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Ingolstadt: 20 Jahre Jazz im Audi Forum in Ingolstadt: Wenn Kunst auf Industrie trifft

Ingolstadt

20 Jahre Jazz im Audi Forum in Ingolstadt: Wenn Kunst auf Industrie trifft

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    Jazzmusik eingebettet in Industrieszenerie beim Audi Werkkonzert in Ingolstadt: das Nieberle-Holstein Quintet.
    Jazzmusik eingebettet in Industrieszenerie beim Audi Werkkonzert in Ingolstadt: das Nieberle-Holstein Quintet. Foto: Birdland Archiv

    Wenn die Kunst auf Industrie trifft. Dann kann das spannend werden, weil sich neue Zusammenhänge abseits bekannter Abläufe ergeben. Weil sich ästhetische Ansprüche an einen Raum modulieren. Und weil zwei Genres vom anderen Eigenschaften adaptieren, die eine neue Perspektive erlauben, auf eben das, was man gemeinhin als Kultur versteht. So im Audi Forum in Ingolstadt, das dem Jazz seit 20 Jahren eine Bühne bietet.

    Jazz im Audi Forum in Ingolstadt: Ein neuer Spielort für den Birdland Jazzclub Neuburg

    Es war 2001, als die Musik zu Audi kam. Nachdem das Museum Mobile mit dem Kundenbereich und der Gastronomie auf dem Areal in Ingolstadt entstanden war. Gebäude, die der Autohersteller beleben wollte, wie Birdland-Betreiber Manfred Rehm erzählt. Verantwortlich für diese Immobilie sei zu dieser Zeit Franz-Josef Paefgen gewesen, Vorstandsvorsitzender der Audi AG zwischen 1998 und 2002, außerdem Stammgast im Neuburger Jazzclub. Um das Forum gewissermaßen zu vitalisieren, installierte man auf der einen Seite das Programmkino im Gebäude, auf der anderen bettete man den Jazz ein – was in dieser Zeit durchaus ungewohnt war: Konzerte auf einem Betriebsgelände.

    Hier fanden in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als 650 Konzerte statt: Audi Forum in Ingolstadt.
    Hier fanden in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als 650 Konzerte statt: Audi Forum in Ingolstadt. Foto: Birdland Archiv

    Dem Birdland aber standen dadurch mehr Quadratmeter zur Verfügung. Ein neuer Spielort als reizvolle Aufgabe, bekräftigt Manfred Rehm. „Wir konnten dort Konzerte bringen, die wir bei uns nicht hätten machen können.“ Große Bands zum Beispiel, Big Bands, mit mehr Platzbedarf und hohen Gagen, die bis heute etwa die Hälfte aller 170 Auftritte im Museum Mobile ausmachen. In der After Work Jazz Lounge trafen sich insbesondere die Beschäftigten der verschiedenen Audi-Abteilungen immer donnerstags, um den Feierabend bei rund 500 Konzerten kleinerer Formationen ausklingen zu lassen.

    Das Unternehmen sponsorte, hielt sich beim Programm allerdings zurück, ließ dem Jazz-Impresario aus Neuburg Gestaltungsfreiheit. Und so kamen viele der versiertesten Interpreten nach Ingolstadt, um die örtliche Szene zu bespielen. Der Brite Chris Barber etwa als einer der letzten großen Big-Band-Leader. Er war mehrmals Gast im Forum, ist erst im März dieses Jahres mit 90 Jahren gestorben. Auch das „Clayton Hamilton Jazz Orchestra“ zog es immer wieder nach Oberbayern. Wobei es kaum einen Jazz-Star der USA geben wird, der noch nicht mit ihnen gespielt hat: Jeff Hamilton und den Brüdern John Clayton und Jeff Clayton. Daneben waren Max Greger und das „Hugo Strasser Quintett“ auf der Ingolstädter Bühne. Die „Dutch Swing College Band“ als wohl älteste Jazzband der Welt. Paul Kuhn, das „Vienna Art Orchestra“. Nina Michelle. Jeremy Pelt. Luciana Souza.

    Manfred Rehm aus Neuburg: "Viele außergewöhnlich schöne Momente im Audi Forum"

    Insgesamt, sagt Manfred Rehm, habe es viele außergewöhnlich schöne Momente im Audi Forum gegeben. Als gute Ergänzung auch zu dem, was sich im Neuburger Birdland abgespielt habe. Wie dort so verdichteten sich natürlich auch bei Audi Anekdoten und Geschichten zu einem wertvollen Tresor der hiesigen Jazz-Geschichte. Eine davon erzählt von Ron Carter, dem am häufigsten aufgenommenen Kontrabassisten überhaupt. Der fast 84-Jährige sei ein Verehrer der Marke Audi, sagt Manfred Rehm. Wenn er also nach Ingolstadt kam, habe er sich auch textil mit Fanartikeln eingekleidet. Ein Anorak, ein Pullover, eine Weste vielleicht.

    Kleine Formationen spielen in der Audi After Work Jazz Lounge.
    Kleine Formationen spielen in der Audi After Work Jazz Lounge. Foto: Birdland Archiv

    Nur zwei der Auftritte in all den Jahren des Audi Forums mussten kurzfristig ausfallen, eines gleich am Anfang der Chronik. Es war das zweite Konzert mit Freddie Hubbard und „The Young Composers Orchestra“, das für den 13. September 2001 angesetzt war. Noch am Dienstag zuvor wollte Manfred Rehm mit dem Jazz-Trompeter wegen der Abholzeiten am Münchener Flughafen telefonieren. Allerdings kam keine Verbindung zustande. „Ich dachte, mein Telefon sei defekt und ging verärgert auf den Karlsplatz, mit der Absicht, später nochmals einen Versuch zu starten.“ Dort habe er zufällig einen Freund, Bernhard Gmehling, getroffen, der zu diesem Zeitpunkt bereits wusste: Es war der 11. September, der Tag, an dem 19 Attentäter Passagierflugzeuge in den USA entführt und sie in die Zwillingstürme des World Trade Centers in New York manövriert hatten. Das Konzert wurde ein Jahr später, am 19. September 2002, nachgeholt.

    Bei den vielen Auftritten im Audi Forum ist es dem Jazzclub-Betreiber auch zwei Jahrzehnte später wichtig, die Facetten des Jazz’ abzubilden: das Zeitlose, Mühevolle, Verspielte. Den Nischenbereich genauso wie das Publikumsträchtige. Das internationale Spektrum, aber auch den Jazz aus Europa, der Schweiz, Österreich und Deutschland. Eine Mischung, die auch wichtig für die Zuhörer des Forums ist, zum größeren Teil Betriebsangehörige. Denn das sollte Jazz bei Audi auch sein: „Eine Andockstelle für Leute, die bisher keinen Kontakt hatten mit dieser Musik.“ Gleichzeitig kommen Interessierte aus der ganzen Region 10 und anderen Ballungsräumen nach Ingolstadt. „Die Allianz mit Audi hat unser Publikum erweitert“, sagt Manfred Rehm. Die Kunst traf die Industrie, das Projekt reüssierte. Der Jazzclub-Betreiber aber bleibt bescheiden. „Wenn man anfängt, hat man wenigstens die Hoffnung, dass es Erfolg hat.

    Nach aktuellem Planungsstand sollen die Jazz-Konzerte im Audi Forum in Ingolstadt nach pandemiebedingter Schließung ab September 2021 wieder aufgenommen werden.

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