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Ehekirchen: Ungewöhnliches Wohnkonzept: Wird der Pfarrhof in Ambach bald Senioren-WG?

Ehekirchen

Ungewöhnliches Wohnkonzept: Wird der Pfarrhof in Ambach bald Senioren-WG?

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    Erst Pfarrhaus, dann Pfadfinderheim und möglicherweise schon bald das Altersrefugium für fünf Freunde: der Pfarrhof in Ambach.
    Erst Pfarrhaus, dann Pfadfinderheim und möglicherweise schon bald das Altersrefugium für fünf Freunde: der Pfarrhof in Ambach. Foto: Claudia Stegmann

    Wie stellen sich wohl die meisten Menschen ihr Leben im Alter vor? Gesund sein, klar. Und agil. Und bitte in den eigenen vier Wänden. Doch was ist, wenn der Garten zu groß und die Treppen im Haus zum Problem werden? Wenn die Gesundheit nachlässt und eine Pflege notwendig wird? Die wenigsten Menschen bereiten sich auf diese möglichen Szenarien vor. Wird schon alles gutgehen, tragen viele wohl als Hoffnung in sich. Fünf Augsburger wollen ihr Glück im Alter jedoch nicht dem Schicksal überlassen. Sie planen eine Alters-WG, eine Wohngemeinschaft, in der jeder für sich ist und doch alle füreinander da sind. Im kleinen Ehekirchener Ortsteil Ambach soll ihr Refugium entstehen. Der alte Pfarrhof, derzeit noch in einem bedauernswerten Zustand, soll dafür saniert werden.

    Pfarrhof in Ambach als Seniorenresidenz: Noch ist das Projekt nicht unter Dach und Fach

    Noch ist das Projekt aber nicht unter Dach und Fach. „Wir stecken derzeit mit der Diözese Augsburg in Vertragsverhandlungen“, sagt Andreas Sauerlacher. Der 53-Jährige ist Teil des Quintetts, das sich vor 20 Jahren gefunden hat und seitdem „engstens befreundet“ ist. Doris und Oliver Baur hat Andreas Sauerlacher bereits um 1990 herum kennengelernt und lebt heute mit ihnen in einer „sehr erwachsenen WG“ in einem Haus in der Augsburger Innenstadt. Artur und Nelli Gulbicki sind Studienfreunde und spätere Geschäftspartner von ihm. Bei Besuchen in der Baur/Sauerlacher-WG lernten sich die Paare kennen und schätzen – und sind seitdem wie die fünf Finger an einer Hand miteinander verbunden.

    Die Idee, nicht nur ihre Freizeit und ihren Urlaub, sondern auch ihren Lebensabend gemeinsam verbringen zu wollen – quasi „bis dass der Tod uns scheidet“, ist einem verregneten, kalten Urlaub an der Adria geschuldet. „Wir hatten beschissenes Wetter und es hatte so gut wie kein Lokal geöffnet. Und trotzdem hatten wir zusammen einfach eine klasse Zeit“, erzählt Andreas Sauerlacher. Als sie schließlich bei bester Laune im einzig geöffneten Café saßen, schworen sie sich: So soll es bleiben!

    Weil darüber hinaus alle Erfahrungen mit der Betreuung oder Pflege der Eltern gemacht hatten und für die Gulbickis und Baurs feststand, dass sie ihre Kinder in dieser Hinsicht nicht in die Pflicht nehmen wollen, gaben sich die Freunde an diesem grauen Nachmittag das Versprechen: Wir kümmern uns umeinander! Dafür musste ein gemeinsames Zuhause gefunden werden, das sie sich ganz nach ihren Bedürfnissen und Wünschen gestalten können. Dabei war allen klar: Der Anfang musste bald gemacht werden.

    Dieser Vorsatz hat nichts mit Zeitdruck zu tun. Im Gegenteil: Gerade, weil ihnen die Zeit nicht im Nacken sitzt, können sie mit Bedacht und Muße ihre Idee umsetzen. Zwischen Ende 40 und Ende 50 sind die Freunde heute. Die Jahre bis zum Ruhestand wollen sie nutzen, ihren künftigen gemeinsamen Wohnsitz peu à peu zu ihrem neuen Zuhause zu machen. „Wenn wir dann mal beruflich durch sind, haben wir uns schon unser Nest gebaut.“

    Pfarrhof in Ambach: In der Schwebe ist auch der Erbpachtvertrag mit der Diözese Augsburg

    In diesem Nest wollen die Fünf ihren dann neuen Lebensabschnitt einläuten. Interessiert, kreativ und aufgeschlossen sind sie alle: Oliver Baur (59) ist HNO-Arzt mit einer Leidenschaft für die Natur und die Jagd. Seine Frau Doris (53) ist OP-Schwester, die mit ihren Händen nicht nur gerne im Garten buddelt, sondern auch filigranen Goldschmuck schmiedet. Nelli Gulbicki (47) ist wie ihr Mann Artur (48) Grafikdesigner. Während sie sich den Pferden, unter anderem als Pferdephysiotherapeutin, verschrieben hat, wünscht er sich für seine künftige WG eine Druck- und Holzwerkstatt. Der Fünfte im Bunde ist Andreas Sauerlacher, 53 Jahre alt und von Beruf Designer und Illustrator. Seine Passion gilt neben dem Zeichnen dem Cembalo, dem Reisen und dem Gärtnern.

