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Neuburg: Als Neuburger Notärzte den Notstand ausriefen

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Als Neuburger Notärzte den Notstand ausriefen

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    Seit die KJF-Klinik Neuburg werktags von 7 bis 19 Uhr die Notarzteinsätze übernimmt, hat sich die Situation der Notarzt-Dienste im Raum Neuburg spürbar verbessert. 
    Seit die KJF-Klinik Neuburg werktags von 7 bis 19 Uhr die Notarzteinsätze übernimmt, hat sich die Situation der Notarzt-Dienste im Raum Neuburg spürbar verbessert.  Foto: Barbara Wild

    Der Unfall war eher unspektakulär. Ein klassischer Auffahrunfall eben. Eine Autofahrerin will abbiegen und muss wegen des Gegenverkehrs anhalten. Die nachfolgende Verkehrsteilnehmerin erkennt dies zu spät und fährt auf den Wagen auf. Es knallt, beide Frauen werden verletzt, Augenzeugen wählen den Notruf. Normalerweise wäre jetzt der diensthabende Notarzt aus Neuburg gerufen worden. Doch an diesem Tag steht keiner bereit. Deshalb muss der Rettungshubschrauber aus Ingolstadt ausrücken – ein Umstand, den die Kommunalpolitik im Landkreis so nicht akzeptieren wollte.

    Der Vorfall, der sich im Sommer 2010 in Neuburg ereignet hat, war zu diesem Zeitpunkt kein Einzelfall. Immer wieder kam es vor, dass die Notarzt-Dienste im Raum Neuburg nicht lückenlos besetzt werden konnten. Acht Ärzte – die meisten von ihnen Haus- und Assistenzärzte, die die Notarztdienste neben ihrer regulären Tätigkeit absolvierten – teilten sich zu jener Zeit die 24-Stunden-Schichten. Da kam es immer wieder mal vor, dass Dienste unbesetzt blieben.

    Das Interesse an einem Notarzt-Dienst in Neuburg war nicht allzu groß

    In diesen Fällen hätte dann ein auswärtiger Notarzt einspringen müssen. Doch für sie war Neuburg bis zu dieser Zeit nicht besonders attraktiv, weshalb das Interesse verhalten war: Es gab einfach zu wenig Einsätze, als dass der Aufwand finanziell interessant gewesen wäre. Denn neben einer Pauschale erhalten Notärzte auch Geld für jeden Einsatz. Je seltener also ein Notarzt gerufen wird, umso weniger verdient er. Und genau das war das Dilemma im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen: Wegen der vergleichsweise wenigen Einsätze war der Anreiz für auswärtige Notärzte, in Neuburg Dienst zu tun, eher gering – was dazu führte, dass im Notfall dann ein Arzt aus Ingolstadt eingeflogen werden musste.

    Das Problem daran: Für einen vergleichsweise unkritischen Auffahrunfall wie den in Neuburg ist ein Rettungshubschrauber nicht vorgesehen. Die Kapazitäten des Helis werden in Fällen wie diesen unnötigerweise, wenn auch gezwungenermaßen in Anspruch genommen. Er ist, wenn man so will, unter diesen Umständen einfach nur ein teures Taxi für den Notarzt.

    Notarztverein bezahlt Fahrtkosten und Sonderausstattung

    Dr. Alexander Hatz. Notarzt in Neuburg.
    Dr. Alexander Hatz. Notarzt in Neuburg. Foto: Manfred Dittenhofer

    Aus diesem Grund entstand damals die Idee, den Notarztverein „Menschen helfen – Leben helfen“ zu gründen, durch dessen finanzielle Hilfe der Neuburger Notarzt-Standort attraktiver wird. „Es war ein Versuch, Anreize zu schaffen, damit ein Notarzt etwa aus Starnberg sagt: Da geh’ ich hin“, erklärt Hatz das Ansinnen. Zehn Jahre ist das mittlerweile her. Doch ist das Konzept aufgegangen?

    Wenn es um die medizinische Ausstattung der Notärzte am Standort Neuburg geht, dann in jedem Fall. Denn über den Verein wird zusätzliches Equipment bezahlt, das den Ärzten die Arbeit erleichtert und das es andernorts nicht gibt. „Wir hatten immer eine erstklassige notfallmedizinische Ausstattung, die weit über den Standard in Bayern hinausging“, betont Hatz. Die Zusatzvergütungen sind dagegen eher symbolischer Natur. Sie sollen im Wesentlichen die Fahrtkosten und die Verpflegung externer Notärzte abdecken und bewegen sich im Bereich von um die 50 Euro. „Allein deswegen kommt kein Arzt aus Starnberg nach Neuburg“, verdeutlicht Hatz. Doch die Aufwandsentschädigung in Kombination mit den guten medizinischen Voraussetzungen in Neuburg habe durchaus den ein oder anderen Arzt nach Neuburg gelockt, wodurch sich die Situation entspannt habe.

    Notärzte in Neuburg können an einer Puppe einen Luftröhrenschnitt üben

    Vor allem der Zugriff auf medizinisches Werkzeug, das über die Standard-Ausstattung hinausgeht, weckt das Interesse engagierter Notärzte. Wie etwa die Puppe, an der Ärzte einen Luftröhrenschnitt üben können. „So ein Eingriff ist äußerst selten, das macht man vielleicht einmal in seinem Berufsleben“, sagt Hatz. Von routinierten Handgriffen kann also nicht die Rede sein. Dank des Dummys haben die am Standort Neuburg tätigen Notärzte nun aber die Möglichkeit, diesen Eingriff regelmäßig zu üben. Die Kassenärztliche Vereinigung würde eine solche Puppe, die rund 1500 Euro kostet, nicht bezahlen.

    Rund eine halbe Million Euro hat der Notarztverein in den vergangenen zehn Jahren in den Rettungsdienst investiert. An dem Umstand, dass einzelne Schichten immer wieder unbesetzt blieben, konnte aber auch der Verein nichts ändern. Die Zahl der Notärzte schwankt ständig; manche ziehen weg, andere stehen nicht mehr zur Verfügung. Und der Nachwuchs ist ob der mauen Bezahlung auch nicht immer gesichert. „Wenn man als Covid-Impf-Arzt 130 Euro in der Stunde verdient und als Notarzt 60 Euro, dann überlegt sich der eine oder andere schon, ob er sich das antun möchte“, sagt Hatz und meint damit die Unkalkulierbarkeit der Notarzt-Einsätze.

    Neuburg-Schrobenhausen zahlt fast 55.000 Euro in den Notarztverein

    Im Augenblick sind die Notarztdienste im Raum Neuburg aber bestens abgedeckt. Denn seit Dezember vergangenen Jahres übernehmen die Ärzte der KJF Klinik Neuburg werktags von 7 bis 19 Uhr die Notarzteinsätze. Das Wochenende wird dann von einem Team aus rund 20 Notärzten bestritten. „Wir haben damit so gut wie eine 100-prozentige Abdeckung“, sagt Hatz.

    Der Notarztverein hat aktuell rund 100 Mitglieder – Privatleute, Firmen und als größten Geldgeber den Landkreis. Der bezahlt 55 Cent pro Einwohner im Jahr, also knapp 55.000 Euro. Dazu kommen weitere 10.000 Euro an Beiträgen aller anderen Mitglieder sowie etwa 3000 Euro an Spenden. Rund die Hälfte der Einnahmen investiert der Verein in die Zusatzvergütung der Notärzte, der Rest fließt in Lehrgänge und Ausrüstung.

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