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Neuburg: Corona und die Psyche: Lokale Experten berichten über die Lage an den Kliniken

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Corona und die Psyche: Lokale Experten berichten über die Lage an den Kliniken

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    Die Corona-Krise kann die Psyche schwer belasten.
    Die Corona-Krise kann die Psyche schwer belasten. Foto: Peter Steffen, dpa (Symbolfoto)

    Die einen fürchten die Infektion, andere um ihre Existenz. Sie sind einsam, überfordert, durch den Lockdown gestresst. Dann es gibt natürlich noch diejenigen, denen es schon zuvor schlecht ging, die sich labil fühlen, vielleicht mehr als sonst. Und so zeigt es sich immer mehr, dass die Corona-Krise zu einer Krise der eigenen Psyche werden kann.

    Corona-Krise im Raum Neuburg: Für Hilfesuchende war es oftmals schwer

    Prof. Dr. med. Thomas Pollmächer weiß das. Er ist Direktor am Zentrum für psychische Gesundheit, kurz ZPG, und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Ingolstadt. Wie er erzählt, sei die Zahl der Menschen, die das ZPG für eine stationäre Behandlung aufgesucht haben, im vergangenen Jahr zwar um 25 Prozent gesunken. Das aber bedeute nicht, dass psychische Notlagen seltener geworden sind. Zumal nur ein kleiner Teil der Menschen, die in solchen Notlagen sind, ein Krankenhaus aufsuche. „Der Lockdown und seine Begleiterscheinungen wie die Besuchsverbote haben natürlich die Schwelle erhöht, sich bei uns Hilfe zu suchen“, sagt der Mediziner.

    Obwohl also die Zahl der stationären Patienten gesunken ist, hat das ZPG nach dem ersten Lockdown deutlich mehr sehr schwer kranke Menschen aufgenommen. Darunter sehr viele depressive Patienten, aber auch solche mit Schizophrenie oder bipolarer Störung. „Wir vermuten, dass die deutlich reduzierten Angebote ambulanter Behandlung und psychosozialer Beratung dazu geführt haben, dass leichtere Krisen zu schweren Erkrankungen geworden sind, weil eben nicht rechtzeitig Hilfe zur Hand war“, erläutert Thomas Pollmächer.

    Kein anderes Ereignis der vergangenen Jahre hat die Menschen so tangiert wie die Corona-Pandemie.
    Kein anderes Ereignis der vergangenen Jahre hat die Menschen so tangiert wie die Corona-Pandemie. Foto: Benedikt Siegert (Symbolfoto)

    Dass es für einige Hilfesuchende durchaus problematisch war, die passende Hilfe zu finden – diesen Eindruck bestätigt auch Beate Hofer als Psychologische Leiterin der Danuvius Kliniken. Gerade während der ersten Lockdown-Phase seien manche Tageskliniken geschlossen gewesen, einige Ärzte und Psychotherapeuten hätten indes nur per Video beraten. An sich ein gutes Angebot, findet die Psychotherapeutin, für einige Patienten aber nicht das Richtige. Auch deshalb hatten die Danuvius Kliniken immer alle Bereiche offen gehalten – Kliniken, Tageskliniken wie Ambulanzen. Weil es wichtig sei, dass Betroffene zumindest einen Ansprechpartner bekommen, der sie an die entsprechenden Anlaufstellen weiterleiten kann, erklärt Beate Hofer. Ihrer Ansicht nach ist die Zahl der Menschen, die mit psychischen Belastungen in die Danuvius Kliniken kommen, zuletzt signifikant gestiegen. Wobei sich diese Tendenz in vielen Bereichen zeige: den Angsterkrankungen etwa, aber auch den Schlafstörungen und Suchterkrankungen. „Wir beobachten schon länger, dass Patienten verstärkt unter der aktuellen Situation leiden.“

    Dabei kann der Lockdown beides sein: Verstärker und Auslöser. Er kann die Lage von Menschen verschlimmern, die sich schon zuvor in einer psychischen Notlage befunden haben. Gleichzeitig kann er ursächlich dafür sein, dass die psychische Konstitution eines Individuums ins Wanken gerät. „Er kann das Fass gewissermaßen zum Überlaufen bringen“, sagt Beate Hofer. Wobei es in den überwiegenden Fällen nicht nur einen Auslöser gebe. „In der Regel ist es immer ein Zusammenspiel aus biologisch-genetischen Komponenten und der jeweiligen Lebenssituation.“

