Es steht 3:1 für den vermeintlichen Außenseiter, doch vor Gericht zählen keine Zwischenstände. Am 28. November folgt das alles entscheidende Finale in Leipzig, wo der 7. Senat am Bundesverwaltungsgericht (BVG) ein endgültiges Urteil in einem Rechtsstreit fällen könnte, der durch alle Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ging.
Seit 2008 streiten die Schrobenhausener Entsorgerfirma Gigler und der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen um das Einsammeln von Altpapier. Es geht um viel Geld. Auch wenn die Preise schon höher waren – derzeit wird die Tonne unter 100 Euro gehandelt – die Gewinnmargen sind immer noch beträchtlich. Eigentlicher Beklagter ist der Freistaat Bayern, weil das Landratsamt als Staatsbehörde mit der Abfallbeseitigung eine staatliche Aufgabe erfüllt. Längst ist der Fall zum bundesweiten Präzedenzfall geworden, deren Ausgang Kommunen und Abfallwirtschaft aufmerksam verfolgen. Den bislang letzten Prozess am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Ansbach) verlor das Unternehmen und legte Revision ein bei der höchsten Instanz.
Das oberste deutsche Verwaltungsgericht soll den Kampf um die gewerbliche Erfassung des begehrten Wertstoffes grundsätzlich zugunsten der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden, hofft Mathilde Hagl. "Wenn wir obsiegen, stehen wir in den Startlöchern", sagt die Werkleiterin der Landkreisbetriebe in Neuburg. Doch sicher ist das nicht. Die Bürger, so argumentiert man am Landratsamt, seien Kraft Abfallwirtschaftsgesetz gesetzlich dazu verpflichtet, ihren Müll den öffentlich-rechtlichen Trägern zu überlassen statt der privaten Konkurrenz. Doch seit 2008 ist die Praxis im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen eine andere: Die Firma Gigler folgte einem bundesweiten Trend und verteilte blaue Tonnen an alle Haushalte im Landkreis, die eine wollten. Seitdem holt Gigler im Vier-Wochen-Turnus kostenlos das Sammelgut ab. 2018 hatte die Firma 18.600 Tonnen landkreisweit aufgestellt.
Der Landkreis kritisiert "Rosinenpickerei" der privaten Entsorger
Seitdem beschäftigt der Streit zwischen dem Entsorgungsunternehmen und dem Landratsamt in Neuburg die Instanzen. Der Landkreis duldete keine Konkurrenz und wollte mit einer kommunalen Tonne alleine das Papier bei seinen Gebührenzahlern einsammeln. Beim Gang vor das Verwaltungsgericht München (VG) war sich die Behörde ihrer Sache ziemlich sicher, doch die erste Runde ging an Gigler. Das Gericht hob den Bescheid des Landratsamtes auf. Der Schlagabtausch ging weiter, auf Berufung folgten weitere Bescheide der Behörde und Klagen der Firma in München, bis die Parteien sich 2015 in Ansbach trafen. Dort bekam der Landkreis recht. "Wir gehen durch alle Instanzen", begründet Gigler-Geschäftsführer Rolf Fischer den Gang nach Leipzig.
Auf 30.000 Tonnen im Jahr schätzt Mathilde Hagl die Altpapiermenge im Landkreis, in den kreiseigenen Wertstoffhöfen landen derzeit 1400 Tonnen. "Für uns ist wichtig, endlich Klarheit zu bekommen", sagt Benno Baur (FW), Werkreferent des Kreistags. Denn, so seine Meinung, die Firma Gigler mache dieses Geschäft, so lange es rentabel sei. "Wenn die Papierpreise in den Keller gehen, lassen die die Tonnen stehen. Und dann sind wir am Zug." Privatwirtschaftliche Unternehmen müssten privatwirtschaftlich handeln, also gewinnorientiert. "Wir als öffentlich-rechtlicher Träger sind verpflichtet und müssen einspringen, wenn es unrentabel wird. Das ist die Krux", ergänzt Mathilde Hagl.
Paradox: Am Ende könnte alles bleiben, wie es ist
Rolf Fischer weist solche Vorwürfe weit von sich: "Bei solchen Aussagen werde ich böse. Wir haben das Papier immer abgeholt, auch wenn die Preise mal im Keller waren." Zum Sammeln angefangen habe man einst, um der Konkurrenz zuvorzukommen. "Wir sind einigen Mitbewerbern damals nur wenige Tage voraus gewesen." Normalerweise müssen die Bürger alle ihre Abfälle den Kommunen überlassen, mit zwei Ausnahmen: die Papiersammlungen der Vereine und gewerbliche Sammlungen. "Deshalb dürfen wir das noch und wehren uns gegen die Untersagung", argumentiert Rolf Fischer. Im Kern gehe es also darum, ob die Firma Gigler die Abfallentsorgung des Landkreises gefährde, oder ob es nur ums Altpapier gehe. Er setzt darauf, weitermachen zu dürfen, doch am Ende kann auch er nur hoffen. "Mit dem Bundesverwaltungsgericht haben wir überhaupt keine Erfahrung. Ich habe auch kein Bauchgefühl."
Am Donnerstag wird Rolf Fischer in Leipzig sein und dort auf Mathilde Hagl treffen. Unabhängig vom Urteil hat Werkreferent Baur eine Strategie: "Wir werden die Entsorgung des Papiers sicherstellen, wenn wir gewinnen, und es akzeptieren, wenn wir verlieren. Ein Holsystem soll es bleiben." Etwas anderes sei den Bürgern nicht zu vermitteln. "Wir gehen davon aus, dass die Bürger gar nichts merken." Es gebe einen Plan für den Übergang – und falls der Landkreis gewinne, wohl eine öffentliche Ausschreibung, an der sich auch Gigler beteiligen könne. Rolf Fischer möchte das nicht ausschließen. Paradox: Am Ende könnte also sein Arbeitgeber verlieren und doch gewinnen und weiterhin die blauen Tonnen leeren – dann in Kommission für den Landkreis.
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