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Kipfenberg: Spaziergänger findet Überreste eines seit 18 Jahren vermissten Paares

Kipfenberg

Spaziergänger findet Überreste eines seit 18 Jahren vermissten Paares

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    Die abgesicherte Fundstelle im Wald bei Kipfenberg.
    Die abgesicherte Fundstelle im Wald bei Kipfenberg. Foto: Polizeipräsidium Oberbayern

    Amtlich bestätigen kann Hans-Peter Kammerer (noch) nichts. Aber der Leiter des Präsidialbüros des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord antwortet auf die Frage, ob es sich bei den vergangene Woche in einem Wald bei Kipfenberg gefundenen Leichenteilen um das seit 18 Jahren vermisste Pärchen Sabine Pfaller und Eugen Sambrschizki aus Ingolstadt handelt, auch nicht mit einem klaren „Nein“. Es liegt nahe, dass ein schon als hoffnungslos eingestufter Vermisstenfall aufgeklärt ist.

    Wie die Kripo Ingolstadt am Montag meldete, hat ein Fußgänger in einem Waldstück im Birktal im Gemeindebereich Kipfenberg (Landkreis Eichstätt) am Dienstag vergangener Woche einen skelettierten menschlichen Schädel und weitere Knochen entdeckt. Nachdem im Laufe der Bergung ein zweiter Schädel gefunden wurde, kam bei den Untersuchungen schließlich heraus, dass es sich um die Überreste eines seit 2002 vermissten Paares aus Ingolstadt handelt. „Es ist schon ungewöhnlich, dass der Fund der Leichen nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist“, sagt Polizeioberrat Kammerer. Andererseits sei dies von Vorteil gewesen, weil der Prozess der Identifizierung einfach seine Zeit gebraucht habe und ohne Druck von außen in Ruhe durchgeführt werden konnte.

    Bei den Grabungen fand die Polizei zweiten Schädel

    Denn nach dem Fund am 2. Mai und nach ersten polizeilichen Sicherungsmaßnahmen war ein mehrere Wochen andauernder Prozess zur Ausgrabung, Bergung und rechtsmedizinischen Untersuchung der menschlichen Überreste gefolgt. Im Rahmen der durch Beamte der Kriminalpolizeiinspektion Ingolstadt in Handarbeit durchgeführten Grabungen waren ein zweiter Schädel und weitere Knochen gesichert worden. Das Erdreich wurde in einer Halle zerkleinert und gesiebt. Hierbei konnten Zähne und weitere Knochenteile gesichert werden. Dem Institut für Rechtsmedizin gelang es im Anschluss, zunächst festzustellen, dass es sich um ein weibliches und ein männliches Skelett handelt.

    Im Rahmen weiterer aufwendiger Untersuchungen konnte DNA-Material aus den Knochen gesichert werden. Das Ergebnis der Untersuchungen der Rechtsmedizin war, dass es sich bei den aufgefundenen Leichen tatsächlich um ein seit 18 Jahren vermisstes Pärchen handelt. Damals hatte ein Verwandter Vermisstenanzeige bei der Polizei in Ingolstadt erstattet, da das Pärchen nicht erreichbar war.

    Gibt es für die Mutter von Sabine Pfaller endlich Gewissheit?

    In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Ingolstadt richtete die Kripo eine Ermittlungsgruppe (EG Birktal) ein. Ziel der nun erneut angelaufenen Ermittlungen ist es, in enger Kooperation mit der Rechtsmedizin und aufbauend auf damaligen Erkenntnissen, die tatsächlichen Umstände des Todes der nun aufgefundenen Vermissten aufzudecken.

    Sabine Pfaller wurde zuletzt am 21. September 2002 gesehen.
    Sabine Pfaller wurde zuletzt am 21. September 2002 gesehen. Foto: Polizei

    Dann wird vielleicht auch Sabine Pfallers Mutter Johanna Z. endgültige Gewissheit haben. Sie hat die Hoffnung nie aufgegeben, dass ihre Tochter noch am Leben ist. In einem Beitrag in der Neuburger Rundschau erzählte sie einmal von einem Traum. In dem Traum wird ihre Tochter Sabine festgehalten und ausgebeutet – in einem schmierigen Rotlichtviertel irgendwo in Russland. Dort wird sie gezwungen, auf den Strich zu gehen. Ein Freier setzt sie unter Drogen, damit sie ihm hörig ist. Vielleicht schlägt er sie auch, wenn sie das Bisschen an Widerstand, das sie noch in sich hat, gegen ihn aufbringen kann. Doch das passiert nur selten.

