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Drogenprozess in Ingolstadt: Wer ist „Der Rohrreiniger“?

Drogenprozess in Ingolstadt

Wer ist „Der Rohrreiniger“?

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    Das Schwert, mit dem der Dealer die beiden Angreifer schwer verletzt hat.
    Das Schwert, mit dem der Dealer die beiden Angreifer schwer verletzt hat. Foto: Harald Jung

    Ingolstadt Es ist etwa zehn Jahre her: Da holte ein Ingolstädter Drogenboss einen kaltblütigen Burschen vom Balkan her, damit der einen „unsauberen“ Geschäftspartner “kalt macht“. Die Story ging aber anders aus, denn das Opfer war noch kaltblütiger und der Auftragskiller gab Fersengeld. Oder der Schläger, der einen verdeckten Ermittler der Ingolstädter Polizei gnadenlos niedergeprügelt hat, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Das waren noch handfeste Burschen, möchte man beinahe anerkennend sagen.

    Auch das Quartett, das Landrichter Thomas Denz da zurzeit vor sich auf der Anklagebank hat, wollte offenbar zumindest ein ansehnliches Stück von dem Kuchen abhaben, das der regionale Drogenmarkt hergibt. Ihre Geschichte ist ziemlich bekannt, denn das Verfahren läuft bereits längere Zeit am Landgericht und wird noch bis Mitte März weitergehen: Das sind die vier Männer, die in den Überfall auf einen mutmaßlichen Dealer in Geisenfeld verwickelt waren.

    Einer steuerte damals im Februar 2015 das Fluchtfahrzeug, der Zweite spielte den Lockvogel und machte einen Scheinkauf beim Opfer, um zu sehen, ob es allein ist. Die anderen beiden (34 und 32) stürmten in die Wohnung, droschen mit Baseballschlägern auf den 23-Jährigen ein und versetzten ihm mit einem Elektroschocker Stromstöße. Das Opfer konnte sich aber aus dem Getümmel befreien, ein Samurai-Schwert an sich nehmen und die beiden Angreifer damit schwer verletzten. Die heftig blutenden Männer ließen sich dann von ihrem Komplizen zum Klinikum fahren und tischten der Polizei zunächst im wahrsten Wortsinne eine Räuberpistole von einem angeblichen Überfall nachts beim Joggen auf. Aber sie flogen auf und die wahre Geschichte kam an den Tag. Doch viele Hintergründe sind noch unklar. Jeder der vier Angeklagten bemüht sich inzwischen nach Kräften, die Schuld den anderen zuzuschieben. Jeder ist vorbestraft, alle haben sie Drogen konsumiert. Ihre Schilderungen klingen zum Teil abenteuerlich.

    Da ist zum Beispiel die Rede von einem Drogenhändler, der angeblich aus dem hohen Norden angereist ist. Dann soll es ein Treffen bei Schweitenkirchen gegeben haben, danach fuhr man gemeinsam in einem Leihwagen nach München weiter, wo eine größere Geldmenge übergeben worden sein soll. Wofür, und wer war dieser Dealer?, fragt Richter Denz. Spätestens jetzt bekommt er keine Antwort mehr.

    Viele dubiose Gestalten tauchen auf. Beispielsweise der Mann, den „jeder in der Szene“ kennt, wie einer sagt. Nur einen Klarnamen kann keiner angeben. Alle würden ihn nur „Den Rohrreiniger“ nennen oder zumindest so genannt haben. Auch der kam immer wieder vorbei, um sich „ein paar Nasen zu ziehen“, also Stoff. Hat der auch Drogen gekauft bei dem Angeklagten, den zwei Beschuldigte auch vor Gericht immer noch beinahe ehrfurchtsvoll den „Boss“ nennen?, will der Richter wissen. Nein, keiner weiß, ob der „Rohrreiniger“ gekauft, nur gekifft oder auch im größeren Stil gedealt hat oder das heute noch tut. Je näher es an Details geht, desto weiter klaffen die Erinnerungslücken bei den Angeklagten.

    Vielleicht auch deshalb, weil der „Boss“ seine mutmaßlichen Komplizen mit stechenden Blicken anschaut, wenn sie vom Richter befragt werden. Zwischendurch will Denz von dem 32-Jährigen wissen, ob er den anderen schon mal gedroht habe, insbesondere dem 34-Jährigen, der bei dem Überfall mit ihm in die Wohnung des Opfers gestürmt ist. „Dem muss ich nicht drohen! Schauen sie ihn an – der wiegt halb so viel wie ich...“, meint der mutmaßliche Hauptangeklagte. Will heißen, dass er zumindest der Ansicht ist, dass allein seine Erscheinung mit 100 Kilo Körpergewicht reichen würde, den anderen in Schach zu halten. Mag ja sein.

    Drogen „hatte ich nie in meiner Wohnung“, erklärt der „Boss“ auf Nachfrage des Richters beinahe entrüstet. Er habe nicht einmal Zigarettenrauch in seinen vier Wänden geduldet, behauptet er. Tatsächlich wurde später ein Drogenbunker unter einer Pflasterplatte im Eingangsbereich vor dem Haus in Geisenfeld gefunden. Wen er mit Stoff – die Rede ist von Marihuana und künstlichen Drogen – versorgt hat?, möchte der Richter wissen. Keine Antwort.

    Zwei der drei Mitangeklagten sagen aus, man habe sich sehr oft beim „Boss“ getroffen, um dort „ein paar Nasen zu ziehen“, Bier zu trinken und Computerspiele zu „zocken“. Alle dürften hochgradig abhängig gewesen sein oder sind es noch. Vor allem der 26-Jährige, der als Scheinkäufer bei dem Dealer in Manching auftrat, und auskundschaften musste, wann die Luft rein ist. Er hatte kein Geld, brauchte aber immer dringend Stoff, gab er zu. Als ihm der 32-Jährige sagte, bei dem Überfall würden rund 20000 Euro und „jede Menge Stoff“ herausspringen, mit dem man am Wochenende darauf eine „richtig geile Party“ machen könne, war der arbeitslose Fertigungsmechaniker sofort dabei. Er gab sich bei dem Überfall aber nicht zu erkennen und half seinen beiden Komplizen auch nicht, als der

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