helfer in zigtausend Stunden es im Mai 1999 geschafft haben, die Mauer des Donaukais zu stabilisieren und die Dämme zu sichern, sorgte eine gebrochene Sperrholzplatte vor einem Kanalrohr in der Donau dafür, dass die Innstadt Neuburgs doch noch unter Wasser gesetzt wurde.  Foto: Barbara Schnell

    Über 40 Jahre vergingen zwischen dem extremen Hochwasser 1924 und 1965 im Neuburger Raum. Danach zog die Donau – mit kleineren Ausnahmen – bis 1999 friedlich ihre Bahn. Dem Jahrhunderthochwasser an Pfingsten jenes Jahres folgten weitere kleinere

    Denn, wie Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Ministerpräsident Markus Söder vor Ort unmissverständlich signalisiert hatten, wurde im Koalitionsvertrag zwischen Freien Wählern und CSU besiegelt, drei der vorgesehenen zwölf großen Rückhalteflächen nicht zu bauen: neben zwei Poldern bei Regensburg eben auch den in Bertoldsheim.

    Wird genug für den Hochwasserschutz getan?

    Für die Bürgerinitiative, angeführt vom jetzigen Landrat Peter von der Grün (Freie Wähler) sowie den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden Rennertshofen, Georg Hirschbeck, und Burgheim, Michael Böhm, eine absolut nachvollziehbare Entscheidung. Beide Bürgermeister sind sich darin einig, dass ihre Gemeinden sich für den Hochwasserschutz der Unterlieger, vor allem Neuburg und Ingolstadt, nicht zuletzt mit dem Bau des Flutpolders bei Riedensheim sowie der Absiedelung von Straß-Moos bereits vorbildlich eingebracht hätten. „Was sollen wir noch auf uns nehmen?“, fragt Hirschbeck. „Und selbst mit diesem Polderbau hätten unsere Unterlieger Stepperg und Hatzenhofen immer noch keinen Schutz.“

    Auch Kollege Böhm sieht ein „Monsterbauwerk“ mit einem sechs Meter hohen Damm, das im extremen Hochwasserfall knapp 19 Millionen Kubikmeter Donauwasser aufnehmen könnte, als unzumutbar für die betroffenen Bürger an. Außerdem gebe es nach seiner und der Meinung von Hirschbeck auch dezentrale Möglichkeiten des Hochwasserschutzes, „die mindestens ebenso hoch zu bewerten sind“, etwa an den Zuflüssen Iller und Lech. Mit dem Lechgebiet um Feldheim und der Niederschönfelder Flur sowie Straß-Moos gebe es zudem im direkten Umfeld bereits eine natürliche Rückhaltefläche, die rund 40 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen könnte. Böhm will sich aber nicht als „Polterer“ verstanden wissen, der sagt: „Macht’s das mit den Flutpoldern, aber ja nicht bei mir!“ „Vielleicht gibt es eine Lösung dazwischen, die auch von den betroffenen Bürgern akzeptiert werden könnte“, sagt er.

    Hochwasserschutz: Sind die drei Flutpolder endgültig passé?

    Georg Hirschbeck ist sich sicher, dass es aufgrund der Vereinbarung im Koalitionsvertag von Freien Wählern und CSU in den kommenden fünf Jahren keine Diskussion mehr über den Bau der gestrichenen drei Flutpolder geben werde. Ob dem so sein wird?

    Nach dem Aufschrei der niederbayerischen Donauanlieger wegen der drei gestrichenen Polder hat sich dort die Lage wieder etwas entspannt, nachdem im Dezember 2018 das vom Umweltministerium in Auftrag gegebene Gutachten der TU München fertiggestellt war. Dies belegt die Wirksamkeit der Flutpolder bei extremem Hochwasser. Umweltminister Thorsten Glauber (FW) verdeutlichte erst Ende März in Deggendorf, dass er, wie die Niederbayern, die Flutpolder in ihrer Gesamtheit zum Schutz vor extremem Hochwasser für notwendig hält. Das Kabinett in München hat beschlossen, den Streit auf Ende nächsten Jahres zu vertagen. Bis dahin sollen noch einmal „vertiefte Untersuchungen“ laufen.

