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Neuburg/Ingolstadt: „Ausflugsschwester“ für schwerkranke Kinder

Neuburg/Ingolstadt

„Ausflugsschwester“ für schwerkranke Kinder

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    Kinderkrankenschwester Brigitte Margraf und Annalena Köllner beim Spaziergang in Ingolstadt. Zu ihrem eigenen Schutz ist das Mädchen im Rollstuhl festgeschnallt.
    Kinderkrankenschwester Brigitte Margraf und Annalena Köllner beim Spaziergang in Ingolstadt. Zu ihrem eigenen Schutz ist das Mädchen im Rollstuhl festgeschnallt. Foto: Dorothee Pfaffel

    In unserer Sommerserie „Auf Achse“ begleiten wir Menschen aus der Region, die beruflich viel in der Stadt und der Umgebung unterwegs sind. Sie berichten uns, was ihnen an ihrem Beruf besonders gefällt, welche Schwierigkeiten oder Vorurteile dieser manchmal mit sich bringt oder welche Rolle das mitunter heiße Wetter spielt.

    Mit einem geübten Griff hebt die Kinderkrankenschwester Annalena Köllner in die Höhe. „Auf geht’s!“, sagt Brigitte Margraf und setzt das schwerkranke Mädchen dabei im Rollstuhl ab. Die Elfjährige ist rund 25 Kilogramm schwer, also gar nicht so leicht. Doch die Kinderkrankenschwester ist an körperliche Anstrengung wie diese gewöhnt. Gemeinsam fahren die zwei im Aufzug nach unten, um einen Spaziergang zu machen.

    Was für ein Spaß! Brigitte Margraf und Annalena Köllner bei einem Ausflug.
    Was für ein Spaß! Brigitte Margraf und Annalena Köllner bei einem Ausflug. Foto: Dorothee Pfaffel

    Seit 26 Jahren übt Brigitte Margraf ihren Beruf aus, seit elf Jahren arbeitet sie für den ambulanten Intensivpflegedienst des Familiennachsorgevereins Elisa in Neuburg. Damit ist sie jeden Tag auf Achse, fährt von ihrem Wohnort Bertoldsheim aus zum Beispiel nach Pfaffenhofen oder eben nach Ingolstadt zu Familie Köllner. Seit 2011 betreut Margraf Annalena.

    So kümmert sich der Intensivpflegedienst von Elisa

    Kurz nach der Geburt des Mädchens wurde bei ihr eine seltene Krankheit diagnostiziert, ein Oro-fazio-digitales-Syndrom Typ I. Annalena hat große Probleme mit der Lunge und eine Fehlbildung des Gehirns. Außerdem wird ihr wegen einer Gaumenspalte bereits am siebten Lebenstag eine Platte im Mundraum eingesetzt. In der Haunerschen Kinderklinik in München wird Annalena schließlich „lebensfähig“ gemacht, erzählt Mutter Sabine Köllner. Ernährt wird ihre Tochter von da an über eine Magensonde. Eine Kanüle im Hals, auf der eine so genannte „feuchte Nase“ steckt, erleichtert Annalena das Atmen. Die Ärzte prognostizierten dem Mädchen eine Lebenserwartung von einem Jahr – mittlerweile ist sie fast zwölf.

    Die Kinderkrankenschwester hilft Annalena beim Inhalieren. Die Seiten des Holzbetts sind gepolstert. Bunte Eulen schmücken das Zimmer.
    Die Kinderkrankenschwester hilft Annalena beim Inhalieren. Die Seiten des Holzbetts sind gepolstert. Bunte Eulen schmücken das Zimmer. Foto: Dorothee Pfaffel

    Das sei unter anderem der Verdienst von Elisa, ist sich Sabine Köllner sicher. „Wenn es diesen Intensivpflegedienst nicht geben würde, könnte Annalena nicht hier bei uns aufwachsen“, sagt die Mutter. Sie selbst umsorgt Annalena an den Sonntagen und in den meisten Nächten. In der restlichen Zeit kümmern sich die Krankenschwestern von Elisa, wie etwa Brigitte Margraf. Die Frühschicht dauert von 6.45 bis 14 Uhr, die Spätschicht von 14 bis 21 Uhr.