    Ihr Freund Eugen Sambrschizki gilt ebenfalls seit diesem Tag als vermisst.
    Ihr Freund Eugen Sambrschizki gilt ebenfalls seit diesem Tag als vermisst. Foto: Polizei

    Sabine ist gefangen – von den Rauschmitteln, von ihrem Freier, von den Drohungen, die man gegen sie ausspricht. Deshalb kann sie sich auch nicht wehren, kann nicht weglaufen oder die Polizei um Hilfe rufen. Und vor allem kann sie nicht zu Hause anrufen, um ihrer Mutter zu sagen: Mama, mach dir keine Sorgen. Ich lebe noch. Die Vorstellung, dass ihre Tochter irgendwo auf dieser Welt zur Prostitution gezwungen wird, war für Johanna Z. so viel einfacher zu ertragen als der Gedanke, dass sie tot sein könnte.

    Paar wurde damals in Ingolstadt zuletzt gesehen

    Mutter Johanna hatte noch am 23. Geburtstag von Sabine mit ihrer Tochter telefoniert. In der folgenden Nacht war Sabine zuletzt gesehen worden. Seitdem war sie wie vom Erdboden verschluckt. Es war der 20. September 2002, als Johanna Z. das letzte Mal mit ihrer Tochter gesprochen hat. Ein Donnerstag. Sabine war gerade erst ausgezogen und wollte am Abend mit ihrem neuen Freund, dem 21-jährigen Eugen Sambrschizki, ihren Geburtstag feiern. Den jungen Mann kannte Johanna Z. nicht. Zwei Tage später wollte Sabine mit ihrem Bruder ihren Geburtstag nachfeiern. Doch sie kam nicht. Einige Tage später, als Sabine immer noch nicht erreichbar war, meldet ihr Bruder sie bei der Polizei als vermisst.

    Die Nachforschungen der Polizei ergaben, dass das Paar am 20. September 2002 zwischen 22 und 24 Uhr in einem Café an der Nürnberger Straße in Ingolstadt war. Die letzten Zeugen sahen sie gegen zwei Uhr früh, als sie im Nordostviertel in Ingolstadt die Wohnung von Eugen Sambrschizki mit einem Rucksack verließen. Danach verliert sich die Spur. Es gibt keine Telefonverbindungen mit den Handys der beiden und keine Kontobewegungen, aber auch keine Leichen.

    Die Kripo war schon damals davon ausgegangen, dass beide tot sind. Ermittelt wurde wegen Mordes. Irgendwann gab es aber für die Polizei keinen Ansatz mehr. Die Beamten waren allen Hinweisen nachgegangen. Zum Beispiel denen, wonach der Russlanddeutsche und die Ingolstädterin an der holländischen Grenze ermordet worden seien. Sabine Pfaller und ihr Freund waren in der Drogenszene unterwegs und polizeilich bekannt. Mehrere Beschuldigte, die wegen Drogenkonsums vernommen worden waren, hatten einige Jahre nach deren Verschwinden unabhängig voneinander behauptet, dass das Paar in der Nähe von Aachen umgebracht worden sei, weil Eugen bei seinem Dealer Schulden gehabt hätte. Zumindest würde das in der einschlägigen Drogenszene erzählt werden, ließen die Vernommenen die Beamten wissen.

    Noch ist die Identität nicht offiziell bestätigt

    Doch wie viele vorangegangenen Spuren, verliefen auch diese im Sande. Weil die Kripo keine näheren Ortsangaben hatte, konnten sie nicht gezielt nach Leichen suchen. So blieb nichts anderes übrig, als die Kollegen vor Ort zu verständigen.

    Berechtigte Hoffnungen, die beiden noch lebend zu finden, hatte dagegen die Polizei schon längst nicht mehr. Doch wo sind ihre Leichen? Wer hat sie umgebracht? Antworten auf diese Fragen erhoffte sich die Kripo 2008. Drogendealer aus Ingolstadt, die die Polizei dingfest machen konnte, behaupteten, dass Sabine und Eugen auf dem Ingolstädter Westfriedhof „entsorgt“ worden waren. Nachdem die Polizei herausgefunden hatte, welche Gräber zur Zeit des Verschwindens der beiden für eine Beerdigung ausgehoben worden waren, wurden diese mithilfe eines Sonargeräts untersucht. An einem Grab schlug das Gerät an: Ein undefinierbarer Fremdkörper wurde entdeckt. In den frühen Morgenstunden des 1. April 2009 wurde das Grab schließlich ausgehoben. Doch der Fremdkörper entpuppte sich als Wurzel. Von Sabine und Eugen keine Spur.

    Bis vielleicht zum 2. Mai 2020. Noch verhindern datenschutzrechtliche Gründe die offizielle Bestätigung. Doch es spricht vieles dafür, auch das fehlende klare „Nein“ von Kriminaloberrat Hans-Peter Kammerer, dass Sabine Pfaller und Eugen Sambrschizki nun gefunden sind. Wie sie zu Tode kamen, wird nun noch geklärt. Ob ihr(e) Mörder wohl je gefasst wird/werden?

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