Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Vergewaltigung in Pfuhler Pflegeheim Drei Taubenschläge?

Neu-Ulm-Pfuhl

Vergewaltigte Pfleger demente Frau in Neu-Ulmer Pflegeheim?

    • |
    • |
    Im Pflegeheim „Drei Taubenschläge“ in Pfuhl ermittelt die Kriminalpolizei Neu-Ulm wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung.
    Im Pflegeheim „Drei Taubenschläge“ in Pfuhl ermittelt die Kriminalpolizei Neu-Ulm wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung. Foto: Alexander Kaya

    Im Neu-Ulmer Alten- und Pflegeheim „Newcare Home“, besser bekannt unter dem Namen „Drei Taubenschläge“ ermittelt die Kriminalpolizei. Der Tatvorwurf: versuchte Vergewaltigung.

    Unsere Redaktion wurde aus dem Umfeld des Hauses darüber informiert. Das Polizeipräsidium in Kempten hielt sich zunächst bedeckt, teilte nun aber mit: Eine Pflegerin habe während eines Nachtdienstes nach einer Patientin auf der Nachbarstation sehen wollen. Ihr sei dabei ein Einzelzimmer mit angelehnter Tür aufgefallen. Eine männliche Pflegekraft soll sich offenbar in dem Zimmer aufgehalten haben. Die demenzkranke Patientin soll teils entkleidet gewesen sein. Als die Pflegerin erkannte, dass in dem Moment mutmaßlich ein Sexualdelikt stattfindet, soll sie das Zimmer betreten und den Mann angesprochen haben. Dieser habe sich daraufhin von der Patientin entfernt und verließ das Zimmer.

    Anzeige der mutmaßlichen Vergewaltigung erfolgte erst eine Woche später bei der Polizei

    Die Pflegerin habe einen schriftlichen Bericht an die Pflegedienstleitung erstattet. Der Pfleger sei daraufhin zunächst freigestellt und anschließend entlassen worden. Die mutmaßliche Tat hat sich laut Polizei am Montag, 26. August, gegen 4 Uhr, ereignet. Anfang September sei Anzeige erstattet worden, also eine Woche später. Der Tatverdächtige ist nicht polizeibekannt und derzeit auf freiem Fuß.

    Auf Nachfrage spricht eine mit dem Fall betraute Polizeioberkommissarin von absehbaren Schwierigkeiten der Ermittler, die Tat nachweisen zu können. Das mutmaßliche Opfer sei „stark demenzkrank“. Die Aussagefähigkeit sei stark eingeschränkt, zumal zwischen mutmaßlicher Tat und Anzeigestellung mehrere Tage lagen. „Dann wird es auch schwierig für die Spurensicherung.“ Die Heimleitung hat nach Informationen unserer Redaktion die Angehörigen verständigt und die rechtlichen Schritte für das Heim eingeleitet, etwa die Freistellung des verdächtigten Pflegers. Die Anzeige aber wurde aus dem Umfeld einer Pflegerin, nicht von der Heimleitung, erstellt.

    Dem Pfuhler Seniorenheim werden schon länger miserable Zustände nachgesagt

    Doch ist der Fall nur die Spitze eines Eisbergs? Berichte über miserable Zustände im Heim gibt es schon länger. Auch wenn offen ist, in welchem Zusammenhang eine mögliche Straftat einer Einzelperson damit steht. Ein Vorzeigebetrieb scheint das nicht zu sein: Das belegen etwa Qualitätsberichte aus dem April dieses Jahres. In mehreren Bereichen werden „schwerwiegende Qualitätsdefizite“ festgestellt, die schlecht möglichste von vier Einstufungen. Konkret geht es um „Unterstützung bei der Körperpflege“, „Unterstützung im Bereich der Mobilität“, „Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme“. Jene Berichte werden vom MD (Medizinischer Dienst) und dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherungen im Rahmen regelmäßig stattfindender Prüfungen erhoben. Sie sind zwar theoretisch öffentlich, der Zugang dazu ist aber nicht einfach, wie unsere Redaktion feststellen musste.

