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Weißenhorn: Mysteriöse Faschings-Figur: Gab es den schaurigen „Eschagore“ wirklich?

Weißenhorn

Mysteriöse Faschings-Figur: Gab es den schaurigen „Eschagore“ wirklich?

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    Der sogenannte Eschachgore auf wilder Fahrt: Ein Holzschnitt zur Sage von Alfred Drießle.
    Der sogenannte Eschachgore auf wilder Fahrt: Ein Holzschnitt zur Sage von Alfred Drießle. Foto: Ralph Manhalter

    Ein loser Bursche soll er gewesen sein. Einer, der ehrliche Arbeit scheute und auch um die Gotteshäuser einen weiten Bogen machte. Dafür hielt sich der Mucki gerne in den Wirtshäusern der Umgebung auf, spielte Karten und trank oft bis in die späten Nachtstunden hinein. Der wahre Name des Müßiggängers ist ebenso wenig bekannt wie seine Herkunft. Irgendwo in den feuchten Riedauen zwischen Tiefenbach und Weißenhorn soll einst sein Haus gestanden haben.

    Niemand möchte dem Eschagore bei Nacht begegnen

    Nun geschah es, dass der trinkfeste Mucki wieder einmal im Wirtshaus zu Gannertshofen die Zeit vergaß. Als er sich auf den Heimweg begab, dämmerte es bereits und kaum hatte er den Wald erreicht, brach die Nacht herein. Der Alkohol entfaltete zusätzlich seine Wirkung, sodass der arme Mucki letztendlich völlig orientierungslos war. Plötzlich nahm er jedoch ein fernes Licht wahr, welches durch die dunklen Tannen schien. „Das kann nur die Riedmühle sein“, glaubte der verirrte Zecher erleichtert festzustellen, in der irrigen Ansicht, sich auf dem richtigen Weg zu befinden.

    Während der Mucki sich durch das schaurige Geäst quälte, schlug von irgendwoher die Kirchturmuhr Mitternacht. Plötzlich waren Räder und Pferdehufen zu hören, der Verirrte glaubte, die Kutsche vom Tiefenbacher Kirchenbauern zu erkennen, doch er sollte sich gründlich täuschen. In dem Moment, als der Mucki das Fuhrwerk bestieg, war es allerdings schon zu spät: Wie von Teufelshand geführt, raste das Gefährt mit brennenden Wagenrädern durch den Wald, die Rappen spien Feuerblitze und ein Blick auf den Kutscher ließ das Blut in den Adern des Passagiers gefrieren: Wer da saß, war der leibhaftige Eschachgore. Da half alles Bangen und Fürchten nichts. Die wilde Jagd nahm unaufhaltsam ihren Weg durch die Nacht. Auf einmal geriet das linke Wagenrad in ein Schlagloch, der Mucki stürzte aus dem Fuhrwerk und blieb bewusstlos im Dornengestrüpp liegen. Erst am nächsten Tag soll er wieder zu sich gekommen sein.

    Mysterium aus Weißenhorn: Wer war der Eschagore wirklich?

    Diese Erzählung von Alfred Drießle kann immer noch so manchen Schauder über den Rücken jagen – wenn auch der Eschachgore nicht immer so rabiat aufgetreten ist. Im 19. Jahrhundert näherte er sich angeblich dem Hof einer Familie, welcher in diesem Moment gespenstisch erleuchtet wurde. Auf die Frage des Hausherren, wer denn da draußen sei, antwortete eine Stimme: „Ich bin der Eschachgore. Wo soll ich ihn hintragen?“ Geradeso als ob sie diese Frage schon des Öfteren gehört hätten, wussten die Hausbewohner gleich die richtige Antwort: „Da, wo du ihn hergenommen hast!“ Gemeint war nämlich ein Grenzstein, den der Gore irgendwo auf weiter Flur ausgegraben hatte. Grenzverletzungen gab es schon in grauer Vorzeit, nicht wenige Gerichte hatten sich mit dieser unrechtmäßigen Form der Aneignung zu beschäftigen. Ob sich der Eschachgore zu seiner Lebzeit eines solchen Vergehens schuldig gemacht hat, ist leider nicht belegt.

    Zu seiner Lebzeit? Man mag es nach diesen Gespenstergeschichten vielleicht nicht wahrhaben, aber hinter dem Gore befand sich eine historische Person: In einer Zeit, als die Lebensmittel knapp waren und in der Folge allerlei Kartoffeln, Rüben und anderes Gemüse von den Feldern gestohlen wurde, beschäftigte die Stadt Weißenhorn einen Flurwächter. Dieser hatte die Äcker und Wiesen im Rothtal, eben dem sogenannten Eschach zu hegen und pflegen. Die frühneuhochdeutsche Bezeichnung hierfür lautete „heien“, womit aus Verbindung von Lokalität und Verbum eben der „Eschachhai“, „Eschhai“ oder „Aschama“ entstand. Einer der Flurwächter hieß im wahren Leben Hans Singer und hatte seinerzeit seine Wohnstatt in der Oberen Mühlstraße in Weißenhorn.

    Die Weißenhorner Narrenzunft hat sich nach dem Eschagore benannt

    Die Erinnerung an sagenhafte (Un)wesen ist in den Orten des mittleren Rothtals dennoch sehr präsent: In Weißenhorn pflegt die Narrenzunft „D´r Eschagore“ mit ihren schaurig-schönen Masken das Andenken an die Lokalgeschichte, während im Ried zwischen Grafertshofen und Bubenhausen heute noch ein Hof die Bezeichnung „Eschachgori“ trägt. Wie sich Karola Dirr-Simons erinnert, rührt dieser Name von dem ehemaligen Besitzer Kuchelmeister her, der im Volksmund „Gore“ genannt wurde und eben im Eschach wohnte. Bei allem Schauder kann man sich jedoch einigermaßen sicher sein, dass der Geist den modernen Zeitgenossen in Frieden lassen wird: Schon vor vielen Jahren wurde jener nämlich von einem Geistlichen in eine Kanne beschworen, sodass er der Bevölkerung keinen Schrecken mehr einjagen konnte.

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