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ERC Ingolstadt: ERC-Torhüter Reimer: „Dürfen nur zum Einkaufen das Haus verlassen“

ERC Ingolstadt

ERC-Torhüter Reimer: „Dürfen nur zum Einkaufen das Haus verlassen“

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    Befindet sich derzeit mit seinem Sohn Magnus (Bild) und Ehefrau Brooke im US-Bundesstaat New Jersey.
    Befindet sich derzeit mit seinem Sohn Magnus (Bild) und Ehefrau Brooke im US-Bundesstaat New Jersey. Foto: Johannes Traub

    Es ist bereits seit einiger Zeit das Epizentrum der Corona-Krise: New York City! Lediglich eine halbe Autostunde davon entfernt, genauer gesagt in New Jersey, verbringt Jochen Reimer gemeinsam mit seiner amerikanischen Ehefrau Brooke und seinem kleinen Söhnchen Magnus traditionell die Eishockey freie Zeit. Im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren ist diesmal jedoch nahezu alles anders. Im Gespräch mit der Neuburger Rundschau berichtet der 34-jährige Torhüter des ERC Ingolstadt über seinen Alltag in der US-Krisen-Metropole.

    Herr Reimer, die wichtigste Frage angesichts der momentanen Gegebenheiten gleich zuerst: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?

    Jochen Reimer: Danke der Nachfrage! Uns allen geht es gesundheitlich sehr gut. Wir sind ja bereits wenige Tage nach dem Saisonende in der DEL in die USA geflogen. Seitdem sind wir bei meinen Schwiegereltern im Haus. Wir bewegen uns dort eigentlich nur im Garten oder um das Haus herum. Wenn wir tatsächlich mal rausgehen, dann ausschließlich zum Einkaufen.

    Sie haben es bereits angesprochen: Bereits einige Tage nach dem DEL-Saisonende sind Sie mit Ihrer Familie in den Flieger nach New York gestiegen. Bei unserem letzten Treffen beziehungsweise Interview am Mittwoch, 12. März, war es ursprünglich noch Ihr Plan, einige Tage in Deutschland zu bleiben, da Ihr Bruder Patrick und seine Frau ihr erstes Kind erwarten. Aber daraus wurde dann doch nichts...

    Jochen Reimer: Ja, das stimmt! In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kam dann die Meldung, dass es ab Samstag einen Einreise-Stopp für Europäer in die USA geben wird. Nachdem wir ohnehin den Sommer immer in den Vereinigten Staaten verbringen und meine Frau auch zu ihrer Familie wollte, war es für uns schnell klar, dass wir noch am Freitag losfliegen. Im Übrigen wurde uns auch von Vereinsseite mitgeteilt, dass alle Amerikaner an diesem Freitag ihre Heimreise antreten dürfen beziehungsweise sollen. Da waren wir dann auch dabei.

    Mit über 550.000 Corona-Infizierten und mehr als 20.000 Toten sind die USA aktuell der Mittelpunkt der Corona-Krise. Besonders schlimm hat es dabei New York City mit derzeit fast 10.000 Toten erwischt. Können Sie uns etwas näher beschreiben, wie das tägliche Leben bei Ihnen in New Jersey derzeit aussieht?

    Jochen Reimer: Nun, als wir vor rund vier Wochen hier angekommen sind, war das Ganze noch relativ entspannt. Klar gab es schon die eine oder andere kleinere Einschränkung. Aber letztlich hat man das schon noch etwas auf die leichte Schulter genommen. Am St. Patrick’s Day (17. März, Anm. d. Red.) zum Beispiel hatten nahezu alle Restaurants, Kneipen und Pubs noch geöffnet. Auch die Menschen waren zu diesem Zeitpunkt noch munter unterwegs. Wer noch nie in New York war, kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Leute da auf den Straßen sind und wie eng dort das Ganze ist. Mit dem Vorwissen aus Deutschland war es mir dann völlig klar, dass es auch hier richtig „krachen“ wird. Jetzt ist es leider tatsächlich so, dass New York City das Epizentrum dieser Corona-Krise geworden ist.

    Was bedeutet das für Ihre Heimat New Jersey, die ja letztlich nur durch den Hudson River von New York getrennt ist?

    Jochen Reimer: Aufgrund der räumlichen Nähe von knapp einer halben Stunde, fahren viele Leute nach New York zur Arbeit beziehungsweise sind bislang dorthin gefahren. Dementsprechend haben sich auch mittlerweile viele aus dem Umland mit diesem Virus infiziert. Uns betrifft das dahingehend, dass es in unserer Region strenge Vorgaben und Regeln gibt. So dürfen wir beispielsweise nur zum Einkaufen das Haus verlassen – und dann ausschließlich mit Schutzmaske und Handschuhen“. Zwischen 20 Uhr und 5 Uhr herrscht sogar ein rigoroses Ausgehverbot. Von dem her gibt es also schon einige einschneidende Maßnahmen, die die Gouverneure von New Jersey und New York gemeinsam zum Schutz der Bevölkerung getroffen haben.

