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Neuburg: Brandbrief an Söder: Neuburger Trachtenhändler kämpfen ums Überleben

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Brandbrief an Söder: Neuburger Trachtenhändler kämpfen ums Überleben

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    Claudia Nowka betreibt das Trachten-Geschäft „Alpenmädel“ in Neuburg. Sie beklagt, dass ihre Branche in der aktuellen Corona-Krise vergessen wird.
    Claudia Nowka betreibt das Trachten-Geschäft „Alpenmädel“ in Neuburg. Sie beklagt, dass ihre Branche in der aktuellen Corona-Krise vergessen wird. Foto: Andreas Schopf

    Die Frage, ob Claudia Nowka kurz Zeit für ein Interview hat, ist fast überflüssig. „Es ist niemand da“, sagt sie mit Blick in ihren Laden. Nowka ist Inhaberin des Trachten-Geschäftes „Alpenmädel“, mit Filialen in Neuburg und München. Im Dezember hat sie genau drei Kundentermine, erzählt die Neuburgerin. „Das heißt aber nicht, dass diese drei dann auch etwas kaufen.“ Die Lage in der Trachten-Branche ist dramatisch. Die Betroffenen haben in ihrer Not vor kurzem einen Brandbrief an die Politik, unter anderem an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, geschrieben. Auch Händlerinnen aus Neuburg haben darauf unterschrieben.

    Neuburg: Trachten-Händler kämpfen ums Überleben

    Eine davon ist Nowka. „Es kauft derzeit keiner eine Tracht“, beschreibt sie die frustrierende Lage. Volksfeste, Hochzeiten, Familien- und Weihnachtsfeiern: Alles ist abgesagt. Das bekommen die Händler mit voller Wucht zu spüren. „Gerade die Absage des Oktoberfestes war für die Branche eine Katastrophe“, betont Nowka. Aber auch der Ausfall regionaler Feste, wie etwa des Karlshulder Volksfestes, habe man sofort am Umsatz gemerkt.

    Die Händlerin hatte die Hoffnung, dass es wenigstens zum Jahresende wieder bergauf geht. Wer 2021 in Tracht heiratet, kauft sich sein Outfit schon jetzt, zumindest unter normalen Umständen. Doch angesichts der weiter angespannten Corona-Lage sind die Kunden verunsichert und halten sich mit Käufen zurück, sagt Nowka. Nach der Absage des Neuburger Schloßfestes könne man darauf warten, dass auch das Oktoberfest 2021 den Corona-Auflagen zum Opfer fällt, vermutet die Händlerin, die einen „Super-GAU“ für ihre Branche befürchtet.

    Nur mit Masken kann sich die Trachten-Händlerin über Wasser halten

    Sie habe laufende Kosten, etwa durch die Miete, und auch die Lieferanten muss sie bezahlen. Überleben könne sie derzeit nur, weil sie kurz vor der Corona-Krise mit ihrer Münchner Filiale in neue Räumlichkeiten umgezogen ist und dadurch viel Miete spart. „Das war Glück im Unglück.“ Im Januar steht eine Hochzeitsmesse an, auf der Nowka ausstellen möchte. Auch hierfür muss sie nach eigenen Angaben mehrere tausend Euro zahlen.

    Nur: Das Geld kommt derzeit nicht ansatzweise herein. Alleine das Pendeln zwischen ihren Filialen in Neuburg und München koste mehr Sprit, als sie Umsatz generiert. Trotzdem nehme sie den Weg auf sich, um für Kunden da zu sein, sagt Nowka – auch wenn sie angesichts der Situation die Öffnungszeiten eingeschränkt hat. Ihr bleibe nichts anderes übrig, als ihre Produkte „brutal“ zu reduzieren, um Menschen irgendwie zu einem Kauf zu bewegen – mit mäßigem Erfolg. Nur mit dem Verkauf von selbst gemachten Masken könne sie sich irgendwie über Wasser halten.

    Vom Staat gibt es derzeit keine finanzielle Hilfen

    Nowka spricht von „großer Ratlosigkeit“, wie es weitergehe. Das Problem: Trachten-Geschäfte dürfen beziehungsweise müssen derzeit öffnen und erhalten aktuell deshalb keine Ausgleichszahlungen vom Staat. „Wir haben aber überhaupt keine Chance, etwas zu verkaufen.“ Ihre Branche werde in den aktuellen Debatten komplett ignoriert. „Keiner denkt an Trachten“, sagt sie. Dass andere Bereiche, wie die Gastronomie, Unterstützung vom Staat erhalten und über das Mitnahmegeschäft eine zusätzliche Einnahmequelle generieren, bezeichnet die Händlerin als „absolutes Ungleichgewicht“ – auch wenn sie es ihren Kollegen gönnt, wie sie betont. Es sei jedoch kein Vorteil, derzeit öffnen zu können.

    Immer wieder höre sie Menschen sagen, dass diese das ganze Jahr über Tracht tragen. „Ich frage mich, wo diese Menschen gerade sind.“ Nowka appelliert an die Solidarität. „Wenn wir alle zusammenhalten, kommen wir da irgendwie durch.“

    „Es ist eine Katastrophe“

    Völlige Leere herrscht am Montag bei Trachten Bergmair in Neuburg.
    Völlige Leere herrscht am Montag bei Trachten Bergmair in Neuburg. Foto: Andreas Schopf

    Auch bei Trachten Bergmair herrscht am Montag völlige Leere im Verkaufsraum. „Es ist eine Katastrophe“, sagt Elfi Bergmair, Inhaberin des Geschäftes in der Neuburger Innenstadt. „Niemand kauft jetzt eine Tracht, wir machen keinen Umsatz.“ Nicht einmal mehr mit Masken könne sie – im Gegensatz zum Frühjahr – etwas Geld verdienen, betont Bergmair. „Der Bedarf ist gedeckt, Masken werden einem überall hinterhergeschmissen.“

    Auch Bergmair hat sich am Brandbrief an die Politik beteiligt. „Wir gehen unter, wenn nichts passiert“, spricht Bergmair für sich und ihre Kollegen. „Die Trachten-Branche wird total vergessen.“

    Ein Stück bayerische Tradition droht verloren zu gehen

    Dass andere Geschäftszweige ihre Geschäfte schließen dürfen und Ausgleichszahlungen erhalten, bezeichnet sie als „unfair“. Die Trachten-Händlerin würde ebenfalls lieber schließen und einen Teil des normalen Umsatzes vom Staat erhalten. Mit Trachten gehe nicht nur ein Wirtschaftszweig, sondern ein Stück bayerische Tradition verloren, gibt die Neuburger Händlerin zu bedenken.

    Ähnlich steht es im Brandbrief, den mehr als 100 Vertreter der Branche unterschrieben haben. Er ging an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. In der Landeshauptstadt haben bereits einige Händler aufgeben müssen, berichtet Nowka. Selbst Branchenführer Angermaier ist angezählt. Geschäftsführer Axel Munz spricht in einem Zeitungsartikel von „Totentanz in den Geschäften“ und „brutal roten Zahlen“.

    Die Branche hofft auf Hilfen vom Staat

    Die Betroffenen hoffen auf finanzielle Hilfe vom Staat. Im Brief appellieren sie an die Politik: „Retten Sie eine Branche, die nicht nur Bekleidung herstellt und verkauft, sondern die Tradition erhält, die Zusammengehörigkeit erzeugt in den Städten und in den kleinen Gemeinden und Vereinen, die für ein modernes bayerisches Bild in der Welt sorgt und die zum bayerischen Kulturgut maßgeblich beiträgt.“

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