Das große Grundstück liegt in einer ruhigen Wohngegend, nebenan kräht der Hahn, jedes Jahr feiert die Nachbarschaft ein Straßenfest. Am Mähderweg im Norden von Attenhofen möchten sich Christina Strahl und Michael Putze ihren Wohntraum erfüllen. Doch was das Paar dort plant, ruft Proteste bei den Anwohnern hervor, obwohl es kleiner ist als ein gängiges Haus und ohne Baulärm errichtet werden kann: ein sogenanntes Tiny House, ein Minihaus auf einem Anhänger, das sich bei Bedarf wieder an einen anderen Ort transportieren lässt.
Das Modell, das sich das Paar von Simon Hatzing aus Unterstadion (Alb-Donau-Kreis) bauen lassen will, ist ein wahres Raumwunder: Schlafbereich, Bad und Küche mit Essecke – alles untergebracht auf 28 Quadratmetern Nutzfläche. Ein Tisch für fünf Personen ließe sich platzsparend in einer Schublade verstauen und sogar ein Klavier soll noch in das fahrbare Haus gestellt werden. „Wir möchten uns auf die wesentlichen Dinge im Leben konzentrieren“, sagt Christina Strahl. Sie und ihr Partner wollen lieber mehr Freizeit haben und mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen, als lange für ein teures Einfamilienhaus zu schuften. Zudem weiß das Paar, das ursprünglich aus Mönchengladbach kommt, nicht, wie lange es in der Region bleibt.
Das Paar will mit dieser Wohnform flexibel bleiben
Nach intensiver Suche sind die beiden auf das Grundstück in Attenhofen gestoßen, das einer Familie aus Blaustein gehört. Diese ist bereit, es für eine gewisse Zeit zu verpachten. Irgendwann möchte der Nachwuchs vielleicht selbst dort bauen. Neben der Flexibilität, die das Tiny House bietet, nennt Strahl auch ökologische Aspekte, die für die aus den USA stammende Wohnform sprechen: Zum Bau würden natürliche Materialien wie Holz und Schafswolle als Dämmmaterial verwendet, wegen der kleineren Wohnflächen brauche das Haus weniger Ressourcen, zudem müsse keine Fläche versiegelt werden. Dennoch sei es regulär an die Versorgungsnetze angeschlossen, betont die 36-Jährige.
Für einige Anwohner des Gebiets ist das Tiny House so, wie es momentan geplant ist, nicht akzeptabel. „Das sieht aus wie ein Wohncontainer“, sagt Peter Kwittung, der wie die anderen direkten Anlieger auch beim Landratsamt Einspruch gegen die Pläne eingelegt hat. Zudem hat er 44 Unterschriften gegen einen Beschluss des Weißenhorner Bauausschusses gesammelt. Das Gremium hatte sich wie berichtet dafür ausgesprochen, dass das Minihaus ein Pultdach haben kann. Laut Bebauungsplan dürfen in dem Gebiet eigentlich nur Häuser mit Satteldach errichtet werden.
Wie sich bei einem Ortstermin am Dienstagvormittag herausstellte, ist die Dachform der Knackpunkt. Denn die anderen Sorgen konnte Strahl den Anwohnern nehmen: Es komme kein weiteres Tiny House auf das Grundstück, versicherte sie und zeigte sich bereit, dieses Versprechen auch schriftlich zu geben. Zudem könne das Minihaus auch mittiger auf das Grundstück gestellt werden, mit noch mehr Abstand zu den umliegenden Häusern. Von den Maßen her soll das Gebäude so konzipiert werden, dass es im Straßenverkehr bewegt werden darf: inklusive Fahrgestell vier Meter hoch, 2,55 Meter breit, neun Meter lang, 3,5 Tonnen schwer. Wenn der Anhänger einmal auf dem Grundstück steht, wollen Strahl und Putze eine Holzterrasse davor bauen, die das Fahrgestell verdeckt.
Der Bürgermeister spricht mit dem Landratsamt Neu-Ulm
Beim Ortstermin räumte die 36-Jährige ein, dass es wohl besser gewesen wäre, vorher auf die Nachbarn zuzugehen und ihnen Fotos und Pläne zu zeigen. Die Unterschriften der Anlieger einzuholen sei aber nicht erforderlich gewesen, ergänzte sie, was Bürgermeister Wolfgang Fendt auch bestätigte. Er war darauf bedacht, am Dienstagvormittag einen Konsens zu finden. Und diesen könnte es tatsächlich geben, allerdings machen die Anwohner das Satteldach zur Bedingung. Schließlich hätten auch sie für ihre eigenen Häuser einst strikte Vorgaben erhalten, betonten sie. „Das sind hier in Attenhofen gewachsene Strukturen“, sagte Kwittung. Ein Minihaus mit Pultdach passe da nicht hinein.
Grundsätzlich ließe sich ein Tiny House auch mit Satteldach realisieren. Aus praktischen und finanziellen Gründen bevorzugt das Paar, das derzeit in einer 90-Quadratmeter-Wohnung in Neu-Ulm lebt, allerdings das Pultdach. „Je mehr Schräge man hat, umso mehr Wohnfläche nimmt man weg“, sagte Strahl. Auf Fendts Vorschlag hin will sie nun mit ihrem Partner besprechen, ob die beiden tatsächlich auch die andere Dachform nehmen können. Fendt sagte, er werde das Landratsamt bitten, das Genehmigungsverfahren zwei Wochen lang ruhen zu lassen. Er ist zuversichtlich, dass eine gute Lösung gefunden wird.
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