    Wenn Sie das Krisen-Management der US-Regierung in den vergangenen Tagen und Wochen verfolgen: Haben Sie den Eindruck, dass die Verantwortlichen um Präsident Donald Trump wissen, was sie tun beziehungsweise die Situation im Griff haben?

    Jochen Reimer: Ich denke, das ist sehr schwer zu sagen – zumal ich der Meinung bin, dass im Grunde niemand so richtig weiß, was konkret zu tun ist! Bislang war noch niemand in einer solchen Ausnahme-Situation. Ob da jetzt das Richtige oder Falsche gemacht wird, vermag ich nicht zu sagen. Ich bin Sportler und kein Politiker (lacht).

    Angenommen, Sie hätten vor vier Wochen bereits gewusst, wie sich die Lage in den USA beziehungsweise New York und New Jersey zuspitzt: Wären Sie dann doch lieber in Deutschland geblieben?

    Jochen Reimer: „Ich telefoniere ja jeden Tag mit meiner Familie und Freunden in Deutschland. Die hocken ja quasi auch nur daheim und können nichts tun. Von dem her ist es eigentlich egal, wo ich mich gerade befinde. Ich bin hier in New Jersey mit meiner Frau und meinem Kind. So lange die Familie zusammen ist und gesund bleibt, lässt sich das schon aushalten.

    Bei unserem Gespräch vor einem Monat haben Sie – auf das Corona-Thema angesprochen – gesagt, dass Sie sich der Problematik durchaus bewusst seien, das Ganze jedoch nicht so wirklich an sich heranlassen würden. Hat sich Ihr Blickwinkel auf die Corona-Krise in den vergangenen Wochen verändert?

    Jochen Reimer: Ich glaube, dass es mir diesbezüglich wie nahezu jedem gegangen ist: Man hat das zu Beginn schlichtweg etwas unterschätzt. Ich kenne jedenfalls niemand, der das ganze Ausmaß genau so vorhergesagt hat. In unserem Interview vor einem Monat habe ich die Situation mit dem Begriff „Surreal“ beschrieben – und genau das ist es auch heute noch! Klar, wenn man das Ganze schon im Januar oder Februar richtig erkannt hätte, hätte man frühzeitig darauf reagieren können. Aber im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer.

    Haben Sie denn bei all den Einschränkungen überhaupt die Möglichkeit, sich körperlich halbwegs fit zu halten?

    Jochen Reimer: Ja, ich habe glücklicherweise im Haus meiner Schwiegereltern ein sogenanntes „Peloton“ (Indoor-Bike). Auf diesem sitze ich gerade jeden Tag, was sich auch sehr gut anfühlt. Ansonsten trainiere ich noch jeden Montag, Mittwoch und Freitag über Internet mit meinem besten Kumpel, Patrik Vogl, der ja einst auch beim ERC Ingolstadt gespielt hat und jetzt in Bietigheim eine sogenannte „Fitness Lounge“ betreibt und anbietet.

    Werfen wir zum Abschluss noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Was sagt Ihr Bauchgefühl: Wird die DEL-Saison 2020/2021 pünktlich am 18. September starten?

    Jochen Reimer: Rein aus dem Bauch raus kann ich mir das unter dem Eindruck der letzten Wochen derzeit noch nicht vorstellen. Wobei es natürlich wünschenswert wäre, dass es dann wieder losgeht. Ich habe vorhin die Aussage eines Prominenten in der Zeitung gelesen, wonach nach der Corona-Krise in der Welt nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Letztlich muss man einfach abwarten, wie stark jedes Unternehmen oder jeder Bereich betroffen sein wird. Und dazu gehört sicher auch der Profisport. Auch wenn ich – wie bereits gesagt – momentan eher skeptisch bin, dass am 18. September wieder Eishockey gespielt wird, wünsche ich mir das selbstverständlich.

    Würden Sie dann auch weiter das Trikot des ERC Ingolstadt tragen? Ihr Vertrag ist ja bekanntlich zum Saisonende ausgelaufen...

    Jochen Reimer: Wir hatten unmittelbar vor unserer Abreise in die USA nochmals ein gutes Gespräch. Aber durch die schnelle und stetige Zuspitzung der Corona-Krise hängt momentan alles etwas in der Luft – inklusive meiner Person! Natürlich kann man sagen, dass das aus meiner Sicht ein schlechtes Timing ist. Aber es gibt sehr viele Leute, denen es mindestens genau so geht. Deshalb möchte ich jetzt auch nicht jammern, sondern warte einfach mal ab, wie sich das Ganze weiterentwickelt.

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