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Urteil im Illerkirchberg-Prozess: Lebenslange Haft für Eritreer

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Urteil im Mord-Prozess Illerkirchberg: Lebenslange Haft für Angeklagten

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    Im Mord-Prozess Illerkirchberg wurde der Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt.
    Im Mord-Prozess Illerkirchberg wurde der Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt. Foto: Alexander Kaya

    Der Zuhörerbereich ist fast voll besetzt, als das Urteil am Dienstag im Fall der tödlichen Messerattacke von Illerkirchberg verkündet wird. Obwohl der Ausgang der Entscheidung eigentlich keine wirkliche Überraschung mehr ist, ist das Interesse deutlich größer als an den Prozesstagen zuvor. Der Angeklagte verfolgt das Geschehen hingegen nach wie vor unverändert. Nahezu regungslos. In weinroter Jogginghose, blauem T-Shirt und weinrotem Pulli darüber blickt Michael Okba B. in sich gekehrt fast ausschließlich auf den Tisch vor ihm, als der Vorsitzende Richter Wolfgang Tresenreiter in knapp 35 Minuten erklärt, warum ihn die 3. Strafkammer des Landgerichts Ulm wegen Mordes sowie versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und darüber hinaus die besonders schwere Schuld feststellt.

    Zuvor aber wendet sich der Richter an die Eltern der Opfer. Die der 13-Jährigen, die den Angriff überlebte, sind anwesend. "Sich trotz des eigenen Schmerzes gegen Hetze entgegenzustellen, verdient Hochachtung", so Tresenreiter. "Verhöhnend und schäbig" nennt er hingegen das, was beim Prozessauftakt passiert war: Anhänger vom AfD-Nachwuchs "Junge Alternative", darunter auch welche der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung, hatten ein Banner hochgehalten mit der Parole: "Sichere Grenzen, sicherer Schulweg".

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    Ein 27-jähriger Asylbewerber aus Eritrea steht ab heute wegen der tödlichen Messerattacke in Illerkirchberg vor dem Landgericht Ulm. Die Bilder vom Prozessauftakt.

    Dass der Angeklagte die "verstörende" und "völlig unnötige" Tat begangen hat, daran hat das Gericht keinerlei Zweifel. Auch nicht an seiner Schuldfähigkeit, die ihm auch der psychiatrische Gutachter Peter Winckler attestiert hatte. Aus Heimtücke und um eine andere Straftat zu ermöglichen, soll der 27-Jährige an jenem 5. Dezember 2022 die 14 Jahre alte Ece getötet und ihre 13-jährige Freundin auf dem Weg zur Schule schwer verletzt haben. Das Motiv hingegen interpretiert die Kammer anders. Die Staatsanwaltschaft war davon ausgegangen, dass B. die Tat begangen hatte, um beim Landratsamt mit einem Messer einen Pass zu erzwingen und danach nach Afrika reisen und dort eine Frau heiraten zu können. Das Gericht ist der Auffassung, er habe getötet, um "Rache" zu nehmen – "aus reinem Vernichtungswillen". Der zuständige Landratsamtsmitarbeiter sollte dafür büßen, dass die Behörde sein Leben zerstört habe. Tresenreiter dazu: "Wir sehen nicht, dass das Landratsamt hier etwas falsch gemacht hat."

    Urteil nach Mord in Illerkirchberg: Eritreer galt eigentlich als "gut integriert"

    Der Wunsch nach einer Frau, nach einem Pass, Erektionsstörungen – all das habe den Angeklagten belastet. Der Richter spricht von einem "Bruch" im Leben des 27-Jährigen, der mit zwölf Jahren seine Heimat Eritrea verlassen hat und seit 2015 in Deutschland lebt. Der Asylbewerber sei eigentlich "unauffällig, gut integriert", habe Arbeit gefunden. Und sich dort auch gemeldet, wenn der Zug mal Verspätung hatte. Zuletzt aber habe er sich immer mehr zurückgezogen. Am 24. November war er zum letzten Mal bei der Arbeit. Dann habe er sich entschlossen zu töten. Die zufällig an seiner Unterkunft vorbeikommenden Mädchen hätten ihn dabei gestört. Weil er befürchtete, dass sie die Polizei rufen, wollte er auch sie töten. Die Wut, die er eigentlich gegenüber der Behörde empfand, entlud sich dann gegen Ece und ihre Freundin.

    Die besondere Schwere der Schuld begründete das Gericht unter anderem mit dem besonders verwerflichen Vorgehen des Täters. Der Angeklagte habe die beiden Mädchen auf dem Schulweg getäuscht, sie noch gegrüßt und dann zunächst das weiter von ihm entfernte Mädchen völlig unvermittelt attackiert. Er habe keinerlei Risiko eingehen wollen.

    Staatsanwältin mit Urteil zum Ece-Mord zufrieden – Statement von Illerkirchbergs Bürgermeister

    "Mehr kann man sich von einem Urteil nicht wünschen", sagte Staatsanwältin Nadine Schmelzer Durch die Feststellung der besonders schweren Schuld sei eine Entlassung des 27-Jährigen nach 15 Jahren "erst einmal unmöglich". Das bedeute aber nicht, dass er nie wieder freikommt. Theoretisch denkbar wäre, dass er einen Teil seiner Strafe in Eritrea absitzt. Zunächst müsse das Urteil rechtskräftig werden. Es sei jedoch erst einmal angedacht, dass er in Deutschland inhaftiert bleibt. Die Verteidigerin hatte mitgeteilt, dass ihr Mandant, sobald es ihm möglich ist, wieder in seine Heimat zurückkehren will.

    Die Nebenklage-Vertreter, Rechtsanwältin Beate Merkt-Buchele und Rechtsanwalt Süleyman Pozan, zeigten sich vom "Maximal"-Urteil "sehr zufrieden". Weil an diesem Dienstag wegen einer juristischen Feinheit die Beweisaufnahme noch einmal kurz aufgenommen wurde, hatte der Angeklagte erneut die Möglichkeit ein "Letztes Wort" zu sprechen. Vergangene Woche hatte er gesagt, er sei "schockiert" über die Tat und entschuldigte sich bei den Familien. Dass er dieses Mal nichts sagte, wertet Pozan als erneuten Beweis dafür, dass er keine Reue zeigt. Der rechtliche Beistand von Eces Eltern, die bei keinem Prozesstag anwesend waren, hatte in seinem Plädoyer Tränen in den Augen. Seine Kinder besuchen dieselbe Schule wie die beiden Opfer. Die vom Richter ausgesprochene "Hochachtung" will er Eces Eltern weitergeben. Sie hätten schon im Voraus großes Vertrauen in den Rechtsstaat gehabt. Das sei nun bestätigt worden.

    Illerkirchbergs Bürgermeister Markus Häußler, der im Ausland auf Dienstreise weilt, ließ kurz nach dem Urteil auf der Internetseite der Gemeinde ein Statement veröffentlichen, in dem es heißt: "Ich bin froh, dass der Prozess nun zu Ende ist und der Täter mit der ganzen Härte des Rechtsstaats für sein schreckliches Verbrechen bestraft wird. Für die ganze Gemeinde, vor allem aber für die betroffenen Familien, war es unzweifelhaft eine Tortur, öffentlich erneut mit den Einzelheiten dieser absolut sinnlosen Tat konfrontiert zu werden. Insbesondere für sie hoffe ich, dass ihnen nun die dringend notwendige Ruhe zuteilwird."

    Alle Artikel zum tödlichen Angriff in Illerkirchberg finden Sie hier.

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