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Vorwürfe: Scientology: Ein Aussteiger klagt an

Vorwürfe

Scientology: Ein Aussteiger klagt an

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    Markus Stuckenbrock, Scientology-Aussteiger und -kritiker mit einem Foto seines 2008 gestorbenen Bruders.
    Markus Stuckenbrock, Scientology-Aussteiger und -kritiker mit einem Foto seines 2008 gestorbenen Bruders. Foto: Oliver Helmstädter

    Die Geschichten, die Markus Stuckenbrock erzählt, passen so gar nicht zu seiner Heimat, dem idyllischen Burlafinger Norden, dort, wo der Blick von seinem Einfamilienhaus über unverbaute Äcker bis zum Ulmer Münster reicht. Sie handeln von Straflagern, Psychoterror und Tod, für Stuckenbrock sind sie Teil seiner Biografie.

    Der 45-Jährige steht mit beiden Beinen im Leben. War bis vor Kurzem Trainer der Burlafinger Fußballdamen, ist Vater zweier Kinder und arbeitet als Heilerziehungspfleger bei der Sendener Lebenshilfe. Er hat aber auch Kontakte in eine Welt, die nichts mit schwäbischer Idylle zu tun hat. Der Scientology-Organisation wirft er vor, mitverantwortlich für den frühen Tod seines Bruders vor zwei Jahren zu sein.

    Lange Jahre war Markus Stuckenbrock selbst Scientologe. So wie sein Vater und sein älterer Bruder. Die Familie zog 1972 nach Unterelchingen. Ein Schicksalsschlag habe die Familie dann 1975 in die Fänge von Scientology getrieben. Sein kleiner Bruder starb achtjährig an einer Herzkrankheit. Der Vater, jetzt in Rente, sei früher in leitender Funktion in der Stuttgarter Scientology-Filiale gewesen. Bruder Uwe machte Karriere in der Organisation, stieg auf bis ganz nach oben. Er wurde als Scientologe in die "Sea Organization" aufgenommen, eine von Scientology gegründete "paramilitärische Kadertruppe", von der de facto Macht und Kontrolle über Scientology ausgehe.

    2008 starb Uwe, der einstige Sicherheitschef des Scientology-Hauptquartiers, angeblich unter unwürdigen Umständen und ohne ausreichende medizinische Versorgung an Multipler Sklerose. Schuld sei ein Scientology-Menschenbild, das Krankheit als persönliches Versagen auffasst.

    Markus Stuckenbrock kennt noch heute die Seitenzahl von "Dianetics", dem Scientology-Grundlagenwerk, an der dies begründet werde. "Ich war lange in dieser Gedankenwelt", sagt er. 1983 löste er sich davon. Seitdem gelte er als Feind bei Scientology. Sein Vater habe sich abgewendet, seinen Bruder sah er zuletzt 1988. Markus quälte die Ungewissheit um das Schicksal seines Bruders.

    Über 20 Jahre, nachdem er Uwe zuletzt sah, reiste er nach Los Angeles zum Hauptquartier der Organisation und zeichnete mithilfe der Sterbeurkunde den Leidensweg seines Bruders nach. Suchte das Lager "Rehabilitation Project Force", eine Art "Besserungsanstalt" von Scientology, wo sein schwer kranker Bruder völlig abgeschnitten von der Außenwelt für 11, 46 Dollar die Woche arbeiten habe müssen. Zu Uwes Lebzeiten seien Versuche, Kontakt aufzunehmen, von Scientology behindert worden. Markus Stuckenbrock ist überzeugt, dass sein Bruder heute noch leben könnte, wenn er ausgestiegen wäre. Der Burlafinger schaltete nach seinen langwierigen Recherchen einen US-Anwalt ein, der jetzt Scientology die Schuld nachweisen will. Doch Stuckenbrock weiß auch um die finanzielle Potenz einer Organisation, die in den USA vielfach von Hollywoodstar Tom Cruise repräsentiert wird. In den

    Den Ausstieg schaffen die Wenigsten, sagt der Burlafinger. Denn die meisten Menschen steckten schon zu tief drin, wenn die ersten Zweifel an den Methoden der "Kirche" aufkommen. Den perfiden Anfang mache meist ein "Persönlichkeitstest", der an manchen Samstagen auch in der Ulmer Hirschstraße von Scientology-Anhängern beworben wird. So soll der "Ruin", wie Scientologen Schwachpunkte der Menschen nennen, gefunden werden. Dieser diene dann als Anknüpfungspunkt für den Aufbau psychischer Abhängigkeit, die laut Stuckenbrock letztlich nur ein Ziel verfolge: Maximalen Profit. "Das alles ist eine Riesenschweinerei."

    Im feudalen deutschen Scientology-Hauptquartier in Berlin will man von all dem nichts wissen. Die Vorwürfe seien "absurd", sagt Sabine Weber, die Vorsitzende von Scientology in

    Die ARD zeigt am Mittwoch (20.15 Uhr) einen Film über die selbst ernannte Kirche. In der danach gesendeten Reportage "Die Seelenfänger - Wie Scientology Menschen zerstört" wird der Wahl-Burlafinger von seinen Erfahrungen berichten. (23 Uhr, SWR). Oliver Helmstädter

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