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Neuburg: Großer Kleinstadtjazz in Neuburg: Der Jazzclub Birdland wird 30

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Großer Kleinstadtjazz in Neuburg: Der Jazzclub Birdland wird 30

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    Etwa 60 Konzerte finden hier von Jahr zu Jahr statt: im Jazzclub Birdland.
    Etwa 60 Konzerte finden hier von Jahr zu Jahr statt: im Jazzclub Birdland. Foto: Gerhard Löser (Archiv)

    Das Leben als Blues, süß und melancholisch. Als Intuition, erotisch, dann fordernd. Schroff, knarzend, fast metallisch. Eine Klangtapete, tragisch und zart. All das kann im Jazz zu einer Melodie kondensieren. Ein Genre mit vielen Gesichtern, von denen nicht wenige im Neuburger Birdland vertreten waren: einem Jazzclub zum 30. Geburtstag, der seit damals das Understatement pflegt.

    Jazzclub in Neuburg: Das Birdland entstand 1991 aus einem Apothekenkeller

    Vielleicht liegt es daran, dass das Birdland einst ein Keller war, ein Apothekenkeller, um genauer zu sein. Den Jazzclub an sich gibt es schon viel länger. Gegründet 1958 war er stetig auf der Suche nach einer geeigneten Spielstätte. In immer wechselnden Locations ließ er die Musiker auftreten, spielte im Neuhof, in der Rennbahn, im Coccodrillo, der Kajüte. Bis er 1991 in der Adresse am Karlsplatz ein Zuhause fand – und es zu einem Kosmos kredenzte, der die hiesige Jazz-Szene vertrat.

    Der Birdland-Chef, der das Unterstatement pflegt: Manfred Rehm.
    Der Birdland-Chef, der das Unterstatement pflegt: Manfred Rehm. Foto: Roland Spiegel

    Manfred Rehm, dessen Name bis heute untrennbar mit dem Birdland verknüpft ist, erzählt aus dieser Zeit: „Das Grundgewölbe war gegeben.“ Mit einer Akustik, die – wie sich später herausstellte – zum Niederknien war. Lediglich eine hochwertige Entlüftungsanlage habe der Hausherr einbauen lassen. Deren Vorteil zeigt sich heute in Corona-Auflagen – damals erwies sich die Anlage durch die Anforderungen der Rauchergesellschaft als unabdingbar.

    30 Jahre Birdland: „Tommy“ Lee Flanagan war zu Gast in Neuburg

    Denn als das Dusko Goykovich Quintet als erste Band am 1. Februar 1991 im Birdland konzertierte, gehörte die Pfeife zum Jazz wie das Messer zur Butter. Manfred Rehm aber fing in den 90ern damit an, Nichtraucherveranstaltungen anzubieten – nachdem eine Band vertraglich nach einem qualmfreien Keller verlangte. Weil eben das so gut funktionierte, führte der Birdland-Chef solche Abende monatlich ein. Ehe man sich versah, waren Raucher nur noch einmal in vier Wochen erwünscht. Und so verlor der Glimmstängel im Birdland weit vor dem bundesweiten Verbot an Gefolgschaft und Bedeutung.

    Es sind Geschichten wie diese, die sich in den Andekdotenkammern des Gewölbes tummeln. 1994 zum Beispiel kam Thomas „Tommy“ Lee Flanagan, ein amerikanischer Pianist des Mainstream Jazz, in den Apothekenkeller nach Neuburg.

    Das Modern Jazz Quartet spielte 1991 im Neuburger Stadttheater.
    Das Modern Jazz Quartet spielte 1991 im Neuburger Stadttheater. Foto: Winfried Rein (Archiv)

    Wobei Aufnahmen entstanden. Manfred Rehm erinnert sich, dass der Musiker ein Team-Player gewesen sei – so sehr, dass er sich äußerst schwer tat, solo auf der Bühne zu balladieren. Das Ergebnis: Der Mitschnitt wurde nicht freigegeben und verstaubte stattdessen im Archiv. Bis jetzt. Denn die Darbietung des 2001 verstorbenen Künstlers gibt es seit Kurzem als CD, die unter dem Titel „In His Own Sweet Time“ erhältlich ist.

