Er war eine Ikone, ein Original, ein stadtbekannter Aussteiger: Robert "Robby" Bachinger hauste in Weißenhorn auf einer Wiese, die ihm nicht gehörte, wo sich aber noch heute allerhand Gerümpel stapelt. Das wallende, schlohweiße Haar und der Rauschebart waren sein Markenzeichen, der Traktor mit Anhänger ebenfalls. Er lebte sein ganz eigenes Leben. Vor genau einem Jahr, am 8. Januar, starb er im Alter von 67 Jahren in seinem Wohnwagen. Sein Tod löste große Anteilnahme aus. Doch so bekannt der Graf, wie er genannt wurde, in und über die Grenzen der Fuggerstadt hinaus war, so unbekannt war sein leiblicher Sohn. Zum Jahrestag des Todes spricht Meik Krause nun erstmals über seinen Vater, die Beziehung zu ihm und die nicht so einfachen Aufräumarbeiten.
Für Bachinger selbst war es "Kunst", für die meisten aber dürfte es nur Schrott oder gar Müll gewesen sein, was sich über die Jahrzehnte auf dem Gelände in der Nähe des Weißenhorner Freibades anhäufte. Der Graf war ein fleißiger Sammler. Mancher würde wohl eher von einem Messie sprechen. Er schrieb Gedichte und trank im V-Markt genüsslich eine Tasse Kaffee, lebte ansonsten eher zurückgezogen mit Katze Cadillac und Wildschwein Trüffel zusammen. Materielles war ihm nicht wichtig. Einen Beruf hatte die Frohnatur nie erlernt, er stammte aus einer Schaustellerfamilie.
Täglich war er mit dem Traktor samt Anhänger in der Stadt unterwegs, um alte Geräte, Metallteile oder anderweitig Aussortiertes abzuholen. Einen Teil davon verkaufte er weiter, um sich etwas Geld hinzuzuverdienen. So manche Stücke verarbeitete er zu skurrilen Kunstwerken. Dennoch blieb einiges übrig. Das etwas andere Erbe für seinen Sohn.
Bachingers Sohn über das Schrott-Erbe: "Am Anfang war es ein Abenteuer"
"Am Anfang war es ein Abenteuer", sagt der nach seiner Mutter benannte Meik Krause. Eine Reise durch die Vergangenheit. Wenn der 45-jährige Weißenhorner dieser Tage durch die Schrotthaufen läuft und in die Wohnwagen seines Vaters blickt, kommen Erinnerungen hoch. An Momente, wo sein Papa mit ihm bei Feuer im Ofen Gitarre spielte. So eigenartig die Lebensweise des Grafen war, so anders war offensichtlich auch seine Beziehung zur Familie. Die letzten fünf Jahre habe er keinen Kontakt mehr zu seinem Vater gehabt, erzählt Krause, der drei Berufsausbildungen abgeschlossen hat und nun in einem Betrieb im Kreis Neu-Ulm sein Geld verdient. Die Existenz von Frau und Sohn habe Bachinger immer wieder verneint. Doch ganz egal scheinen sie ihm nicht gewesen zu sein. Nach dem Tod seines Vaters entdeckte Krause Fotos von sich und seiner Familie in dessen Wohnwagen. Mehr will der Sohn nicht nach außen tragen. Die Menschen sollen Graf Bachinger so in Erinnerung behalten, wie sie ihn kannten.
Liegestühle, Verkehrsschilder, Fahrräder, Rasenmäher, ein altes Holz-Güllefass, eine Feuerwehrleiter und sogar ein riesengroßes Playmobil-Männchen. Eigentlich alles, was es so gibt, findet sich noch immer auf jener Wiese, die 33 Jahre lang Bachingers Zuhause war. Gut die Hälfte des Schrotts hat Krause zwischenzeitlich wegräumen können. Ein großer Haufen am Eingang ist nahezu beiseitegeschafft. Eine vierstellige Summe hat er für Entsorgungskosten schon aufbringen müssen. Weiter hinten auf dem Gelände liegt jedoch noch jede Menge Gerümpel herum.
Graf Bachinger: Schicksalsschläge erschweren das Aufräumen auf der Wiese in Weißenhorn
Mehrere schwere Schicksalsschläge hätten das Aufräumen ins Stocken gebracht, erzählt Krause. Auch der äußerst feuchte Boden erschwere die Arbeiten. Spätestens Ende August, wenn er seinen 46. Geburtstag feiert, will er die Sache hinter sich gelassen, die Wiese komplett geräumt und in einen urbaren Zustand zurückversetzt haben. So sei es auch abgesprochen mit Hugo Burgmaier, dem das Grundstück gehört und der Bachinger dort jahrelang duldete. Der Chef eines Ulmer Unternehmens weiß um Krauses Situation. Zwar hofft er, dass die Räumung in diesem Jahr erledigt ist. Druck will er dem Sohn aber nicht machen. "Die Zeit muss man ihm geben." Graf Bachinger war ein "Unikat", sagt Burgmaier. "Schade, dass er verstorben ist. Schade, dass er so leben musste. Aber es war sein eigener Wunsch. Er hat es selber so gewollt. Es war sein eigenes Reich."
Kurz nach seinem Tod war in dieses "Reich" eingebrochen worden. Der Diebstahl sorgte damals für großes Entsetzen. Einer aufmerksamen Polizistin war es zu verdanken, dass der mutmaßliche Täter geschnappt werden konnte. Gestohlen wurden fünf Kettensägen, Gewürze, Suppen, eine Flasche Bier und zwei Fahrräder. Schon zwei Mal hätte sich ein inzwischen 37-Jähriger aus dem Kreis Neu-Ulm dafür vor Gericht verantworten sollen. Die Termine aber wurden jeweils abgesagt. Ende März soll es nun so weit sein.
Sohn plant "Abschiedsflohmarkt" für Graf Bachinger
Auch aufgrund solcher Vorfälle hat Krause "die einigermaßen guten Sachen" und persönliche Erinnerungsstücke zeitnah beiseite geschafft. Darunter die Gitarre, auf der Bachinger zuletzt spielte. Aber auch Kunstwerke aus Silberbesteck, Zeichnungen und einen großen Koffer voll mit jeweils einzeln und von Hand bemalten Papierfetzen einer Küchenrolle. Sobald es das Wetter zulässt, will er eine Art "Abschiedsflohmarkt" mit Hinterlassenschaften des Grafen auf der Wiese veranstalten. "Die Leute wollen bestimmt noch was mitnehmen vom Robert", sagt Krause. Und er hofft, so etwas Geld für die Beseitigungskosten zu verdienen. Einen genauen Termin für den Flohmarkt gibt es noch nicht. Vorstellen kann er sich zudem, bestimmte Dinge dem Weißenhorner Museum zu stiften. Schließlich hatte es dort schon einmal eine Ausstellung zu Bachingers Leben gegeben. Eine Weißenhorner Ikone.