Die Scherben sind aufgekehrt, die zerstörten Fenster der Bank mit Holzplatten provisorisch verkleidet. Nach der Sprengung zweier Geldautomaten in Vöhringen richtet der Vorstand der Raiffeisenbank Schwaben-Mitte den Blick nach vorn. „Die Gefühlslage hat sich wieder beruhigt. Wir haben in den Modus umgeschaltet: Wie stellen wir Vöhringen wieder her“, sagt Bank-Vorstand Matthias Kohl. Die Ermittlungen des Landeskriminalamtes (LKA) Bayern nach den Tätern dauern derweil an, die vier Männer gelten weiter als flüchtig. Während zum hiesigen Fall neue Details bekannt werden, wird anderswo im Freistaat schon der nächste Geldautomat in die Luft gejagt.
Wie hoch der angerichtete Schaden in Vöhringen ist, lässt sich weiterhin nicht verlässlich sagen. Kommende Woche soll sich ein Statiker die Raiba-Geschäftsstelle in der Ulmer Straße anschauen und überprüfen, welche Auswirkungen die gewaltigen Explosionen auf das Gebäude hatten. „Vorher lassen wir keinen Kunden mehr rein“, sagt Kohl. Vom Ergebnis der Kontrolle hänge ab, wie es vor Ort weitergeht. Doch fest stehe: „Wir wollen es wieder herrichten.“ Wie lange das dauert, wann der Standort wieder geöffnet werden kann - alles Dinge, die derzeit unklar sind. Die Rede ist von einer Dauer von bis zu einem halben Jahr. So lange Lieferzeiten hätten allein die Geldautomaten, die zerstört wurden. Kostenpunkt für beide: 100.000 Euro.
Geldautomaten in Vöhringen gesprengt: „Froh, das es keinen Personenschaden gab“
Wer Geld abheben möchte, könne das entweder bei der Raiba-Niederlassung in Bellenberg oder beim Automaten der VR-Bank Neu-Ulm in der Memminger Straße in Vöhringen. Beratungen und Gespräche finden ebenfalls überwiegend in Bellenberg statt. Auch die etwa zehn Beschäftigten kommen dort größtenteils unter, teilweise in Altenstadt oder arbeiten von zu Hause. „Wir sind froh, dass es keinen Personenschaden gab und den Mitarbeitern gut geht, auch psychisch gut geht“, sagt Kohl. Komplett spurlos gehe das aber an denen nicht vorbei. „Wenn, wie beim Geschäftsstellenleiter, mitten in der Nacht das Handy klingelt und die Polizei dran ist, denkt man als Erstes, irgendjemand in der Verwandtschaft ist gestorben.“ Mancher habe sich die Frage gestellt, wie es jetzt weitergehen soll. „Diese Angst haben wir gleich nehmen können.“ Kohl lobt die Arbeit der Polizei vor Ort: „Die waren sehr einfühlsam.“
Über die Täter ist vom LKA derweil nicht viel Neues zu erfahren. Genauer beschrieben werden können sie bislang nicht. Sie seien vermummt und dunkel gekleidet gewesen. Auf einem Video, das im Netz kursiert, drei Männer zu sehen, die zum Auto rennen. Einer steht an der geöffneten Fahrertür. Bevor sie losfahren, scheint einer mit ausländischem Dialekt „Fuck Israel“ zu schreien.
Zwar verfügen Banken, auch die Raiba, über Überwachungskameras. Oftmals aber werden durch die Wucht der Explosionen die Server beschädigt und die Bilder darauf sind futsch, erklärt ein LKA-Sprecher. Ob das auch in Vöhringen der Fall ist, dazu gebe es noch keine Erkenntnisse. Wohl soll es aber die Festplatte erwischt haben. Der angerichtete Schaden an der Raiba-Geschäftsstelle ist aus Sicht der Ermittler „erheblich“. „Nichts Kleines, sondern etwas Größeres“, sagte eine LKA-Sprecherin am Donnerstag. Ein solches Ausmaß sei jedoch nichts Ungewöhnliches. Das sei von Fall zu Fall unterschiedlich und hänge vom Gebäude sowie dem Standort des oder der Automaten ab.
Fluchtauto hatte gestohlenes Kennzeichen für den Landkreis Mayen-Koblenz
Beim Fluchtauto handelte es sich wohl um einen dunklen Mercedes. Ein Augenzeuge geht von einem AMG aus. Das Kennzeichen begann laut LKA mit den Buchstaben „MY“ für den Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz. Ein gestohlenes Kennzeichen. „Die Täter sind ja auch nicht doof“, so das LKA.
Gestohlen war auch das Kennzeichen des Fluchtautos bei der jüngsten Sprengung eines Geldautomaten in Bayern. Die ereignete sich knapp 24 Stunden später, am frühen Freitagmorgen, gegen 3.35 Uhr, in Strullendorf bei Bamberg. Vöhringen war nach Angaben des LKA die 15. Automaten-Sprengung in diesem Jahr im Freistaat, Strullendorf bekommt nun die Nummer 16. 2023 waren es zur selben Zeit erst neun Delikte dieser Art. Woher dieser Trend? „Schwer zu erklären“, sagt ein LKA-Sprecher. Vielleicht seien noch nicht alle Automaten ausreichend gesichert und es sei für die Tätergruppierung dadurch immer noch lukrativ. Inwiefern es Zusammenhänge gibt, sei weiter unklar und Gegenstand weiterer Ermittlungen. Im Fall Strullendorf aber sei das Fluchtauto ein Alfa Romeo, Stelvio gewesen. An dem Fahrzeug waren gestohlene Bamberger Kennzeichen angebracht. Dem LKA-Sprecher sei kein weiterer Fall bekannt, bei dem wie in Vöhringen ein Mercedes benutzt wurde.
Wie viel Geld wurde in Vöhringen erbeutet? „Das hat sich nicht gelohnt“
21 Automaten-Sprengungen waren es im vergangenen Jahr in Bayern. 1,1 Millionen Euro wurden dabei erbeutet. Der angerichtete Sachschaden belief sich auf 2,3 Millionen Euro. 2022 kam es zu 34 Sprengungen mit einer Beute von 3,1 Millionen Euro und einem Sachschaden von 4,7 Millionen Euro. Wie hoch die Beute in diesem Jahr schon ist, wird nicht gesagt. Auch zur Beute im Fall Vöhringen halten sich die Ermittler bedeckt. Es sei aber eine gemacht worden, so das LKA. Bank-Vorstand Kohl sagt: „Das hat sich nicht gelohnt.“ Die Bank verfüge über eine Einfärbetechnik, das Geld ist somit unbrauchbar und wurde größtenteils zurückgelassen. Der geringfügige Betrag, der fehlt, könnte höchstwahrscheinlich den Detonationen zum Opfer gefallen sein. Zwar habe die Geschäftsstelle schon über die von den Versicherungen empfohlenen Sicherheitsstandards verfügt. Wenn sie nun aber wiederaufgebaut wird, könnte die noch einmal verschärft werden. „Wir werden dadurch viel Arbeit haben, das ist halt auch das Ärgerliche.“
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