Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf erinnert sich noch daran, dass es, als er ein Kind war, hinten im Erdgeschoß des Kaufhauses immer nach gebrannten Mandeln geduftet hat. Und die Linken-Stadträtin Eva Bulling-Schröter erzählt davon, wie sie von ihrem Opa einst mit zum Merkur genommen worden ist, denn dort gab’s eine der ersten Rolltreppen in Ingolstadt. Die Zeiten sind lange her. Den Mandelduft gibt es nicht mehr, die Rolltreppe wahrscheinlich nicht mehr lange. Die Zeiten von Horten und Merkur sind vorbei, und sehr wahrscheinlich auch die von Galeria.
Nach 68 Jahren könnte das letzte große Kaufhaus in der Ingolstädter Innenstadt schließen
Heute kämpfen die beiden Politiker zusammen mit den Mitarbeitern von Galeria um den Erhalt des Standorts in der Ingolstädter Ludwigstraße. Doch die Aussichten sind trübe. Der Konzern will die Kaufhof-Filiale – sollte sich nicht noch Entscheidendes ändern – Ende Oktober schließen. Dann wird es nach 68 Jahren kein großes Kaufhaus mehr in der Innenstadt geben. Am Dienstagvormittag haben zahlreiche Mitarbeiter zusammen mit der Gewerkschaft Verdi gegen diese Entscheidung protestiert.
Sie haben ein Skelett vor den Eingang postiert, einen Sarg daneben und Grablichter, oben drüber ein Plakat mit all jenen Mitarbeitern, die mit der Schließung ihren Arbeitsplatz verlieren. An die 70 sind es, davon rund zehn Prozent aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Sie begraben den Kaufhof nicht still und leise, sondern mit viel Lärm. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Arbeit klaut“, schallt es durch die Fußgängerzone. Passanten bleiben stehen, so mancher murmelt „traurig, traurig“, vor sich hin. Zum Zeichen des Protests lassen die Mitarbeiter schwarze Luftballons in den blauen Himmel steigen, vorbei an der Fassade des Kaufhofs, wo mit roten „Sale“-Schildern um Kunden geworben wird.
Die Kaufhof-Immobilien seien nur Spekulationsobjekte
Redner, allen voran Reinhardt Semmler von Verdi, geben vor allem dem Gewinnstreben der Eigentümer die Schuld am Aus. „Es ist traurig, dass nur noch Zahlen im Vordergrund stehen“, sagte er. Er befürchtet, dass „die Häuser letztendlich ausgeschlachtet“ werden sollen und damit nichts weiter seien als ein Spekulationsobjekt. Seine Hoffnung setzt Semmler darauf, dass in Ingolstadt doch noch ein Investor auftaucht, der Gebäude und Mitarbeiter übernimmt.
Während die Mitarbeiter noch einen letzten Funken Hoffnung haben und Betriebsratsvorsitzender Dagobert Rabensteiner dem OB mehr als 4000 Unterschriften von Menschen überreicht hat, die sich für ein Fortbestehen des Kaufhofs einsetzen, gibt es auf politischer Bühne bereits Überlegungen, in welcher Form das Areal weiter bestehen könnte. Immerhin fürchten viele, dass das Aus von Kaufhof massive Auswirkungen auf die gesamte Innenstadt haben wird. Schon gleich, als die Pläne zur Schließung am 19. Juni bekannt geworden sind, kam die Stadt als möglicher Käufer ins Spiel. Nicht nur des Kaufhof-Gebäudes, sondern auch der benachbarten ehemaligen C&A-Filiale, die bereits seit vielen Jahren leer steht. Die Rede war von einer Markthalle, kleineren Läden oder auch Büros in den oberen Stöcken, die in einen Neubau einziehen könnten. Inzwischen wurde das C&A-Gebäude allerdings an JKV, ein Unternehmen von Jürgen Kellerhals, verkauft. Ihm gehören mehrere Hotels in Ingolstadt und auch das Körnermagazin an der Esplanade am östlichen Ende der Altstadt, das er entwickeln will.
Kommt ein Ikea in die Ingolstädter Innenstadt?
Die Junge Union und die FDP, die im Stadtrat eine Ausschussgemeinschaft bilden, regten an, in der Ludwigstraße einen Ikea anzusiedeln. Den schwedischen Möbelhändler zieht es vermehrt in die Innenstädte. Unter anderem wegen dieser Strategie war auch vor einigen Jahren das Vorhaben gescheitert, dass der Möbelhändler eine Filiale im Weiherfeld im Süden der Stadt eröffnet.
Christian Scharpf hat nur wenig Hoffnung, dass der Kaufhof erhalten werden kann. Er habe lange mit dem Insolvenzverwalter telefoniert und der habe als Gründe für die Schließung angegeben, dass sowohl das Haus als auch die Innenstadt zu umsatzschwach seien. Jetzt hofft er auf ein schnelles Gespräch mit Rene Benko. Dem Österreicher gehört nicht nur Galeria Karstadt Kaufhof, sondern über Signa auch rund 90 Prozent an der Ingolstädter Kaufhof-Immobilie. Und die Stadt habe großes Interesse an einem Kauf, aber zu einem „realistischen Preis“.
Damit will Scharpf verhindern, was die Gewerkschafter befürchten, wenn das Gebäude lange leer steht, nämlich eine „Geister-Innenstadt“. Allerdings warnt Reinhardt Semmler auch vor einer jahrelangen Baustelle in der Fußgängerzone. Denn das bedeute „vier bis sechs Jahre Lärm und Dreck“ mit der Folge möglicher Insolvenzen rundherum.