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Ulm: Zum Sex gezwungen, zu Tode geprügelt: Thema Zwangsprostitution beschäftigt Ulm

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Zum Sex gezwungen, zu Tode geprügelt: Thema Zwangsprostitution beschäftigt Ulm

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    Mit Lügen werden Frauen aus Osteuropa nach Deutschland gelockt und hier zum Sex gezwungen. Im Stadthaus ging es um das Schicksal einer Rumänin, die zu Tode geprügelt wurde.
    Mit Lügen werden Frauen aus Osteuropa nach Deutschland gelockt und hier zum Sex gezwungen. Im Stadthaus ging es um das Schicksal einer Rumänin, die zu Tode geprügelt wurde. Foto: Boris Roessler, dpa (Symbolbild)

    Auf dem Donaufest wurden dieser Tage Werbeflyer für ein großes Bordell verteilt – in Ulm und Neu-Ulm gibt es geschätzt etwa 200 Prostituierte. Wie Frauen aus Südosteuropa in Deutschland von brutalen Zuhältern in die Prostitution gezwungen werden, schilderten im Stadthaus der Augsburger Kriminalhauptkommissar a. D., Helmut Sporer, Sabine Constabel von der Hilfsorganisation Sisters und Terre des Femmes-Vorstandsfrau Inge Bell. Fazit: Deutschland ist das Bordell Europas. Gefordert wurde ein Sexkaufverbot, wie es nach dem Nordischen Modell beispielsweise in Schweden und Norwegen, in Frankreich und Kanada existiert.

    Das Schicksal von Ioana Condea steht gleichzeitig symbolhaft für das von vielen Mädchen und Frauen aus Osteuropa, die von Menschenhändlern zur Sexarbeit nach Deutschland gelockt werden, und es ging wegen des besonders grausamen Schicksals der jungen Frau doch in ihrem Heimatland durch die Medien: Die Rumänin, Mutter eines einjährigen Kindes, war 2014 mit dem Angebot von Arbeit in einem Altenheim über ihre Freundin nach Deutschland gelockt worden, landete sofort in einem Bordell, und weil sie sich weigerte, sich zu prostituieren, wurde sie von einem Zuhälter so brutal zusammengeschlagen, dass sie – querschnittsgelähmt und mit schweren Gehirnschädigungen – viereinhalb Jahre später an den Folgen der Gewalttat starb.

    Auf dem Podium im Ulmer Stadthaus: (von links) Aktivistin Inge Bell, Moderatorin Hilke Lorenz, Sabine Constabel von der Hilfsorganisation Sisters und Ex-Kriminalkommissar Helmut Sporer.
    Auf dem Podium im Ulmer Stadthaus: (von links) Aktivistin Inge Bell, Moderatorin Hilke Lorenz, Sabine Constabel von der Hilfsorganisation Sisters und Ex-Kriminalkommissar Helmut Sporer. Foto: Dagmar Hub

    Diskussion im Stadthaus in Ulm: Prostitution ist für Frauen die Hölle

    Die Frage nach "Paradies oder Hölle" im Sexgeschäft in Deutschland beschrieben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der von Journalistin Hilke Lorenz geleiteten Stadthaus-Podiumsdiskussion einhellig: Es ist die Hölle für die ausgebeuteten Frauen. Sie werden zu erniedrigenden Sexpraktiken gezwungen, oft bis zu 20 Stunden am Tag und an jedem Tag der Woche. Dabei wissen sie oft nicht einmal, in welcher Stadt sie gerade angeboten werden, haben keine Kontakte nach außen und keine Sprache, um sich mitzuteilen. Und es ist das Paradies für all die Profiteure, die mit dem gekauften erzwungenen Sex unglaublich hohe Gewinne erzielen. Ein Großteil der Szene ist in den Händen organisierter Kriminalität von Clans und Rockerbanden, so Helmut Sporer. Die Ausbeutung endet meist so, dass die jungen Frauen irgendwann körperlich und seelisch zu kaputt sind, um die Tagesmiete von 160 bis 180 Euro fürs Bordellzimmer noch zu erwirtschaften, und dann als Wracks in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. In letzter Zeit erscheint ein neues Problem auf dem Sexmarkt: Frauen aus Afrika scheinen vor ihrem Einsatz im Sexgeschäft mit einem Voodoo-Zauber belegt zu werden, sodass das Schweigen nicht aufzubrechen ist.

    Wie damit umgehen? Man muss den Markt unattraktiv machen, sagt Sabine Constabel. Sie fordert, nicht die Frauen zu kriminalisieren, die zur Prostitution gezwungen werden, wohl aber über ein Sexkaufverbot die Profiteure und die Kunden, die sich mit Geld Zugang zu den Körperöffnungen einer Frau kaufen. Inge Bell schildert, welch perversem Verlangen die Mädchen und Frauen ungeschützt ausgesetzt sind. Geschuldet sei dies alles einer katastrophalen Gesetzgebung, die Deutschland zu einem Paradies für Menschenhändler, Zuhälter und Freier gemacht habe – Freier, denen es egal sei, wenn die Frauen aufgrund innerer Prellungen vor Schmerzen weinen und die auch äußere Verletzungen nicht wahrnehmen wollen. Ioana zum Beispiel, sagt Inge Bell, habe einen verätzten Unterleib gehabt, weil der Zuhälter sie mit Nagellackentferner übergoss und diesen anzündete. "Die Freier müssen das gesehen haben."

    Fachleute kritisieren Politik und fordern Sexkauf-Verbot

    Was kann sich ändern? Sabine Constabels Antwort ist scharf: "Solange die Grünen in der Regierung sind, ist da nichts drin." Deutlich wird auch Helmut Sporer: "Die Proprostitutionslobby hat guten Zugang zur Politik." Eine laute Minderheit bestimme das öffentliche Bild, sitze in Sachverständigenräten und verfolge das Ziel, Sperrbezirke und Gesetze zum Schutz der Prostituierten abzuschaffen.

    Der Zuhälter, der Ioanas Tod verursachte und deswegen zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, kommt im Frühjahr 2023 aus der Haft frei. Inge Bell fragt sich, was dann mit den Eltern und dem Kind der toten Rumänin sein wird.

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