    Das Pfuhler Pflegeheim mit seinen 120 Plätzen gibt es noch nicht so lange: Im Oktober 2015 erfolgte der Spatenstich, im März 2017 wurde es eröffnet. Damals noch im Besitz der Medical Seniorenpark Holding von Tadeusz Cymerman mit Sitz in Essen. Jener Holding gehört weiterhin der Wohnpark „Münsterblick“ nebenan. Der wurde kürzlich samt dem Restaurant „Einkehr“ eröffnet. Das Pflegeheim „Drei Taubenschläge“ wurde im Februar 2020 verkauft. Die neue Betreibergesellschaft hieß zunächst „wecare“, nannte sich dann in „newcare“ um. Sitz jener GmbH ist ebenfalls Essen.

    So reagiert der Pflegeheim-Träger Newcare auf die Vorwürfe

    Den Träger mit den Vorwürfen konfrontiert, heißt es: „Wir stehen mit allen Behörden und Betroffenen in einem engem und vertrauensvollen Austausch“. Gegenüber der Öffentlichkeit gibt sich das Unternehmen mit Sitz in Essen hingegen eher schweigsam. Für die Beantwortung von Presseanfragen sehe man „keinen Raum“. Schriftlich bittet das Unternehmen Newcare um Verständnis dafür, dass man sich gemäß internen strengen Vorgaben und Richtlinien nicht zu polizeilichen Ermittlungen äußern wird. Allerdings wird betont, dass man bei Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis oder strafrechtlich relevantem Verhalten gemäß einer „Null-Toleranz-Regel“ alle arbeitsrechtlichen Konsequenzen prüfe. Diese könnten bis zur fristlosen Kündigung und Strafanzeige reichen.

    Das Landratsamt Neu-Ulm verweist hinsichtlich strafrechtlicher Ermittlungen an die Strafverfolgungsbehörden. Über die Zustände im Pflegeheim wisse man nichts. Nach dem Pflege- und Wohnqualitätsgesetz bestehe kein Auskunftsrecht gegenüber der Kreisverwaltung. Es bestehe jedoch eine Verpflichtung des Trägers, eine Kurzfassung von Ergebnisprotokollen über durchgeführte Begehungen zu veröffentlichen. Doch die gebe es nur vom Träger.

    Bewohnerin auf dem Klo vergessen: Pfuhler Pflegeheim genießt keinen guten Ruf

    In der Bevölkerung genießt die Einrichtung keinen guten Ruf. Eine Bürgerin, die ihren Namen nicht veröffentlicht haben will, erzählte, dass sie ihre Eltern aus dem Heim „gefühlt“ habe „retten“ müssen. Mehr wollte sie dazu nicht sagen. Hannelore Langer aus dem Kammeltal ist da offener. Ihre Schwester lebte gut ein Jahr im Heim in Pfuhl. Seit 1. September nicht mehr. Und darüber ist die 75-Jährige froh. „Das Heim ist eine Zumutung“, sagt sie. 80 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner seien dement. „Die kriegen das gar nicht mit.“ Das Personal sei im Dauerzustand überlastet. „Die können nichts dafür.“  

    Ihre 83-jährige Schwester komme aus Jettingen-Scheppach. Sie sei linksseitig gelähmt, aber geistig fit. Nach Pfuhl war sie gekommen, weil sonst kein Platz zu bekommen war. „Wenn Sie unten reinkommen, sieht auch alles super aus“, sagt Langer. Die Wahrheit aber sei eine andere. Es hänge ein „Speiseplan wie im Sterne-Restaurant“ aus. Das Essen gebe es so aber nie. „Die Menschen haben immer Hunger.“ Es heißt, Personal bringe Essen privat von Zuhause mit, doch dafür werde mit einer Abmahnung gedroht. „Das Allerschlimmste“ aber: Drei Wochen lang hätten sie ihre Schwester nicht geduscht. Nach einem Abendessen hätten sie sie auf der Toilette vergessen. Der Pfleger sei einfach nach Hause. Erst nach vier Stunden, als die Nachtschicht kam, sei es aufgefallen. 

    Langer hat nach eigenen Angaben 25 Jahre im Fachklinikum in Ichenhausen gearbeitet. Sie kenne sich also aus, meint sie. Es sei „sicher schade“, wenn das Heim in Pfuhl schließen müsste. Wieder stünden viele Menschen ohne Pflegeplatz da. Doch ein Weiter so bei solchen Zuständen? „Mir tun die Menschen leid, die in so einem Heim leben müssen.“ 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden