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Ingolstadt: Zweifel am Gutachten im Missbrauchsprozess: Expertin nimmt Stellung

Ingolstadt

Zweifel am Gutachten im Missbrauchsprozess: Expertin nimmt Stellung

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    Prozess am Landgericht: Ein Mann soll seine im Tatzeitraum zehn- bis zwölfjährige Stieftochter missbraucht haben.
    Prozess am Landgericht: Ein Mann soll seine im Tatzeitraum zehn- bis zwölfjährige Stieftochter missbraucht haben. Foto: Lino Mirgeler/dpa

    In einem Missbrauchsprozess gibt es meist keine Zeugen, die das, was vorgefallen sein soll, beobachtet haben. Die Taten geschehen fast immer im Verborgenen. Umso mehr Bedeutung kommt bei der Urteilsfindung den Sachverständigen zu, die das Verhalten und die Aussagen von Täter und Opfer einschätzen sollen. So auch in dem Missbrauchsprozess, der derzeit vor der Jugendkammer des Ingolstädter Landgerichts verhandelt wird. Dort muss sich seit Mitte Januar ein 46-jähriger Mann verantworten, weil er ein Mädchen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen – seine damalige Stieftochter – 2016/2017 mehrmals schwer sexuell missbraucht haben soll. Verteidigerin Marion Reisenhofer hatte beim vorherigen Verhandlungstag das Gutachten der psychologischen Sachverständigen Silvia Arnold, die die Glaubwürdigkeit des Mädchens bestätigt hatte, stark kritisiert und ein weiteres Gutachten mit Hinzuziehung eines Psychiaters gefordert. Am Montag hat nun die Psychologin zur Kritik Stellung genommen und auch Nebenklagevertreter Klaus Wittmann schoss scharf gegen seine Anwaltskollegin.

    Die Sachverständige legte noch einmal dar, wie sie zu ihrer Einschätzung, die Schilderungen des Mädchens basierten auf wahren Erlebnissen, gekommen sei. Arnold erklärte zum Beispiel: Sie habe die frühere Diagnose eines Psychiaters, das Mädchen habe eine emotionale Störung mit Geschwisterrivalität sowie eine mittelschwere Depression, durchaus in ihre Prüfung mit einbezogen, doch diese änderten an der Aussagetüchtigkeit, also der Qualität der Aussagen, des Mädchens nichts. Dass das Mädchen den sexuellen Missbrauch anhand der Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ konstruiert haben soll, wies die Sachverständige zurück, indem sie mehrere Handlungsunterschiede aufzeigte. Die Schilderungen des Mädchens seien logisch konsistent und wiesen einen passenden Detaillierungsgrad auf, wiederholte die Expertin.

    Missbrauchsprozess in Ingolstadt: Urteil soll am Mittwoch fallen

    Rechtsanwältin Reisenhofer hatte zuletzt aber nicht nur das Gutachten, sondern auch das Verhalten des inzwischen 15-jährigen mutmaßlichen Opfers in Frage gestellt. Wie sei es mit einem so traumatisiernden Vorfall vereinbar, dass die Öffentlichkeit zum Schutz des Mädchens nicht von der Verhandlung ausgeschlossen wurde? Und wie könne es sein, dass das Mädchen jeder Sitzung beiwohne und in den Verhandlungspausen scheinbar unbekümmert mit ihrer Freundin scherze oder mit dem Handy spiele? Dieser Vorwurf seitens der Verteidigung gegenüber der 15-Jährigen sei geradezu „zynisch“, sagte Nebenklagevertreter Wittmann. Mit der Glaubwürdigkeit des Mädchens habe ihr Verhalten – das ihrem Alter entspreche – nichts zu tun. Ob die Öffentlichkeit zugelassen sei oder nicht, spiele für die Festellung der Schuld des Angeklagten keine Rolle, führte Wittmann weiter aus. Dass sich seine Mandantin nicht „schambehaftet“ zurückziehe, sondern sich freiwillig im Gerichtssaal immer wieder mit ihrem Ex-Stiefvater konfrontiere, könne auch eine Methode sein, sich selbst zu stärken und das Erlebte zu verarbeiten.

    Die Jugendkammer lehnte die Anträge der Verteidigung ab, weitere Gutachten erstellen zu lassen. Die Sachverständige habe ausreichend Fachkenntnis und Vorerfahrung und habe sich eingehend mit den Störungsbildern des Mädchens auseinandergesetzt, sagte Vorsitzender Richter Gerhard Reicherl. Es seien keine groben Fehler erkennbar.

    Ein Urteil soll am Mittwoch fallen. Dann wird das Gericht auch über einen Adhäsionsantrag der Nebenklägerin entscheiden. Dabei geht es um Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von rund 26.000 Euro.

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