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Ingolstadt: Dieselskandal: Am Landgericht Ingolstadt türmen sich die Klagen

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Dieselskandal: Am Landgericht Ingolstadt türmen sich die Klagen

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    Hinter dicken Dieselakten verschwinden die Mitarbeiter am Landgericht Ingolstadt. Bislang sind Tausende Klagen von Dieselfahrern eingegangen. Die meisten von ihnen wollen sich den Kaufpreis ihres Autos (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) rückerstatten lassen.
    Hinter dicken Dieselakten verschwinden die Mitarbeiter am Landgericht Ingolstadt. Bislang sind Tausende Klagen von Dieselfahrern eingegangen. Die meisten von ihnen wollen sich den Kaufpreis ihres Autos (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) rückerstatten lassen. Foto: Luzia Grasser
    Audi hat seinen Stammmsitz in Ingolstadt. Deshalb gehen dort besonders viele Dieselklagen am Landgericht sein.
    Audi hat seinen Stammmsitz in Ingolstadt. Deshalb gehen dort besonders viele Dieselklagen am Landgericht sein. Foto: dpa (Symbolbild)

    Warum sie sich genau dieses Auto gekauft habe, will Richter Hubert Stoll wissen. Warum genau einen Audi A6 Avant 3.0 TDI, damals im November 2015 frisch aus der Fabrik. Es sei schon ihr neuntes Fahrzeug aus dem VW/Audi-Konzern, erzählt die Frau. Und warum sie der Marke schon so lange die Treue gehalten habe, habe auch einen Grund. Vor vielen Jahren hatte sie einen schweren Unfall – in einem

    Genauso wie jener Fahrer, der sich seinen gebrauchten Q7 für über 60.000 Euro gekauft hatte. Auf Euro 6 hatte er geachtet, „damit ich mit dem Auto in Zukunft keine Probleme bekomme“. Einem anderen ging es ähnlich. Hätte er gewusst, dass bei seinem A5 bald ein Update wegen der Manipulationen anstünde, „hätte ich mir das Auto sicher nicht gekauft“. Denn: „Das ist ein großer Schaden für uns“, der Wiederverkaufswert sei dahin.

    Die meisten Dieselfahrer wollen am Landgericht erreichen, dass ihr Kaufvertrag rückabgewickelt wird

    Bei zahlreichen Automodellen im VW-Konzern sind die Motoren manipuliert worden. Jetzt klagen die Besitzer.
    Bei zahlreichen Automodellen im VW-Konzern sind die Motoren manipuliert worden. Jetzt klagen die Besitzer. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa (Symbolbild)

    Seit Vormittag schon und dann bis hinein in den Nachmittag sitzen an jenem Februartag Menschen aus ganz Deutschland – mitunter auch nur ihre Anwälte – vor Stoll, die den Kaufvertrag ihres Audi oder eines anderen Autos aus dem VW-Konzern rückabwickeln wollen. Manche wollen auch Schadenersatz. Stoll muss sich auseinandersetzen mit Laufleistungen, Kaufpreisen, Nutzungsentschädigungen und Abgasnormen.

    Im Landgericht Ingolstadt türmen sich die Akten zu den Dieselklagen

    Es ist Routine für Stoll und auch all die anderen Richter am Landgericht Ingolstadt, die am Stammsitz von Audi seit Bekanntwerden der Dieselmanipulationen von einer schieren Welle an Dieselklagen überrollt werden. Und doch müssen sie sich jeden Einzelfall genau anschauen. Die Akten stapeln sich in Abstellkammern, feuerfesten Schränken, Büros wurden damit so zugebaut, dass die Mitarbeiter an ihren Schreibtischen hinter den aufgetürmten Papierstapeln fast verschwinden. Ein wenig Hoffnung, dass es weniger werden könnte mit all den Klagen, hatten die Richter am Landgericht vor gut zwei Jahren.

    Auch jetzt noch gehen in Ingolstadt viele Klagen von Dieselfahrern ein

    Damals glaubten sie, dass die Verjährung ihnen in die Hände spielen könnte. Im Herbst 2015 nahm mit dem VW-Motor EA189 der Dieselskandal seinen Ausgang – und die Verjährung dafür ist Ende 2018 abgelaufen. Eigentlich. Doch dann kamen immer neue Motoren und andere Fabrikate dazu, in denen illegale Motoren verbaut worden sind. Und überhaupt: Wer wusste wann von den ganzen Manipulationen? Denn auch das ist entscheidend für den Beginn der Verjährung. Und so trudelten die Klagen weiter ein, zuletzt besonders viele aus Spanien. Wie viele es bislang genau waren, kann Jürgen Häuslschmid, Sprecher am Landgericht Ingolstadt, nicht sagen. Denn sie werden in der Statistik nicht separat aufgelistet. Aber er spricht von „einigen Tausend“ Dieselverfahren, mit denen sich die Zivilrichter bislang befasst haben. Zum Vergleich: Allein von Oktober bis Dezember 2020 sind monatlich rund 700 Zivilverfahren beim Gericht eingegangen. In „normalen“ Jahren seien es laut Häuslschmid an die 100. Die Differenz lasse sich im Wesentlichen auf Dieselklagen zurückführen. Zwar seien die Richterstellen angesichts der Verfahren aufgestockt worden. Doch der Stellenzuwachs hinke der Zahl der Prozesse immer noch hinterher, erklärt Häuslschmid.

    Für manche Kanzleien sind Dieselklagen ein Geschäftsmodell

    Dieselklagen sind für manche Kanzleien inzwischen zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden. Im Internet versprechen sie eine „99% Erfolgsquote“ oder „bis zu 40.000 Euro Schadenersatz“, sie werben mit dem Spruch „Wir kämpfen um Ihr Recht!“ oder „Jetzt Geld zurückholen“. In vielen Fällen gehen die Kläger überhaupt kein Risiko sein. Sei es, dass sie rechtsschutzversichert sind oder dass die Kanzleien die Kosten übernehmen – und dann im Erfolgsfall eine Provision kassieren.

    An diesem Freitag will Stoll eine Entscheidung bei den Verfahren verkünden. Doch egal, wer als Sieger hervorgeht – die Gegenseite wird vermutlich - wie so oft - in die nächste Instanz gehen. Auch zu einem Vergleich zwischen beiden Parteien kommt es laut Häuslschmid recht selten.

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