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Ingolstadt: Nach über 60 Operationen kann Amina wieder lachen

Ingolstadt

Nach über 60 Operationen kann Amina wieder lachen

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    Amina geht es heute sehr viel besser. Das afghanische Mädchen hat einen schweren Verkehrsunfall überlebt.
    Amina geht es heute sehr viel besser. Das afghanische Mädchen hat einen schweren Verkehrsunfall überlebt. Foto: Klinikum

    Auf den ersten Blick ist sie ein ganz normales, hübsches Mädchen mit einem ansteckenden Lächeln, das wie manche auf der Kinderstation im Klinikum im Rollstuhl sitzt. Bis sie die Decke auf ihrem Schoß hochhebt und die Narben zum Vorschein kommen. Ein Verkehrsunfall in Afghanistan hat dem Mädchen nicht nur die Unterschenkel, sondern auch ihre Eltern geraubt. Und er hätte Amina beinahe selbst ihr Leben gekostet.

    Denn dazu seien die Infektionen gekommen, wie es in der Pressemitteilung des Klinikums weiter heißt. Nur die Ärzte im Klinikum Ingolstadt hätten sie vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt. Hinter dem hübschen jungen Mädchen liegen ein Jahr und über 60 Operationen und Spezialbehandlungen. Nun kann Amina wieder lachen.

    Fataler Verkehrsunfall

    Matthias Bühler habe in seinem Leben schon viele komplizierte Fälle gesehen, wie es in der Mitteilung des Klinikums weiter heißt. Der Oberarzt an der Chirurgischen Klinik II im Klinikum Ingolstadt ist Spezialist für septische Chirurgie. Aber so etwas habe er in dieser Form noch nicht erlebt. Die Beine mehrfach gebrochen, zahlreiche Verletzungen am Kopf und Rücken und am ganzen Körper, vor allem aber schwerste Infektionen, gegen die man gar keine Antibiotika gehabt habe.

    Am Anfang habe jener fatale Verkehrsunfall gestanden, von dem auch Amina nichts mehr wisse und auch gar nichts mehr wissen wolle. Er habe das Leben des kleinen Mädchens, das aus einem Dorf in der afghanischen Provinz stammt, von Grund auf verändert. Sie überlebte als einzige Insassin. Man habe sie nach Kabul gebracht und in einem Krankenhaus drei Monate lang rudimentär versorgt. Dann habe man sie dort irgendwann einfach liegenlassen. Zu essen und trinken habe sie kaum mehr bekommen, habe das junge Mädchen den Ärzten im Klinikum erzählt.

    Inzwischen spricht sie fast akzentfrei deutsch

    Amina will daran kaum mehr denken. Inzwischen sei Agnes Steinweg, Stationsleiterin im Kinder-Zentrum des Klinikums, längst so etwas wie eine zweite Mutter für sie geworden. Als das junge Mädchen im Klinikum ankam, habe sie kein Wort Deutsch gesprochen. Zuvor habe sie noch nie von Deutschland gehört, sagt sie. Inzwischen habe sie gut Deutsch gelernt und spreche fast akzentfrei. Über ein Jahr wird die Zehnjährige schon behandelt.

    Die Hilfsorganisation „Friedensdorf international“ hatte sie in ihrem elenden Zustand aufgefunden, sich ihrer angenommen und ihr dadurch wohl das Leben gerettet – gemeinsam mit Matthias Bühler und seinem Team. „Wir wussten vorher gar nicht, was uns erwartet, sondern nur, dass ein Mädchen mit Verletzungen am Bein und Entzündungen kommen würde, wie uns die Hilfsorganisation mitgeteilt hatte“, erzählt Bühler. Die Überraschung sei dann groß gewesen. „Die Situation war sehr, sehr schwierig“, erinnert sich Bühler: „Da kann man nicht sagen: ‚Das habe ich schon 100 Mal gemacht‘. Da ist jede Operation eine neue Herausforderung“, sagt Bühler. Amina sei Woche für Woche ein- bis zweimal operiert worden, um die Knochen zu stabilisieren und die Infektionen zu beseitigen.

    Anfangs habe man lange Zeit als Arzt kaum Aminas Krankenzimmer betreten können, erzählt Bühler. Sie habe so starke Schmerzen gehabt und beim Eintreten eines Arztes gleich an die nächste Operation gedacht und vor Furcht geschrien. Über 20 Operationen und insgesamt rund 60 Narkosen habe man dem kleinen Mädchen während der Eingriffe verabreichen müssen.

    Beine konnten nicht gerettet werden

    Die Ärzte hätten alles versucht, um Aminas Beine zu erhalten. Doch die spezialisierte Hilfe sei zu spät gekommen. Mit operativen Eingriffen allein seien die Schäden nicht mehr zu beheben gewesen. Den Infektionen, die sich längst in den Knochen festgesetzt hätten, sei nicht mehr beizukommen gewesen. Man habe dann eine neue Therapieform probiert: Die Ärzte badeten Amina in einer antibakteriellen Flüssigkeit, reinigten mit mehreren Personen immer wieder ihre Wunden, wechselten die Verbände. Am Ende aber hätten sie einsehen müssen, heißt es in der Mitteilung des Klinikums weiter, dass Aminas Beine nicht mehr zu retten seien. So habe man sich im Juni entschieden, sie an den zerstörten Kniegelenken zu amputieren. So schwer die Entscheidung den Ärzten gefallen sei – sie sei der Wendepunkt zurück in ein halbwegs normales Leben gewesen. Von da an sei es Amina endlich besser gegangen.

    Heute könne sie nach einer langen Leidensgeschichte von weit über einem Jahr endlich wieder fröhlich sein und lachen. Auch wenn das Schicksal sie hart getroffen hat – das Mädchen hat neuen Lebensmut gefasst und bekommt nun nicht nur einen neuen Rollstuhl, sondern auch neue Beine. Ein Sanitätshaus hilft. Amina bekommt nicht nur einen Kinderrollstuhl in ihrer Lieblingsfarbe, sondern auch speziell angefertigte Prothesen.

    Wenn man in Aminas strahlende Augen sieht und sie erzählen hört, wie sehr sie sich darauf freut, ihre beiden Geschwister und deren Töchter endlich zu sehen, dann haben sich all die Mühen gelohnt, ist man sich im Klinikum sicher. In den letzten Wochen hat sie bereits fleißig mit Physiotherapeutin Eva-Maria Lukas das Aufstehen und Gehen geübt und freut sich schon riesig auf ihre neuen Beine. Bald geht es für das fröhliche junge Mädchen zur Reha, wo sie wieder laufen lernen wird, ehe sie nächstes Jahr in ihr Heimatland zurückkehrt. Dort kann sie dann von dem fernen Land erzählen, in dem sie in gut einem Jahr viele Menschen sehr lieb gewonnen haben. (pm)

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