Jazz mit Till Brönner in Ingolstadt: „Ist das bei Ihnen auch das erste Konzert?“
Präsent und authentisch bei den Audi Sommerkonzerten: Deutschlands wohl bekanntester Jazzer Till Brönner will in Ingolstadt auf der Bühne der Landesgartenschau ein Zeichen setzen.
Am Anfang stand Entschleunigung, fast als wollte Till Brönner die Frage vorbereiten, die er dann ein bisschen später stellte, freilich erst nach einer deutlich heißeren Fusionsnummer: „Ist das bei Ihnen auch das erste Konzert nach so langer Zeit?“ Ein wenig aufgeregter als sonst sei er schon, bekannte der wohl bekannteste Jazzer Deutschlands auf der Bühne der Landesgartenschau.
Till Brönner bei den Audi Sommerkonzerten in Ingolstadt: Er wollte ein Zeichen setzen
Mit Leonard Cohens „A Thousand Kissis Deep“ begann das zweite Audi-Sommerkonzert des Jahres 2021, fast gehaucht auf dem Flügelhorn, melancholisch, wie in Zeitlupe, begleitet nur von Christian von Kaphengsts Kontrabass und so einsam wie der Blues leerer Straßen in nächtlich verlassener City. Knackiger Gegenpart in souligem Fusion-Sound der 70er kurz drauf mit E-Bass, Fender-Rhodes, Synthie-Streichern, fetten Drums und Wah-Wah-Gitarre, dazu wahre Energiestöße von Brönners Trompete, Filmmusik von Dave Grusin, „Die sieben Tage des Condor“! Überhaupt: Till Brönner war es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Nach einer langen Zeit, in der er ein Album mit dem beziehungsreichen Titel „On Vacation“ aufgenommen hat – der Titeltrack war natürlich auch zu hören an diesem denkwürdigen Abend – fühlte sich die Musik besonders präsent und authentisch an, dem penetranten Nieselregen zum Trotz.
Umso entspannter Nancy Wilsons „Save Your Love For Me“, in bestem Balladenton, ein bisschen old fashioned auch, im Arrangement unverkennbar geprägt von Fusion-Legende Bob James, Till Brönners letztem Studiopartner, dessen Part am Piano Olaf Polziehn mit quicklebendig swingender Klasse besetzte. Insgesamt eine Band von bemerkenswert hohem Niveau: Marc Wyand mit feurigem Saxofon, David Haynes mit markantem Schlagzeug, Christian von Kaphengst am Kontra-, E- und Keyboardbass – „Drunter machen wir’s nicht!“ – Jan Miserre an vielseitigen Keyboards und Bruno Müller an herrlich nostalgischer Gitarre. Apropos letztere: Atmosphärisch sehr spannend übersetzte die Band Carlos Santanas „Europa“ von 1976, dem Motto der Sommerkonzerte „Lights of Europe“ entsprechend, ins dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, im Thema getragen vom berückenden Sound der gedämpften Trompete. Das ist es, was Jazz ausmacht, die individuelle Aneignung von Standards ins eigene Idiom.
Nicht zuletzt der Ausflug nach Rio mit Toninho Hortas „Aquelas coisas todas“, die betörend duftigen „Lavender Fields“ Südfrankreichs, Billy Joels „I Love You Just The Way You Are“ und „September Morn“, die Hommage an Gilbert Becaud und Neil Diamond, rundeten einen Konzertabend ab, der seine Besonderheit nicht allein der Tatsache verdankte, dass er für die meisten der erste seit langer erzwungener Ruhe war.
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