Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neuburg
Icon Pfeil nach unten

Bertoldsheim: Kabarettist Martin Frank überzeugt in Bertoldsheim mit spitzen Pointen

Bertoldsheim

Kabarettist Martin Frank überzeugt in Bertoldsheim mit spitzen Pointen

    • |
    Martin Frank streute aber auch kritisch-nachdenkliche Töne ein.
    Martin Frank streute aber auch kritisch-nachdenkliche Töne ein. Foto: Andrea Hammerl

    Der treuherzige Augenaufschlag des netten Jungen von nebenan täuscht – Martin Frank hat es faustdick hinter den Ohren und nebenbei noch Gold in der Kehle. Der Kabarettist aus Niederbayern begeistert sein Publikum vom ersten Moment seiner Vorpremiere „Einer für alle, alle für keinen“ bis zur dritten Zugabe. Dabei hält der 28-Jährige dem ehemaligen „Land der Dichter und Denker“, das zum „Land der Diskriminierten und beleidigten Leberwürste“ mutiert ist, spitzzüngig den Spiegel vor, spart aber auch nicht an Selbstironie.

    Von Vorpremiere ist absolut nichts zu spüren – dass der sympathische junge Mann seinen Text noch parat liegen hat, „weil ich den Schmarrn noch nicht auswendig gelernt hab“, dürfte das Understatement des Abends gewesen sein. Der Funke springt sofort über in der ausverkauften Schlossgaststätte Bertoldsheim, in die Vorsitzender Dietmar Königsdorfer die Kleinkunstbühne Rennertshofen coronabedingt verlegt hat. Los geht es mit Händels Wassermusik und dem fürsorglichen Hinweis, die Mobiltelefone lieber auszuschalten, damit sie keinen Wasserschaden nehmen.

    Ausgebildete Gesangsstimme setzt besondere Akzente

    Mit seiner klassisch ausgebildeten Gesangsstimme setzt Frank immer wieder besondere Akzente, was die Zuhörer weit mehr zu schätzen wissen als seine eigene Großmutter. Von ihr bekommt er nur ein „Hör doch auf zu schreien“ zu hören. Seinen Protest, das sei kein Geschrei, sondern Verdi, wischt die alte Dame dann mit dem Hinweis weg, sie brauche keine Gewerkschaft. Der Enkel, früher Verwaltungsangestellter und Standesbeamter im Hauptberuf, wohl auch nicht mehr.

    Obwohl coronabedingt wieder zuhause eingezogen, um dort in Unterhosen vorm Laptop zu sitzen, ist er keineswegs arbeitslos, sondern nur im Homeoffice. Daheim ist er „mittelwillkommen“ und wird in die Küche abkommandiert, weshalb er nun großzügig Haushaltstipps verteilen kann. Vom angejahrten Leberkäs, der in mundgerechte Happen zerlegt und mittels Zahnstocher sowie Brennnesseldeko zum begehrten Fingerfood mutiert, kommt Frank zur Gretchenfrage an sein Publikum: „Wie oft am Tag essen Sie Fleisch?“

    Niederbayer Frank outet sich als Nicht-Biertrinker

    Die Antwort „zweimal in der Woche“ lässt ihn entsetzt die Augen aufreißen. Kein Wunder, denn sollte er dem Vater noch einmal eine Gemüsepfanne vorsetzen, droht ihm Enterbung. Spaß beiseite, Fleisch hat auch eine politische Seite. „Was macht unser Schweinefleisch in China?“, fragt er, „Meilen sammeln vielleicht?“.

    Was die sich ständig diskriminiert fühlende Gesellschaft angeht, so rät der bodenständige Landwirtssohn zum Perspektivwechsel. Lieber will er Veganer mal zum Schlachtschüsselessen oder einen Gemeinderat auf eine Erotikmesse schicken, als dass sich jeder eine Minderheit sucht, um dazuzugehören. Was mittlerweile schon zu Aufnahmestopps geführt haben soll.

    Zitternd und zögernd outet sich Frank als Nicht-Biertrinker, und das in (Nieder)bayern! Also trinkt er Kaba und widmet dem Milchgetränk Franz Lehars umgetextetes Lied „Dein ist mein ganzes Herz“, wie zuvor dem Schweinefleisch den Ohrwurm „Ja, das Schreiben und das Lesen“ aus dem Zigeunerbaron. „O sole mio“ leitet die „Liebe auf dem Land“ ein, die so ganz anders ist als in der Stadt, jedenfalls im wortkargen Niederbayern, wo sich Alexa langweilen würde, weil keiner was sagt. Was Frank beim Homeschooling für seine Neffen und Nichten erlebt, wie er den Secret Code zum Flirten auf dem Friedhof entlarvt und den „tiefverborg’nen Sinn“ aus Carl Zellers „Dunkelroten Rosen“ von den Blumen aufs Gießen verlegt, macht einfach Spaß. Die Kunst, zwischen Comedy und bühnenreifen Operettengesang kritische Töne einzustreuen, beherrscht Frank aufs Beste.

    Ein hochamüsanter Abend zwischen Kabarett und Comedy

    Und dass emotionsarme, wortkarge Niederbayern – er selbst ist natürlich eine Ausnahme – sehr wohl emotionale Momente erleben, beweist er mit der Ode an die Kuh Reserl während der mitternächtlichen Kalbsgeburt im lauschigen Kuhstall: „Oh Reserl, was schnaubst so“. Ein hochamüsanter Abend zwischen Kabarett und Comedy mit einem mehrfach talentierten jungen Mann, der gerne noch mehr singen dürfte, das war große Klasse.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wolfgang Krebs in Neuburg: Durchtrieben, deftig und herrlich

    So war der Auftritt von Günter Grünwald im Neuburger Schlosshof

    Stadttheater: Der ganz normale Wahnsinn

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden