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Ingolstadt: Premierenkritik: Stadttheater Ingolstadt zeigt "Der Schneesturm"

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Premierenkritik: Stadttheater Ingolstadt zeigt "Der Schneesturm"

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    Die Aufführung des russischen Romans „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin auf der Bühne in Ingolstadt.
    Die Aufführung des russischen Romans „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin auf der Bühne in Ingolstadt. Foto: Jochen Klenk, Stadttheater

    Dieser Abend ist eine Kraftanstrengung, für das Ensemble wie für das Publikum – und das zum wenigsten wegen der Sicherheitsvorkehrungen, unter denen Theateraufführungen in Ingolstadt dieser Tage notgedrungen stattfinden. Die coronabedingt schutzmaskierten Zuschauer erleben die rund zweistündige Uraufführung eines Stoffes, der das ganze diffuse und zugleich sehr konkrete Grauen einer um sich greifenden Epidemie verhandelt. Eine Kritik.

    Mit einem hochkreativen Team hat die Oberspielleiterin des Stadttheaters Ingolstadt, Mareike Mikat, die deutsche Übersetzung des russischen Romans „Der Schneesturm“ von Vladimir Sorokin auf die Bühne des Großen Hauses gebracht.

    Theater Ingolstadt: Dauerpräsenz und beachtlicher Körpereinsatz

    Der Landarzt Platon Iljitsch Garin (grandios: Martin Valdeig) ist mit dem dringend benötigten Impfstoff in das betroffene Gebiet unterwegs. Der Kutscher Kosma (kongenial: Péter Polgár), genannt Krächz, soll ihn mit seinen Minipferden das letzte Stück des Weges an sein Ziel bringen. Beide kämpfen gegen einen Schneesturm und jede Menge unwirklicher Zwischenfälle.

    Nicht weniger als 24 weitere Rollen übernehmen Jan Beller, Manuela Brugger, Olaf Danner, Linda Ghandour und Richard Putzinger. Es ist nicht nur ihre Dauerpräsenz auf der Bühne und ihr beachtlicher Körpereinsatz, sondern vor allem die Textbearbeitung, die den Eindruck hinterlassen, hier macht jeder alles. Jeder fungiert in Ermangelung einer im klassischen Sinn vorantreibenden dramatischen Entwicklung auch als Erzähler.

    "Der Schneesturm": Wilder Motiv-Mix aus Mythen und Märchen

    Wirken die Bühne (Simone Manthey) mit der zentral positionierten Kutsche – mehr Gebirge als Gerät – und besonders die originellen Kostüme (Anna Sörensen), die alle folkloristischen Russlandklischees aufs schönste evozieren, noch durchdacht, so zeugen die inszenatorischen Ideen von einer gewissen Unordnung. Man mag sie der literarischen Vorlage zur Last legen. Das Stück lässt sich anfangs viel Zeit mit kleinteiligen, durchaus witzigen szenischen Lösungen, um dann ab der Mitte mit gedrängter Szenenfolge und bühnentechnischer Effekthascherei aus dem Ruder zu laufen.

    Es ist ein wilder Motiv-Mix aus Mythen und Märchen, russischen Romanen des 19. Jahrhunderts, über ironisch gebrochene Gegenwartsphänomene bis hin zu dystopischer Science-Fiction der dunkelsten Sorte, der den Zuschauern die wenig originelle Erkenntnis einimpfen will, das der Globus in Schieflage und die Menschheit am Ende ist. Doch für eine Parabel ist dieser Schneesturm zu aufgeblasen, für ein Lehrstück zu laut und zu lang.

    Freie Spiellust im Kleinen Haus in Ingolstadt

    Von Endzeitstimmung völlig freie Spiellust konnte erleben, wer am selben Tag die Bühnenbearbeitung des Kinderbuchs „Der schaurige Schusch“ im Kleinen Haus sah. Michael Amelung zaubert aus einem Koffer die ganze Welt eines kleinen, sehr eigenwilligen, aufeinander eingeschworenen Bergvölkchens. Im höchst harmonischen Leben von Huhn, Hirsch, Hase, Gams und Murmeltier (Figurenbau: Nele Matthies), sorgt ein neuer Nachbar für Aufregung. Ein Tag, zwei Premieren – und die Welt ist alles, was der Fall ist.

    Weitere Informationen gibt es hier.

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