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Neuburg: Die Rumänienhilfe steht vor dem Aus

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Die Rumänienhilfe steht vor dem Aus

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    Das Leben auf dem Land bedeutet in Rumänien viel zu oft Armut. Dr. Rodica Leporda hilft seit 27 Jahren ihren Landsleuten mit medizinischen Geräten und überlebenswichtigen Gütern. Zuletzt besuchte sie Kinder und Kranke in der siebenbürgischen Gemeinde Bradeni.
    Das Leben auf dem Land bedeutet in Rumänien viel zu oft Armut. Dr. Rodica Leporda hilft seit 27 Jahren ihren Landsleuten mit medizinischen Geräten und überlebenswichtigen Gütern. Zuletzt besuchte sie Kinder und Kranke in der siebenbürgischen Gemeinde Bradeni. Foto: Dr. Rodica Leporda / Rumänienhilfe

    Dr. Rodica Leporda (74) ist kein Mensch, der einfach aufgibt. Nicht einmal die rumänische Staatspolitik, die sie mit Sorgen beobachtet, hätten die Ärztin im Ruhestand dazu bewegen können, die Hilfskonvois in ihre Heimat einzustellen. Sie hat in 27 Jahren mit Menschlichkeit der herrschenden Korruption getrotzt, hat mit Krankenhausbetten, Kinderstationen und lebenswichtigen Hilfsgütern die eigentlich staatlichen Aufgaben zu ihren persönlichen Anliegen erklärt. Doch nun droht der Rumänienhilfe des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Schrobenhausen das Aus.

    Die Neuburger Ärztin hat in den vergangenen Jahren immer deutlicher zum Ausdruck gebracht, dass der Verein überaltert. Der Nachwuchs blieb dennoch aus. Toni Drexler, der derzeit den Verein leitet, hat seinen Rückzug im neuen Jahr angekündigt. Sein potenzieller Nachfolger ist Ende September überraschend gestorben. „Wir werden nächstes Jahr ein letztes Mal nach Rumänien fahren“, erzählt Dr. Leporda, die 2016 für ihr Engagement den Sozialpreis „Silberdistel“ unseres Medienhauses erhalten hat. Wenn sich kein Nachfolger finde, bleibe es bei dieser letzten Fahrt. Damit endet auch eine Ära, die gerade die verarmte Landbevölkerung des 2007 der EU beigetretenen Staates konvoiweise mit Tausenden Hilfsgütern versorgte.

    Die Hilfe ist auch dringend nötig, wird aus den Erzählungen der engagierten Ärztin deutlich. Während das rumänische Parlament damit beschäftigt ist, die Gerichtsbarkeit für ihre Zwecke auszuhebeln und auf den Straßen der Städte seit Januar Tausende Rumänen protestieren, haben Rodica Leporda und ihre zehn Helfer aus Schrobenhausen wieder zwei Sattelschlepper, einen 7,5-Tonner und einen Transporter mit Hilfsgütern beladen: 30 Krankenbetten für das Klinikum in Heltau. Zehn Betten für die Pflegeeinrichtungen in Schäßburg und Laslea. Schulpakete, Winterjacken und Hygieneartikel für das vom Verein mitbegründete Kinderheim Bogdana. Das war im Juli.

    Eine Reise ins Ödland

    Schließlich landete der Hilfstrupp in der 1300-Einwohner-Gemeinde Bradeni. Obwohl die ländliche Region nur wenige Dutzend Kilometer von den Städten Schäßburg, Mediasch und Hermannstadt entfernt liegt, ist sie von der Außenwelt abgeschnitten, berichtet Dr. Leporda. Keine Bahn, keine Arbeit, nicht einmal ein Arzt hat sich ins Flusstal verirrt. Das sei symptomatisch für Rumänien, sagt die Ärztin. Seit den Neunzigerjahren hat sich die Situation in den Städten im westlichen Rumänien deutlich verbessert. Doch die Provinz ist nach wie vor Ödland.

    Der Bürgermeister von Bradeni nahm die Lieferung entgegen. Weil Rodica Leporda nach schlechten Erfahrungen mit einheimischen Politikern nur noch ungern die Hilfsgüter aus der Hand gibt, reiste sie im September erneut, diesmal allein, in die Landgemeinde. Sie wollte mit eigenen Augen sehen, wer die Menschen sind, die Hilfe erhalten. Da war sie wieder, die Armut, verteilt über drei Dörfer. Sie erlebte einen Bürgermeister, der ganz andere Aufgaben übernimmt, als Politiker in Bayern. Liviu Modoi ist damit beschäftigt, Brot und Fleisch für die Ärmsten zu beschaffen und eigenhändig zu verteilen. Er kämpft um die Genehmigung einer Arztpraxis für seine Gemeinde. In den vergangenen Jahren habe er dafür gesorgt, erzählt die Neuburger Ärztin, dass jedes Kind einen Kindergartenplatz erhält oder zur Schule geht. Die Ärztin unterstützt ihn nun mit dem wichtigsten Inventar für die Praxis. Vor zwei Wochen besuchte Bürgermeister Modoi die Helfer in Schrobenhausen. Das BRK hat für die Kinder der Gemeinde Winterjacken gesammelt – Spenden eines chinesischen Textilunternehmens. In der Region um Bradeni herrschen im Winter Temperaturen von bis zu minus 30 Grad. Ein letztes Mal wird der Hilfskonvoi voraussichtlich im Sommer 2018 Richtung Osten fahren. Allein der Kontakt zum Kinderheim Bogdana soll bestehen bleiben. Andere Kinderhilfseinrichtungen in Iasi, der Heimatstadt der Ärztin, haben bereits gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Andere werden sich selbst helfen müssen.

    Korruption ohne Strafe

    Am Dienstag, als dieser Text geschrieben wurde, vermeldeten europäische Medienhäuser die jüngsten Beschlüsse des rumänischen Parlaments. In einer „Massen-Reinwaschung“, schreibt beispielsweise die taz, haben die Regierungsparteien an diesem Tag ein Gesetz verabschiedet, Abgeordnete unter Korruptionsverdacht vor Strafe zu schützen. Zudem sollen rumänische Richter Justizirrtümer künftig aus eigener Tasche bezahlen. Zur gleichen Zeit bemüht sich ein Dorfbürgermeister um den ersten Arzt in seiner Gemeinde.

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