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Neuburg: Herztransplantation: Wie ein Neuburger dem Tod entkam

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Herztransplantation: Wie ein Neuburger dem Tod entkam

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    Es geht ihm sichtlich besser, aber ganz nach Hause darf Josef Götzenberger noch nicht. Im Sommer wurde ihm das Herz eines Toten transplantiert.
    Es geht ihm sichtlich besser, aber ganz nach Hause darf Josef Götzenberger noch nicht. Im Sommer wurde ihm das Herz eines Toten transplantiert. Foto: Barbara Würmseher

    Sein Testament hatte er schon gemacht. Auch der Ablauf der Beerdigung war besprochen. Und auf den Abschied von seinen Lieben hatte sich Josef Götzenberger ebenfalls vorbereitet. „Sie werden dieses Jahr nicht überleben – nicht mit Ihrem Herzen“, hatte ihm die behandelnde Ärztin im Münchner Klinikum Großhadern erklärt. Und er selbst hatte es ja auch gespürt, dass die Kräfte nachließen.

    „Ich konnte kaum noch laufen, hatte wahnsinnige Angst davor, eine Treppe steigen zu müssen und war mit den einfachsten körperlichen Dingen komplett überfordert“, so schildert Josef Götzenberger in seiner Reha-Klinik in Bad Aibling gegenüber der Neuburger Rundschau, in welcher Verfassung er war.

    Herzerkrankungen liegen in der Familie

    Herzerkrankungen liegen bei den Götzenbergers in der Familie und auch Josef ist vor 56 Jahren mit einem Herzfehler auf die Welt gekommen. Seine „Pumpe“ war rechtsseitig vergrößert. Als dann vor wenigen Jahren eine verschleppte Grippe zudem zur Herzmuskelentzündung führte, traten die Probleme immer massiver auf. Schon 2014 war er häufig im Krankenhaus, bekam unter anderem einen Herzschrittmacher. Wer Josef Götzenberger seitdem in Neuburg sah – in Stadtratssitzungen, beim Orgelspielen in St. Peter, als Musiklehrer in der Maria-Ward-Realschule, als Chorleiter von Leuchtfeuer und, und, und –, erschrak, wie sichtlich mitgenommen er aussah.

    Wie schlecht es ihm tatsächlich ging, offenbarten dann die vielen, vielen Untersuchungen, die er über sich ergehen lassen musste – in den Kliniken St. Elisabeth, im Münchner Klinikum Neuwittelsbach und im Klinikum Großhadern. Ein ganzes Jahr hat er in Krankenhäusern verbracht. Als seine Odyssee im Januar 2015 begann, stand der Ernst der Situation schnell fest. Es war klar, dass Josef Götzenberger ohne ein neues Herz keine Chance haben würde. Doch Spenderorgane sind rar: „Die durchschnittliche Wartezeit beträgt etwa eineinhalb Jahre – und so viel Zeit hatte ich nicht.“ Also zeigten ihm die Ärzte die Alternative auf: „Man hätte mir ein künstliches Herz eingesetzt, ein Schlauch wäre aus meinem Bauch gekommen und ich hätte immer mit einem Koffer mit Batterien herumlaufen müssen“, schildert Josef Götzenberger.

    Er kam auf die Dringlichkeitsliste der Vermittlungsstelle Eurotransplant im holländischen Leiden. Auf dieser Liste stehen gegenwärtig rund 16000 Menschen, die dringend auf ein lebenswichtiges Organ warten. Götzenberger war einer von ihnen. Seine Chancen standen allein rein rechnerisch nicht gut – erst recht nicht mit der seltenen Blutgruppe Null.

    "Wir haben ein Herz für Sie"

    Im Juni 2015 allerdings trat der unwahrscheinliche Fall ein: Eines Nachts gegen halb zwei wurde Götzenberger in seinem Münchner Krankenzimmer geweckt. Die Nachricht stimmte ihn hoffnungsvoll: „Machen Sie sich fertig, wir haben ein Herz für Sie.“ Götzenberger reagierte hektisch. Packte ein paar Dinge zusammen, informierte alle, die ihm in den Sinn kamen, war voller Anspannung. Dann die Ernüchterung: Von den beiden Kliniken, die informiert worden waren, war die andere mit ihrer Zusage schneller gewesen – so wurde ihm bedauernd mitgeteilt. Götzenberger nahm es fatalistisch: „Es hat halt dann nicht sollen sein. Ich hab mich in mein Bett gelegt und weitergeschlafen.“

    Hin- und hergerissen war er in dieser Zeit. Einerseits betrachtete er sein Schicksal ganz nüchtern, stellte sich auf Leben und Tod gleichermaßen ein. Andererseits hoffte er täglich auf die erlösende Nachricht. Und die kam am 17. Juli 2015. „Richten Sie sich zamm, in einer halben Stunde kommt der Krankenwagen. Wir haben das richtige Herz für Sie“, teilte ihm eine Krankenschwester mit.

    „Diesmal hab ich die Botschaft erst einmal ruhig auf mich wirken lassen“, erzählt Josef Götzenberger. „Ich hab ganz in Ruhe meinen Waschbeutel zusammengepackt, dann sind wir nach Großhadern gefahren, dort hab ich eine Beruhigungstablette bekommen und was dann kam, davon hab ich gar nichts mitgekriegt.“ Die ganze Dramatik hat er erst Wochen später erzählt bekommen. Von den Ärzten, von seiner Schwester, die so oft es ging bei ihm war und ist. Die Transplantation dauerte sechs Stunden. Und es gab Komplikationen. Zweimal mussten die Ärzte nachoperieren, weil die Blutungen einfach nicht zu stoppen waren. Für zwei Wochen wurde er ins künstliche Koma versetzt. Als er wieder aufwachte, nahm er nicht wirklich wahr, was um ihn herum passierte. Dann kam eine Lungenentzündung hinzu. Ein multiresistenter Keim hatte ihn infiziert. Ein Luftröhrenschnitt war nötig und Josef Götzenberger kam erneut ins künstliche Koma.

