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Klinikum Ingolstadt: Pflegerin auf der Corona-Station in Ingolstadt: „Unsere Kraft geht zu Ende“

Klinikum Ingolstadt

Pflegerin auf der Corona-Station in Ingolstadt: „Unsere Kraft geht zu Ende“

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    Seit mehr als einem Jahr kämpfen Pfleger und Ärzte an Krankenhäusern um das Leben von Covid-Patienten. Die Kraft gehe langsam zu Ende, berichtet Lisa Brucklacher, Pflegerin auf der Corona-Intensivstation am Klinikum Ingolstadt.
    Seit mehr als einem Jahr kämpfen Pfleger und Ärzte an Krankenhäusern um das Leben von Covid-Patienten. Die Kraft gehe langsam zu Ende, berichtet Lisa Brucklacher, Pflegerin auf der Corona-Intensivstation am Klinikum Ingolstadt. Foto: Klinikum Ingolstadt
    Lisa Brucklacher und ihre Kollegen haben anstrengende Monate hinter sich.
    Lisa Brucklacher und ihre Kollegen haben anstrengende Monate hinter sich.

    Wenn Lisa Brucklacher an die vergangenen Monate denkt, an die drei Corona-Wellen, die über sie hereingebrochen sind, hat sie die Gesichter einzelner Patienten vor Augen, deren Augen angsterfüllt und vom Leid ermüdet waren. „Die meisten dieser Patienten haben gewusst, dass sie es nicht überstehen. Und man selbst kann im äußersten Fall auch nichts machen.“ Die 26-Jährige hat als Pflegerin auf der Corona-Intensivstation am Klinikum Ingolstadt dem Virus an vorderster Front entgegengeblickt – und tut es immer noch. Nach mehr als einem Jahr Pandemie sagt Brucklacher stellvertretend für ihr Kollegium: „Unsere Kraft geht zu Ende.“

    Die Kollegen am Klinikum Ingolstadt reden viel über belastende Situationen

    Alleine das An- und Ausziehen der Covid-Schutzausrüstung braucht Minuten.
    Alleine das An- und Ausziehen der Covid-Schutzausrüstung braucht Minuten. Foto: Klinikum Ingolstadt

    Es sei eine „wahnsinnig anstrengende“ Zeit für sie, körperlich wie seelisch. „Das Schicksal dieser Patientinnen und Patienten geht uns allen sehr, sehr nahe. An einem Tag sprechen Sie noch mit einem Patienten, der große Angst hat. Am nächsten Tag ist er intubiert. Und dann geht es ihm plötzlich so schlecht, dass er es vielleicht nicht überlebt.“ Lässt sie das Corona-Jahr Revue passieren, habe sie Tränen in den Augen, sagt die Ingolstädterin am Telefon. Eine halbe Stunde Zeit hat sie für ein Gespräch, mehr nicht. Ihr Job, ihre Patienten, warten. Wie kann sie all die belastenden Erfahrungen verarbeiten? „Wir haben ein sehr gutes Team, das viel auffängt.“ Im Kollegium könne man reden und sich gegenseitig aufbauen. „Ohne das würde es nicht funktionieren.“ Und natürlich bedrücken die Schicksale auch außerhalb der Klinikmauern. „Das nimmt man mit nach Hause.“ Es brauche private Seelentröster und eine Familie, die einen unterstützt, um mit dem Erlebten fertig zu werden. Und selbst dann ist das Privatleben manchmal nur noch ein Lückenfüller zur nächsten Schicht. „Man hat kaum noch Freizeit, weil man nach der Arbeit so fertig ist, dass man nur noch Ruhe braucht.“ Diese Belastungen müssen Pflegerinnen und Pfleger seit gut einem Jahr wegstecken. Brucklacher hat den Eindruck, dass nicht nur bei ihr selbst die Kraft mittlerweile aufgebraucht ist. Auch bei Kollegen spüre man, dass „die Luft raus ist“.