    Das Birdland feiert Jubiläum: 30 Jahre Jazz von internationalem Rang

    Wie Tommy Lee Flanagan standen viele auf der Bühne des Birdland, Jazz-Pioniere und Stil-Bilder des Genres. Mitte der 90er etwa kam der legendäre Gerald Joseph „Gerry“ Mulligan nach Neuburg. Ein halbes Jahr später starb er. Diana Crawl, blond, kühl, Kanadierin, bespielte das Gewölbe am Piano. Das Esbjörn Svensson Trio aus Schweden war da. Cecil Taylor als Free-Jazz-Revolutionär. US-Jazzgitarrist John Scofield. Musiker aus Japan, Interpreten aus Bayern, Bands der Mongolei zeigten, dass Jazz als globale Angelegenheit verstanden werden will. Und das Birdland als ein Jazzclub von internationalem Rang.

    1991 wurde aus einem Apothekenkeller der Altstadt das Birdland.
    1991 wurde aus einem Apothekenkeller der Altstadt das Birdland. Foto: Winfried Rein (Archiv)

    Um sich das anzusehen und vor allem anzuhören, kommen Menschen inzwischen aus einem Radius von 100 Kilometern nach Neuburg angefahren, darunter aus den Ballungsräume Regensburg, Augsburg, München, Nürnberg und sogar Ulm. All das musste wachsen, habe sich sukzessive entwickelt, bemerkt Manfred Rehm. Denn das Problem anfangs sei gewesen, dass man in einer Kleinstadt nicht das Publikum hatte, das man für ein Vorhaben wie dieses bräuchte.

    Birdland-Programm lebt von Facettenreichtum des Jazz

    „Uns war klar: Wir müssen etwas bieten, damit die Leute hierherkommen.“ Insbesondere, wenn man in Konkurrenz mit anderen Städten trete, die eine eigene Jazz-Szene haben, müsse das Konzert zumindest interessanter sein als jene vor Ort. „Also haben wir versucht, den Reiz über unser Programm zu erzeugen.“

    Eröffnungsgespräch: Alt-OB Günter Huniar (l.) und Eigentümer Manfred Bartl.
    Eröffnungsgespräch: Alt-OB Günter Huniar (l.) und Eigentümer Manfred Bartl. Foto: Winfried Rein (Archiv)

    Das will Manfred Rehm ausgewogen gestalten, durch den Facettenreichtum der Musik: „Der Jazz lebt von seiner stilistischen Vielfalt“, betont er. Vom Bebop, dem Blues, dem Chicago-Jazz, Dixieland, Ragtime, dem Swing, Mischformen und all den Funky-Rocky-Soul-Abdrücken. Sie verschmelzen zu einer Gattung, die vor allem eins ist: frei. „Es ist die Musik unserer Zeit“, sagt Manfred Rehm. Auch weil das Phänomen Jazz Improvisation bedeutet – ein Brückenschlag zur aktuellen Krisen-Zeit: „Improvisieren, das müssen wir wegen Corona auch heute tun.“ Zumal man sich auf bestimmte Sachen, Gegebenheiten, Routinen nicht mehr verlassen könne. Jazz – ein Spiegel also unserer Zeit?

    Neuburger Birdland als Jazz-Kosmos für alle Menschen

    Für einen Gewölbekeller in der Neuburger Altstadt mag das zutreffen. Wichtig ist seinem Schöpfer, dass sich dieser Kosmos als ein Ort für alle etabliert hat – nicht nur für die illustre Gesellschaft. Sondern für Menschen, die sich darauf einlassen möchten, unabhängig von Alter, Klasse, materiellen und menschlichen Beziehungen. So wurde aus dem Birdland über die vergangenen 30 Jahre eine Spielstätte mit etwa 60 Konzerten im Jahr, das immer neue Perspektiven auf die Musik versucht zu zeigen. Und für Manfred Rehm – so formuliert es Reinhard Köchl als sein guter Freund – ein zweites Wohnzimmer, in dem er von immer demselben Platz aus dem abendlichen Dialog zwischen Musikern und Publikum lauscht.

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