    Mitte August schließlich kam der 56-Jährige wieder zu sich und ab dieser Zeit ging es in kleinen Schritten aufwärts. Langsam, aber stetig. Zwar war sein Immunsystem stark heruntergefahren, um zu verhindern, dass sein Körper das neue Herz abstößt, zwar muss Götzenberger seitdem Immunsuppressiva einnehmen, aber das nimmt er gerne in Kauf dafür, dass sich das Spenderorgan so gut anfühlt. „Ich war so froh, auf dem Überwachungsmonitor die gleichmäßigen Ausschläge zu sehen, die mein neues Herz macht. Das hatte etwas unendlich Beruhigendes an sich. Ich spüre überall meinen Puls und das ist einfach nur schön. Mein altes Herz konnte ja gar nicht mehr so kräftig pumpen.“

    Von dem Menschen, dessen Tod sein Weiterleben möglich gemacht hat, weiß Josef Götzenberger überhaupt nichts. So will es bei uns das Gesetz. „Ich denke aber, es war ein Mann, denn da das Organ für mich passt, hätte es sonst eine sehr große Frau sein müssen“, kombiniert er. „Und es war Hochsaison bei den Motorradfahrern. Vielleicht...“.

    Das kostbare Geschenk anzunehmen, fällt ihm nicht schwer, denn sein Spender sei ja nicht für ihn gestorben. „Er war Organspender und wollte, dass im Ernstfall jemand sein Herz bekommt“, sagt Josef Götzenberger. Und dafür bin ich ihm unendlich dankbar!“ Die einzige Möglichkeit, eines Tages vielleicht mehr herauszufinden, besteht darin, den Angehörigen einen Brief zu schreiben – ganz anonym, ganz neutral, ohne Namensnennung, ohne persönliche Details. Josef Götzenberger hat das vor. „Aber dafür brauche ich noch Zeit.“

    Dankbar ist er auch den Ärzten, vor deren medizinischer Leistung er den Hut zieht. Als Josef Götzenberger ein neunjähriger Bub war, wurde im Fernsehen weltweit die allererste Herztransplantation des Herzchirurgen Christian Barnaard gezeigt. Josef erinnert sich, wie fasziniert er damals zugeschaut hat. Völlig ahnungslos, dass er selbst eines Tages von diesem medizinischen Fortschritt profitieren würde. Auch gehört ein Quentchen Glück zum Erfolg einer OP und zur Genesung, glaubt Götzenberger. Und, so seine feste Überzeugung: „Der liebe Gott wollte einfach, dass ich noch nicht gehe.“

    Der Weg in ein neues Leben ist noch weit

    Der Weg zurück nach Neuburg, der Weg zurück in sein neues Leben, ist noch weit. Josef Götzenberger muss mit Hilfe seiner Therapeuten wieder vieles lernen. „Momentan läuft mein eineinvierteljähriger Großneffe schneller und sicherer, als ich es tue“, schmunzelt er und sein bekannter Schalk im Nacken ist wieder da. Götzenberger hat trotz allem eines nicht verloren: Die Fähigkeit, das Leben mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Es wird nicht mehr sein altes Leben sein, das er findet, wenn er nach vielen Monaten endlich wieder auf Neuburger Boden wohnt. So viel steht fest.

    Sein früheres Zuhause musste er aufgeben. Es war nicht behindertengerecht. Seine engste Familie und Freunde haben in die Hände gespuckt und ihm mit vereinten Kräften am Schwalbanger eine neue gemütliche Dreizimmerwohnung eingerichtet, so wie sie überhaupt in jeder Hinsicht für ihn da sind. Fotos, die ihm seine Schwester alle paar Tage schickt, machen ihn schon jetzt mit seiner neuen Umgebung vertraut. „Mein Chor Leuchtfeuer hat den gesamten Umzug für mich gemanagt“, sagt Götzenberger und strahlt voller Glück über die Gewissheit, behütet zu sein von Liebe und Freundschaft.

    Furchtbar Heimweh hat er, Sehnsucht nach seinem Neuburg, nach seiner Pfarreiengemeinschaft. „Mindestens zehn Pfarreien haben für mich regelmäßig gebetet und das hab ich auch gespürt. Das ist irgendwie der Hammer!“ Die Menschen gehen ihm ab. Trotzdem übt sich der 56-Jährige in Geduld – immer ein Ziel vor Augen: Wieder ein halbwegs normales Leben zu führen. Vom Schuldienst – da macht er sich keine Illusionen – wird er sich wohl verabschieden müssen. Als Stadtrat aber möchte er wieder einsteigen und mithelfen, in seinem Neuburg die Weichen zu stellen. Und auch als Organist und Chorleiter „will ich versuchen, so weit wie möglich wieder im Einsatz zu sein“.

    Eigentlich hätte Josef Götzenberger zu Weihnachten aus der Klinik entlassen werden wollen. Ganz so weit ist er aber noch nicht. Zwei Tage „Heimaturlaub“, so viel haben ihm die Ärzte zugestanden. Und so hat er jetzt zum ersten Mal nach einem Jahr wieder Neuburger Luft geschnuppert. Beim Aufbruch zurück nach Bad Aibling stand für ihn eines fest: „Ich komme wieder!“ Und das meint er auch im übertragenen Sinne...

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