Mann und Frau verabreden sich an einem Sommerabend auf einem Parkplatz. Sie haben sich nie zuvor gesehen, aber über Snapchat, einem Messengerdienst, geschrieben. Hier haben sie sich vor einigen Monaten kennengelernt. Jetzt soll es wirklich werden, ein reelles Treffen also, ein Date. Doch während sie nur nach neuen Freunden sucht, will er viel mehr. Zwei Menschen, zwei Erwartungen und die Chronik eines vermeintlich sexuellen Übergriffs im Auto.
Amtsgericht Neuburg verhandelt Vorwurf des sexuellen Übergriffs
Die 20-Jährige schluchzt, während sie Richter Christian Veh vom August 2020 erzählt. Sie habe damals schon gewartet, als der Angeklagte mit seinem Auto auf den Parkplatz fuhr. Er sei erst aus-, dann zu ihr auf den Beifahrersitz gestiegen und habe sofort seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt. Sie habe ihn abgewiesen, gesagt: „Hey, wir wollten uns doch normal kennenlernen.“ Einen Satz, den er scheinbar nur kurz respektierte.
Denn er packte die Krankenpflegerin wenig später am Hals, sodass sie keine Luft mehr bekam. Sie wiederholte, er solle es lassen. Doch wie schon Staatsanwalt Tobias Westermeier referiert hat, hörte der 31-Jährige nicht auf. Er nahm den weiteren Angaben zufolge ihre Hand und legte sie sich auf die Hose, wo die 20-Jährige den erigierten Penis des Mannes spürte. Der Angeklagte glitt mit seiner Hand an ihre nackte Brust, dann in ihren Schritt. „Ich war wie in einer Schockstarre.“ Er habe sie beleidigt, angespuckt, dann sei er gegangen.
In den Erzählungen der jungen Frau aber sieht die Verteidigung nicht nur zeitliche Ungereimtheiten: „Mit welcher Hand hat Ihnen der Angeklagte an den Hals gefasst?“, fragt Rechtsanwalt Delil Düzgün.
Die junge Frau antwortet zurückhaltend:„Da habe ich in diesem Moment nicht darauf geachtet. Ich weiß es nicht mehr.“
Verteidiger: „Könnte es sein, dass der blaue Fleck an Ihrem Hals durch einen Kussfleck entstanden ist?“
Die junge Frau: „Ja.“
Verteidiger: „Sie geben an, in einer Schockstarre gewesen zu sein, konnten aber die Hand des Angeklagten von Ihrem Oberschenkel schieben.“
Die junge Frau: „Ich wollte nicht angefasst werden.“
Verteidiger: „Auf der Hose befand sich aber keine DNA des Angeklagten.“
Treffen auf dem Parkplatz im Kreis Neuburg-Schrobenhausen
Überhaupt schildert sein Mandant dieselbe Nacht etwas anders. Demnach habe man sich schon vor dem Treffen über sexuelle Vorlieben unterhalten – auch über das Würgen. „Ich frage vorher immer relativ viel, damit ich weiß, wie sie auf bestimmte Sachen reagieren“, erklärt der Mann, der angibt, sich schon öfter mit Frauen online verabredet zu haben. Dabei sei nie etwas vorgefallen. Auch nicht an diesem Abend, bekräftigt der Angeklagte. Die 20-Jährige habe sich vielmehr an ihn gekuschelt. Erst als er ihren Busen „gestreichelt habe“, habe sie ablehnend reagiert und gesagt, dass es besser sei, er gehe nun. „Ich habe nichts gegen ihren Willen getan, ich habe sie nicht angespuckt, nicht beleidigt und auch nicht gewürgt.“
Obwohl der Richter keinen Zweifel an der Aussage der jungen Frau hat, entscheiden sich Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft dazu, das Verfahren einzustellen. „Es steht Aussage gegen Aussage“, bilanziert Delil Düzgün. Allerdings muss der Angeklagte eine Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro an die „Lebenshilfe für Behinderte der Region 10“ zahlen. „Ich hätte keine Bedenken, Sie zu verurteilen“, sagt Christian Veh. Zumal die Geschädigte keinen überaus starken Belastungseifer gezeigt habe. Insgesamt veranschauliche der Fall aber auch, meint der Richter, wie groß der Interpretationsspielraum für einen solchen Abend sei.
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