    A. Sauerlacher
    A. Sauerlacher Foto: Sauerlacher (Archiv)

    Um Platz für ihre künstlerischen Hobbys zu haben, möchte das Quintett auf dem Grundstück ein Gebäude errichten, das als Atelier genutzt wird. Doch nicht nur das: Dort soll auch eine kleine ebenerdige Wohnung eingerichtet werden können, in der bei Bedarf entweder eine Pflegekraft oder einer der Bewohner leben kann, falls die Treppen im Haus eines Tages zum unüberwindbaren Hindernis werden sollten. Um ein neues Gebäude errichten zu können, müssen jedoch erst die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Eine entsprechende Genehmigung seitens des Landratsamtes steht noch aus. Sauerlacher macht aber klar: „Wenn wir die nicht bekommen, ist das Projekt für uns leider gestorben. Denn das ebenerdige Nebengebäude ist für unseren Alterswohnsitz elementar.“

    In der Schwebe ist derzeit auch noch der Erbpachtvertrag mit der Diözese Augsburg. Der sieht vor, dass die Wohngemeinschaft eine Pacht für das Grundstück bezahlt, das Pfarrhaus jedoch auf eigene Kosten saniert. Die Erbpacht war für die Fünf die einzige Chance, ein derartiges Projekt zu finanzieren. „Anderweitig hätten wir es uns in Bayern niemals leisten können.“ Weil Erbpachtverträge nur die Kirche anbietet, ist die Gruppe deshalb auf die Diözese zugegangen. Auf 60 Kilometer rund um Augsburg grenzten sie den Radius ein, das Pfarrhaus in Ambach stellte sich schließlich als Treffer heraus.

    Werden sich die Augsburger mit der Diözese einig, dann soll das Pfarrhaus umfassend saniert werden. Das ist auch bitter nötig, wie Andreas Sauerlacher den jetzigen Zustand beschreibt. Gebaut 1911, wurde das Haus bis in die 1950er Jahre als Pfarrhof genutzt. Als Ambach schließlich keinen eigenen Pfarrer mehr hatte, stand das Haus weitgehend leer. Erst ab den 1970er Jahren wurde es wieder regelmäßig als Jugendhaus und Pfadfinderheim genutzt. Um es als solches weiter betreiben zu dürfen, hätte die Kirche das Haus komplett umbauen müssen, woran sie aber kein Interesse hatte. Deshalb ist das Pfarrhaus seit etlichen Jahren wieder verwaist. Etliche Interessenten habe es seitdem gegeben, erzählt Sauerlacher. Doch erst die Fünfergruppe habe sich das Projekt zugetraut.

    Maibaum, Schützenfest, Pflanzaktion: Fünf Augsburger wollen in Ambach auch ankommen

    Sind die vertraglichen und bürokratischen Hürden genommen, wartet auf sie viel Arbeit, denn die Freunde wollen so viel wie möglich selbst machen. Im Erdgeschoss des Hauses sollen die Gemeinschaftsräume entstehen: Küche, großer Esstisch, Musikzimmer, Bibliothek. Im ersten Obergeschoss soll es zwei kleine Wohnungen mit je einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer und einem Bad geben, im Dachgeschoss eine dritte Einheit und Lagerräume. Andreas Sauerlacher und seinen Freunden liegt viel daran, das Pfarrhaus in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuführen. „Was an alter Substanz noch da ist, wird gewürdigt und erhalten“, betont er. Weil es über den Originalzustand des Gebäudes kaum Aufzeichnungen gibt, ist er über jede alte Postkarte oder Zeichnung des Pfarrhauses dankbar.

    Der Garten wird bei der Sanierung des Anwesens eine mindestens genauso große Rolle spielen. Die Fünf wollen einen sogenannten Reformgarten nach historischem Vorbild anlegen. Ideen haben die künftigen Bewohner schon reichlich gesammelt: „Wir haben eine Gartengestaltung, die sich gewaschen hat!“, freut sich Sauerlacher auf die Verwirklichung.

    Den Augsburgern ist es neben ihrer persönlichen Verwirklichung aber auch wichtig, in Ambach anzukommen. Ob Maibaumfest, Schützenfest oder Pflanzaktion des Gartenbauvereins: Sie wollen sich beteiligen und am Dorfleben teilhaben. „Wenn’s irgendwo Apfelküchle braucht, dann backen wir Apfelküchle“, bekräftigt Andreas Sauerlacher seinen Willen. Eine Kostprobe der typisch schwäbischen Nachspeise könnte es beim Pfarrhoffest geben, das er und seine Freunde ausrichten möchten, sobald die Verträge unterschrieben sind und Corona es zulässt. Alle Ambacher können dann vorbeikommen und die neuen Bewohner kennenlernen. Und im besten Fall bestätigt sich dann der gute Eindruck, den das Quintett bereits gewinnen konnte. „Bislang fühlen wir uns in Ambach willkommen geheißen und geschätzt.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar Senioren-WG in Ambach: Eine Idee zum Nachahmen.

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