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Ingolstadt: Prozess um Bluttat in Bittenbrunn: War es Notwehr?

Ingolstadt

Prozess um Bluttat in Bittenbrunn: War es Notwehr?

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    In der Neuburger Eulatalstraße im Stadtteil Bittenbrunn  kam es Heiligabend 2019 zu einer folgenschweren Tat.
    In der Neuburger Eulatalstraße im Stadtteil Bittenbrunn kam es Heiligabend 2019 zu einer folgenschweren Tat. Foto: Marcel Rother (Archiv)

    Wer das Leben und die Menschen gerne in klare Kategorien einteilt, der tat sich am Dienstag schwer am Ingolstädter Landgericht. Dort muss sich seit Montag eine 30-Jährige aus Sachsen-Anhalt wegen Totschlags verantworten. Wie berichtet, soll sie in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember 2019 in einer Wohnung in Bittenbrunn ihren Ex-Freund mit einem Messer erstochen haben. Aber: War der Mann zu diesem Zeitpunkt noch ihr Freund oder schon ihr Ex-Freund? Haben sie überhaupt je eine richtige Beziehung geführt? Und hat die damals 29-Jährige tatsächlich bei dem 41-jährigen Jens G.* in Neuburg gewohnt oder doch ganz woanders? Obwohl die Angeklagte am Dienstag eine Erklärung durch ihre Verteidigerin abgeben ließ, blieb Vieles im Unklaren – vor allem, weil nach ihr weitere Zeugen gehört wurden, deren Aussagen nicht ganz mit der Einlassung der Angeklagten zusammenpassen.

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    Sie habe Jens G. schon ewig gekannt, las Anwältin Christina Keil im Namen ihrer Mandantin vor. Er sei ein Freund ihres Onkels gewesen. Mit Drogen sei sie zum ersten Mal während ihrer Lehre zur Maschinen- und Anlagenführerin in Kontakt gekommen. Es begann mit Ecstasy, Speed und Kokain, später kam durch einen Freund Heroin dazu. Jens G. sei ihr immer ein verständnisvoller Ansprechpartner gewesen. Erst vor vier Jahren sei zum ersten Mal „sexuell etwas gelaufen“. „Ich fand es toll, wie bemüht er um mich war.“ Trotzdem blieb sie erst einmal mit ihrem damaligen Freund zusammen. Irgendwann trennte sie sich doch und zog bei Jens G. ein – ohne aber dort offiziell gemeldet zu sein. „Ich fand es toll, dass er mir meinen Drogenkonsum finanziert hat.“ Die Beziehung sei schön gewesen, aber sie hätten sich viel gestritten und seien sexuell nicht auf einer Linie gewesen. Er habe auf Erniedrigungen gestanden und so habe sie mit ihm öfter „Sklave und Königin“ gespielt. Sie habe Jens G. auch sonst schlecht behandelt, gab die 30-Jährige zu, doch er sei ihr trotzdem „sexuell hörig“ geblieben. Sie habe Drogen genommen, er viel Alkohol getrunken und sei dann durchaus auch aggressiv geworden. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass unser Verhältnis von finanzieller Abhängigkeit geprägt war. Er hat meine Sucht ausgenutzt, damit ich bei ihm bleibe.“

    In einem der neuen Wohnhäuser in der Eulatalstraße in Bittenbrunn ereignete sich die Tat.
    In einem der neuen Wohnhäuser in der Eulatalstraße in Bittenbrunn ereignete sich die Tat. Foto: Winfried Rein (Archiv)