    Brigitte Margraf geht mit Annalena Köllner spazieren

    Heute geht der nachmittägliche Spaziergang erst ein Stück die Straße entlang und dann zum Baggersee. Die Elfjährige ist gerne auf Achse, so wie Margraf, die den Ruf als „Ausflugsschwester“ hat. So geht sie mit Annalena nicht nur in die Schule, sondern war mit ihr beispielsweise schon im Freibad, im Zoo und auf der Sommerrodelbahn. „Annalena mag es, wenn’s laut ist. Sie liebt den Trubel“, erzählt die Kinderkrankenschwester und schiebt Annalena vor sich her.

    Sprechen kann das Mädchen nicht, viel mehr gibt sie Laute von sich, wirft den Kopf hin und her und schlägt mit den Füßen gegen den unteren Teil ihres Rollstuhls. Wer sie nicht kennt, kann dieses Verhalten nur schwer deuten. Brigitte Margraf weiß inzwischen, wie Annalena deutlich macht, was sie mag und was nicht. Am Finger des Mädchens klebt ein Sensor, der über ein Kabel mit einem kleinen, mobilen Monitor verbunden ist. Dieser zeigt unter anderem Annalenas Puls und die Sauerstoffversorgung an. Jede Stunde werden diese Werte dokumentiert.

    Aus der Flasche wird Annalena Flüssignahrung über einen Schlauch zugeführt.
    Aus der Flasche wird Annalena Flüssignahrung über einen Schlauch zugeführt. Foto: Dorothee Pfaffel

    Während die Kinderkrankenschwester erzählt, hört man von hinten eine Fahrradklingel. Annalenas jüngerer Bruder Leon und sein Vater grüßen fröhlich und überholen. In der Zeit, in der das schwerkranke Mädchen durch Elisa betreut wird, kann die Mutter den Haushalt erledigen, ihr Lebensgefährte hat Zeit für den gemeinsamen Sohn.

    Brigitte Margraf: „Diese Kinder sind glücklich“

    Wieder zurück im Haus von Familie Köllner, hebt Brigitte Margraf Annalena aus dem Rollstuhl. Laufen kann die Elfjährige nicht. Stattdessen rutscht und robbt sie über den Boden. Wenn die Mutter kocht, schaut die Tochter gerne in den Backofen. Zwischen 19 und 20 Uhr muss Annalena ins Bett. Zuvor wird noch inhaliert, mit einer Kochsalzlösung und Medikamenten. Das soll den Schleim lösen und Infekten vorbeugen, erklärt Margraf. Mit Hilfe eines speziellen Geräts wird der Schleim, der sich in der Luftröhre angesammelt hat, abgesaugt. Dann wechselt die Kinderkrankenschwester Annalenas Windel und Verbände, zieht ihr den Schlafanzug an und führt ihr über den „Button“ am Bauch Wasser und flüssige Nahrung zu. Die Zähne werden natürlich auch noch geputzt. Zwischendurch und am Ende der Schicht erledigt Margraf die vorgeschriebene Dokumentation und säubert die Behälter der Geräte.

    Kurz vor dem Einschlafen kuschelt sich Annalena noch einmal an ihre Krankenschwester. Brigitte Margraf sitzt mit im Bett, hält das Mädchen fest im Arm. Ob sie Mitleid mit Annalena hat? Nein, erwidert die Kinderkrankenschwester. „Wenn man in diesem Job mit Mitleid arbeitet, packt man es nicht lange.“ Überhaupt sei Mitleid das falsche Wort. Natürlich sei es schade, dass nicht jedes Kind gesund sei, aber Margraf ist sich sicher: „Diese Kinder sind glücklich. Annalena kennt es nicht anders. Sie fühlt sich wohl.“

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