    Krisen-Interventions-Dienst des BRK: Aufmerksam und sensibel bleiben

    In der Not, so heißt es jedenfalls, kann die Angst ein Ratgeber sein. Was aber, wenn die Angst über Wochen und Monate reicht, wie es aktuell der Fall ist? Experten berichten von schwerer ausgeprägten Krankheiten und von allgemein steigenden Patientenzahlen. Demgegenüber ist in allen Einrichtungen – dem ZPG, der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und den Danuvius Kliniken – die Zahl der Menschen, die sich wegen suizidaler Gedanken Hilfe suchen, nicht gestiegen, sondern stabil geblieben. Ein Trugschluss? Wie Thomas Pollmächer vom ZPG erklärt, gebe es deutschland- beziehungsweise weltweit bisher keine sicheren Hinweise auf erhöhte Suizidraten. Was nicht heiße, dass die Pandemie keinen Einfluss habe. Denn: „Es steht zu befürchten, dass sich entsprechende Effekte verzögert bemerkbar machen, insbesondere wenn sich die schweren sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie voll auswirken.“

    Wie viele andere Menschen in der Telefonseelsorge so sieht auch Margot Koschmieder vom Krisen-Interventions-Dienst des BRK-Kreisverbands, dass Corona die Bevölkerung belastet: „Es ist eine Situation, die uns viel abverlangt.“ Wichtig in solchen Zeiten, sagt sie, seien stabile Familienstrukturen. Das heißt, auch wenn man sich nicht persönlich begegnen kann: Das Telefon und digitale Plattformen helfen, sich zumindest medial zu treffen. Wenn das Wetter es zulässt, solle man versuchen, rauszugehen, „mit der Familie oder auch allein, um den Kopf ein wenig frei zu bekommen“.

    Neben der eigenen Familie soll man auch anderen Personen gegenüber – den Nachbarn, Freunden und Kollegen – versuchen, sensibel zu sein. Eine Begrüßung, ein Gespräch über den Zaun, ein: „Wie geht’s dir heute?“ Dabei solle man verständnisvoll sein und sich die Antwort anhören, die vielleicht nicht immer positiv ausfällt in Tagen wie diesen. Dem ein oder anderen mag es guttun, Hilfe angeboten zu bekommen – etwa beim Einkaufen. Menschlichkeit hört im Supermarkt und Pflegeheim nicht auf: „Vielleicht auch mal ein ernst gemeintes ,Danke fürs Durchhalten’ mit einem Lächeln an die Verkäuferin oder den Verkäufer an der Kasse im Supermarkt, den Menschen in der Pflege und allen, die sich um uns sorgen“, rät Margot Koschmieder.

    Menschen in psychischen Notlagen: Hier finden Sie im Raum Neuburg Hilfe

    Denn gerade jetzt sei es nicht einfach, das Positive im Leben zu finden. Umso wichtiger sei es, sich auf bestimmte Dinge zu besinnen: die Gesundheit, ein Dach über dem Kopf und die Hoffnung auf Lockerungen und ein wenig Normalität. Auch weil wir wissen, dass wir „ arme, bedürftige Menschen um uns herum haben. Menschen die unwahrscheinlich sparen müssen, die mit dem Rücken an der Wand stehen, die große Sorge um ihre Zukunft haben, familiär wie beruflich“. Familien, in denen jemand an Covid-19 erkrankt oder verstorben ist. „Wir alle müssen durch die Krise. Und zwar gemeinsam“, bekräftigt Margot Koschmieder. Wer Gesprächsbedarf hat und Hilfe sucht, kann sich an die „Nummer für die Seele“ des Krisen-Interventions-Dienstes des BRK-Kreisverbands unter 08431/6799-98 wenden. „Wir hören zu und versuchen, so gut es geht, zu helfen“, so wie die Telefonseelsorge oder viele andere auch.

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