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Neuburg: Der Pfarrer, der den Zölibat verurteilt

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Der Pfarrer, der den Zölibat verurteilt

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    Pfarrer Walter Hroß ist mit 90 Jahren immer noch aktiv.
    Pfarrer Walter Hroß ist mit 90 Jahren immer noch aktiv. Foto: Claudia Stegmann

    Neuburg An schönen Tagen darf Pfarrer Walter Hroß nicht zum Himmel hinauf schauen. Zu gerne würde er dann den Boden unter den Füßen verlieren und in seinem Motorsegler sitzen. Doch seit fünf Jahren muss er auf sein bis dahin liebstes Hobby verzichten. Mit 85 Jahren hat er freiwillig seinen Fliegerschein abgegeben und damit seine 70-jährige Fliegerkarriere beendet. „Ich wollte den Schlusspunkt selbst setzen“, sagt er.

    Die Fliegerei hat wohl ihren Teil dazu beigetragen, dass Walter Hroß auch mit 90 Jahren noch körperlich und geistig beneidenswert fit ist. Regelmäßige Bewegung, keine Zigaretten, kein Alkohol – das sind wahrlich keine geheimen Zutaten für ein langes Leben. Der Trick aber ist: Walter Hroß hält sich strikt daran, denn er lebt nach dem Leitsatz „Wer rastet, der rostet“. Jeden Tag löst er das Kreuzworträtsel in der Zeitung, und wenn er einmal eine Antwort nicht weiß, liest er sie tags drauf bei den Lösungen nach. Und er geht bei jedem Wetter spazieren, egal ob es regnet oder schneit.

    Pfarrer zu werden war nicht die erste Berufswahl von Walter Hroß, der 1927 in Brünn in Tschechien geboren wurde. Weil ein Verwandter aus dem Ruhrgebiet ein Chemieunternehmen hatte, fand er es naheliegend, Chemie zu studieren. Doch es sollte anders kommen. In Ketterschwang im Allgäu, wo er nach dem Krieg eine neue Heimat fand, lernte er einen Priester kennen, dessen Art ihn nachhaltig beeindruckte. „Es ist doch viel schöner, für Menschen da zu sein als im Labor zu arbeiten“, dachte er sich und studierte deshalb in München Philosophie und Theologie. 1954 wurde er zum Priester geweiht. Nicht alle in seinem Priesterseminar schafften es so weit: Von anfangs 29 empfingen am Ende nur sieben die Weihe, erzählt er. Zwei weitere warfen einige Jahre später das Handtuch.

    Die Nachwuchssorgen der Kirche lastet Walter Hroß dem Zölibat an. Die Pflichtehelosigkeit sei einst von Thomas von Aquin, einem ausgesprochenen Frauenhasser, eingeführt worden und müsse seiner Meinung nach endlich aufgehoben werden. Er gibt ganz unumwunden zu, dass auch er sein Leben gerne mit einer Partnerin geteilt hätte.

    Hroß kam 1957 als Kaplan nach Neuburg. Dort hatte er sich auch um eine eigene Pfarreienstelle beworben – „am liebsten mit einem Flugplatz in der Nähe“. Doch dann wurde ihm die Stelle des hauptberuflichen Religionslehrers an den städtischen Berufsschulen angeboten. Hroß sagte ja und bereute es nicht, „schließlich hatte ich dann lange Ferien, die ich zum Fliegen nutzen konnte.“ Darüber hinaus war er als Aushilfspfarrer überall dort eingesetzt, wo man ihn brauchte. Insgesamt seien es wohl an die 40 Pfarreien gewesen, in denen er Gottesdienste hielt, sagt er.

    Den Pfarreien Sinning, Oberhausen, Unterhausen und Dezenacker ist er bis heute treu geblieben. Dass seine Gottesdienste nach wie vor gut besucht seien, sei der Länge seiner Predigten geschuldet: eine Schreibmaschinenseite dürfen sie lang sein – und keine Zeile länger. „Dann hören die Leute zu und schalten nicht vorher ab.“

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