    Die wird es auch in Bertoldsheim geben, wie Matthias Spitzbarth vom Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt bestätigt. Vor allem wird ein umfangreiches Grundwassermodell aufgestellt. Das erfasse den Ist-Zustand sowie die Veränderung des Grundwassers bei regulären und großen Hochwassern bei einer Deichrückverlegung. Weitere vertiefte Untersuchungen seien noch Zukunftsmusik. Doch könnte sich dabei zeigen, dass vielleicht eine Mischung aus allem – kleinere Rückhalte, Maßnahmen an Zuflüssen, Deichrückverlegung – einen ebenso großen Schutz bieten könnte.

    Der Polder in Bertoldsheim wird von einigen auch begrüßt

    Laut der Studie der TU München würde ein kombinierter Einsatz der Flutpolder Bertoldsheim und Riedensheim den Pegel der Donau bei Ingolstadt im extremen Hochwasserfall um 35 bis 40 Zentimeter senken. Mindestens so viel, wenn nicht noch ein bisschen mehr, würden die beiden Polder für Neuburg bringen. Riedensheim allein senkt den Scheitel um rund 15 bis 20 Zentimeter.

    Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling und die frisch gebackenen Landtagsabgeordneten, Staatssekretär Roland Weigert (FW) und Matthias Enghuber (CSU), schließen sich der Haltung der Bürgermeister in Burgheim und Rennertshofen an. Gmehling nicht zuletzt deshalb, weil inklusive des Baus des Polders Riedensheim bereits rund 23 Millionen Euro in den Hochwasserschutz für die Stadt geflossen sind. Aber es gibt durchaus auch ganz andere Meinungen in Neuburg.

    Alt-Oberbürgermeister und Ehrenbürger Hans Günter Huniar versteht jedenfalls nicht, warum die Stadtpolitik die Streichung des Polders Bertoldsheim so ohne weiteres hingenommen habe. „Auch wir haben bis 1999 nicht an ein solch extremes Hochwasser geglaubt. Und damals ging es für Neuburg nur um Zentimeter“, erinnert er sich. „Ich will so etwas nicht mehr miterleben müssen.“ Wie Stadtrat

    „Ein Polder oberhalb Neuburgs senkt den Wasserstand“

    Auch für den ehemaligen „Wasserpabst“ bei der Stadt Neuburg, Paul Leikam, liegt es auf der Hand, dass ein Flutpolder oberhalb Neuburgs den Pegel der Donau im Extremfall senken wird. Der Diplomingenieur sieht in dem Polderkonzept 2020 Plus „ein Projekt für die Zukunft für extreme Hochwasser, die vielleicht in 20, 25 oder 30 Jahren kommen werden und wieder Schäden in Milliardenhöhe in Bayern verursachen“. Die Anlieger eines Polders, so Leikam, hätten vor steigendem Grundwasser Angst, Landwirte weisen auf die Schäden hin, die ein einmal gefluteter Polder zurücklassen würde. Dabei sei der technische Hochwasserschutz mittlerweile weit vorangeschritten und Bauern können die Flächen so lange beackern, bis es zum Extremfall komme. Dann aber müsse der Staat die Grundstückseigentümer tatsächlich ausreichend entschädigen, zumal es kaum Ersatzgrundstücke in der näheren Umgebung des geplanten Polders gebe und die Pachtpreise in die Höhe geschossen seien. „Es kann nicht zum persönlichen Pech werden, wenn jemand ausgerechnet dort Land besitzt, wo es die Allgemeinheit für andere Zwecke dringend braucht“, sagt Leikam. Aber andererseits könne auch keine strikte Verweigerungshaltung hingenommen werden, wenn faire Angebote auf den Tisch gelegt werden. „Nur der Oberlieger kann den Unterlieger schützen. Es ist ein Geben und Nehmen und es geht um Solidarität, wie damals als Fischerdorf untergegangen ist.“

    Aus seiner Sicht würde ein weiterer Flutpolder oberhalb Neuburgs nicht nur die Unwägbarkeiten des Klimawandels abfedern. Er wäre gleichzeitig auch eine Sicherheitsreserve für das Leben von 20.000 im extremen Hochwasserfall Betroffenen in Neuburg. Für Leikam ist die Frage entscheidend: Ist Neuburg ausreichend gesichert, oder braucht es einen weiteren Polder? Wenn Wissenschaft und Fachleute zu der Erkenntnis kämen, der Polder Bertoldsheim werde gebraucht, dann sollte die Politik nicht anders entscheiden. „Denn wer würde im Fall der Fälle dann die Verantwortung übernehmen?“

    Lesen Sie dazu den Kommentar "Hochwasser: Auf die Solidarität bauen" sowie den Artikel "Land unter: Erinnerungen an das Pfingsthochwasser 1999" von Manfred Rinke.

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