    Mit einigen Genesenen hat die Pflegerin aus dem Klinikum Ingolstadt auch jetzt noch Kontakt

    Was gibt ihr in diesen schwierigen Zeiten Zuversicht? „Wenn es Patienten, die man lange behandelt hat, wieder besser geht.“ Dann sehe man, dass das eigene Wirken etwas bringt. Dies seien „Glücksmomente“ und „großer Ansporn“ für sie und ihr Team. Mit einigen Genesenen habe Brucklacher auch über den Klinikaufenthalt hinaus Kontakt gepflegt.

    Nicht nur die Schicksale der Patienten belasten in Corona-Zeiten, sondern auch alltägliche Abläufe. Die Versorgung der Covid-19-Patienten ist wegen der persönlichen Schutzausrüstung deutlich aufwendiger als bei anderen Patienten. „Ich kann nicht einfach mal schnell aus dem Patientenzimmer gehen, um für den Patienten Wasser zu holen. Ich bin vermummt und darf mit meiner Kleidung nichts außerhalb des Isolationszimmers anfassen“, berichtet Brucklacher – schließlich will man die Infektionsgefahr minimieren. Haube, Maske, Schutzbrille, eine Plastikschürze, und darüber noch eine Schürze für jeden einzelnen Patienten: Bis Brucklacher ihre Schutzmontur an- oder ausgezogen hat, vergehen Minuten. Trotzdem muss sie das Prozedere immer wieder durchmachen, auch dann, wenn sie nur etwas im Zimmer vergessen hat.

    In regelmäßigen Intervallen muss die Position der Corona-Patienten verändert werden

    In regelmäßigen Zeitintervallen muss außerdem die Position der Patienten verändert werden. Ein aufwendiger Schritt, für den es mindestens zwei Pflegekräfte braucht und der schon mal eine halbe Stunde dauern kann. Angesichts dieses schwierigen Arbeitsalltags: Wie sehr ärgern sie die ständigen Rufe von „Querdenkern“ und Co., dass Covid-19 gar nicht so schlimm sei? „Wir würden gerne jeden davon einladen, einen Tag bei uns zu hospitieren.“ Man müsse nur den Patienten in die Augen schauen, die seit Wochen um ihr Leben kämpfen. „Da steckt so viel Angst und Leid drin. Das, und die Vorstellung, selbst einmal so dazuliegen, müsste aussagekräftig genug sein.“

    In Corona-Zeiten bekommt die Arbeit in den Krankenhäusern besondere Aufmerksamkeit. Im vergangenen Jahr stellten sich Menschen auf ihre Balkone, um die Leistungen mit Klatschen zu honorieren. Auch Corona-Boni wurden ausgezahlt. An diesem Mittwoch war die Berufsgruppe zum „Tag der Pflege“ zusätzlich im Fokus. Doch fühlt sich Brucklacher für ihre Arbeit genügend wertgeschätzt? Sie überlegt kurz, dann sagt sie: „Nein.“ Natürlich seien das Klatschen und persönliche Rückmeldungen sehr schön gewesen, und auch Prämien seien toll. „Aber von dieser Wertschätzung kommt nicht wirklich etwas bei uns an“, betont Brucklacher. Sie wünsche sich Entlastung durch mehr Fachpersonal. „Das würde uns deutlich mehr helfen“, sagt sie. „Und man könnte auch wieder ein Leben außerhalb der Arbeit führen.“

    Lisa Brucklacker hofft, dass sich die Corona-Lage bald wieder entspannt

    Nach einem Auf und Ab in den vergangenen Monaten hofft die 26-Jährige nun, dass sich die Corona-Lage wieder entspannt. Es gibt Anlass zur Hoffnung. Die Zahl der Neuinfektionen entwickelte sich zuletzt positiv. „Wir warten täglich, dass das auch bei uns ankommt.“

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