    Dann ging es um eine Nacht Mitte August 2019: Die Angeklagte habe mit einem fremden Typen in ihrem Schlafzimmer in der Wohnung von Jens G. gekuschelt, da sei G. eifersüchtig geworden und der andere habe ihn verprügelt, so die Angeklagte. Danach fuhr die damals 29-Jährige zurück nach Sachsen-Anhalt und verbrachte einige Zeit in einer Obdachlosenunterkunft. Im Dezember kam sie wieder nach Neuburg. In der Tatnacht sei sie „total alkoholisiert und zugedröhnt gewesen“. Ein Sachverständiger wird später aussagen, dass sie am Morgen gegen 5 Uhr noch 1,4 Promille im Blut hatte, außerdem Reste von Heroin und Amphetaminen. Jens G. habe in jener Nacht über eine gemeinsame Zukunft reden wollen, die es für sie nicht gab, so die Angeklagte in der Einlassung. Daraufhin sei es zum Streit gekommen. Irgendwann sei sie ins Bett gegangen, dann aber wieder aufgewacht. In der Küche sei sie auf den alkoholisierten Jens G. getroffen. Er habe ein Messer in der Hand gehabt und „Ich mach’ dich jetzt weg!“ gesagt. Da sei sie in Panik geraten und habe Geschirr nach ihm geschmissen. Sie griff sich ebenfalls ein Messer, flüchtete ins Schlafzimmer, kam zurück – und als er mit dem Messer weiter auf sie zuging, habe sie aus Angst zugestochen. Als Jens G. reglos am Boden lag, habe sie zuerst gedacht, das sei nur vorgetäuscht. Doch dann spülte sie das Messer ab, warf das restliche Heroin ins Klo und setzte den Notruf ab. „Ich habe das nicht mit Absicht gemacht. Es tut mir alles sehr leid“, endete die vorgelesene Erklärung der Angeklagten.

    Ein Freund des Opfers, der auch die Angeklagte schon viele Jahre kennt, ließ die 30-Jährige mit seiner Aussage aber weniger unschuldig erscheinen. Jens G. sei ein sehr ruhiger und friedfertiger Mensch gewesen, geradezu „devot“ – auch dann, wenn er Alkohol getrunken hatte. Er habe alles für die Beschuldigte getan, habe sogar einen Kredit für sie aufgenommen. Die Angeklagte hingegen, habe sich – seit sie angefangen hatte, Drogen zu konsumieren – sehr zum Negativen verändert, berichtete der Zeuge. Sie sei sehr launisch geworden, schnell aufbrausend, aggressiv, habe Jens G. nur ausgenutzt. In der Nacht Mitte August, die auch die Angeklagte erwähnt hatte, sei G. zu ihm gekommen, um bei ihm unterzuschlüpfen, weil er sich nicht mehr nach Hause traute – ganze drei Monate lang. Jens G. hatte Würgemale, Kratzer und Blutergüsse am Hals und im Gesicht. Dazu wurden auch Fotos vor Gericht gezeigt, die dies bestätigten. G. habe damals erzählt, die Angeklagte sei mit einem Kerzenständer auf ihn losgegangen und ihr Besucher habe ihn verprügelt.

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    Eben dieser Besucher sagte dann aber auch noch aus und widersprach dem vehement. Er habe Jens G. nie geschlagen, habe sogar mal ein Bier mit ihm getrunken. Auch er habe G. als „schüchternen Typ“ erlebt. Die Angeklagte dagegen sei durchaus laut gegenüber G. geworden, er musste tun, was sie wollte. Interessant: Dieser Zeuge glaubte, dass die Angeklagte und Jens G. gar kein Paar gewesen seien. Er dachte, sie wohne nur bei ihm. „Es ist alles ein wenig krank gewesen dort“, fasste er das Verhältnis der beiden zusammen. Er selbst habe ebenso wenig eine Beziehung mit der Angeklagten gehabt, sie hätten nur gekuschelt und zusammen „Party gemacht“, also Amphetamine genommen. Wie lange er bei der Angeklagten vor der Tatnacht war, daran konnte sich der Zeuge nicht mehr genau erinnern. Vermutlich sei er schon am 21. Dezember dort gewesen bis zur Dämmerung am 22., schätzte er vor Gericht. So lange, bis die Angeklagte mit Jens G. zu streiten angefangen habe wegen einer Fahrt in ihre Heimat. Vermutlich, um sich Heroin zu beschaffen, spekulierte der Zeuge. Die Angeklagte sei an diesem Tag nämlich immer aggressiver geworden. Sie habe einen „Affen geschoben“, wiederholte er mehrmals, habe also Entzugserscheinungen gezeigt.

    Ob nun der „Affe“ die Angeklagte zur Täterin hat werden lassen oder ob sie aus Notwehr gehandelt hat, blieb unklar. Am Donnerstag wird die Verhandlung fortgesetzt.  

    * Name von der Redaktion geändert  

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