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Ulm: Zulasten eines Asylbewerbers gelogen? Ulmer Polizisten werden freigesprochen

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Zulasten eines Asylbewerbers gelogen? Ulmer Polizisten werden freigesprochen

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    Zwei Ulmer Polizisten saßen erneut auf der Anklagebank. Ihnen wurde vorgeworfen, zulasten eines Asylbewerbers vor Gericht gelogen zu haben.
    Zwei Ulmer Polizisten saßen erneut auf der Anklagebank. Ihnen wurde vorgeworfen, zulasten eines Asylbewerbers vor Gericht gelogen zu haben. Foto: Silas Stein, dpa (Symbolbild)

    Das ursprüngliche Geschehen liegt schon eine ganze Weile zurück. Doch an Brisanz hat der Fall nicht verloren. Der Vorwurf wiegt schwer: Zwei Ulmer Polizisten sollen vor Gericht gelogen haben – zum Nachteil eines Asylbewerbers. Sie waren, wie berichtet, am Amtsgericht Ulm verurteilt worden. Ihnen drohte die Suspendierung, sie legten jedoch Einspruch ein. Der Anwalt des Mannes aus Ghana befürchtete, dass etwas vertuscht werden könnte. Er erstattete damals Anzeige. Am Ulmer Landgericht kam es nun in zweiter Instanz zum Berufungsprozess.

    Im August 2018 soll sich der Asylbewerber im Vorraum einer Bankfiliale in Ulm aufgehalten haben, obwohl ihm dafür wohl ein Platzverweis ausgesprochen war. Daraufhin wurde die Polizei gerufen. Zwei Beamte einer Ulmer Dienststelle sollten ihn dazu bringen, dass er nach draußen geht. Dabei soll es zu einem Gerangel gekommen sein. Wie sich das aber genau zugetragen hat, war lange unklar.

    Überwachungskamera soll anderes Bild vermitteln, als von Polizisten ausgesagt

    Die Polizisten sollen angegeben haben, der Ghanaer habe sie angegriffen und sei tätlich geworden. Auf Grundlage dessen kam es im Februar 2020 zum Prozess am Amtsgericht Ulm. Auf der Anklagebank saß der Mann aus Afrika. Der Vorwurf lautete Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Und als selbst der Verteidiger schon nicht mehr an die Unschuld seines Mandanten geglaubt hatte, kam es zur überraschenden Wendung: Aufnahmen aus einer Überwachungskamera sollen ein gänzlich anderes Bild vermittelt haben. Demnach sollen die beiden Polizisten den Asylbewerber gar angesprungen und ihn mit der flachen Hand "umgecheckt" haben, wie es Rechtsanwalt Jürgen Steppe aus Altenmünster im Nachgang der Verhandlung unserer Redaktion schilderte.

    Anfang Mai dieses Jahres kam es zum erneuten Prozess. Die Anklage richtete sich damals aber nicht gegen den Afrikaner, sondern gegen die Polizisten. Sie wurden unter anderem wegen Verfolgung Unschuldiger sowie mindestens einer von ihnen wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Dagegen legten sie Berufung ein. Ihnen drohte das Ende im Polizeidienst.

    Vor zwei Wochen nahmen die beiden Polizisten erneut auf der Anklagebank Platz - dieses Mal im Sitzungssaal am Ulmer Landgericht. Aufgrund der aktuellen Corona-Lage waren die Zuschauerplätze begrenzt. Unsere Redaktion konnte an der Verhandlung selbst nicht teilnehmen. Eine Priorisierung der Presse sei nicht vorgesehen, erklärt Alexander Spengler, Sprecher des Ulmer Landgerichts.

    So begründet das Ulmer Landgericht den Freispruch der beiden Polizisten

    Geendet habe die Angelegenheit mit einem Freispruch für beide Polizisten, so Spengler im Nachgang des Prozesses. Seine Entscheidung habe Richter Thomas Keckeisen unter anderem damit begründet, dass für eine Verurteilung aufgrund einer Falschaussage ein Vorsatz gegeben sein müsse - der habe aber gefehlt. Zwar könne das, was die Polizisten vor Gericht ausgesagt hätten, objektiv falsch sein. Allerdings könnte es immer noch sein, dass die Beamten aus ihrer Wahrnehmung heraus dachten, dass das, was sie ausgesagt hatten, auch stimmt. "Und eine fahrlässige Falschaussage gibt es nicht", erklärt Spengler.

    Inwiefern sich die Polizisten zu den Vorwürfen geäußert haben, war seitens des Gerichts nicht zu erfahren. Auch nicht, wer als Zeuge geladen wurde. Der betroffene Asylbewerber sei nicht anwesend gewesen. Dieser leide unter Schizophrenie und befinde sich seit längerer Zeit in einer entsprechenden Einrichtung. Doch auch dessen Anwalt war nicht geladen, der das zuvor noch kritisiert hatte. "Der war ja beim Geschehen nicht dabei. Daraus ergibt sich für den Richter dann auch kein Erkenntnisgewinn", begründet Spengler das Vorgehen.

    Was heißt das Urteil für die Suspendierung der Ulmer Polizisten?

    Was bedeutet das Urteil für die beiden Angeklagten und ihre Zukunft im Polizeidienst? Wolfgang Jürgens, Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm, machte dazu auf Nachfrage auch zwei Wochen nach dem Berufungsprozess keine Angaben. Ihm würde keine Information vorliegen, ob das Urteil schon rechtskräftig ist, sagt er. Und solange dem noch so sei, handle es sich um ein laufendes Verfahren, das die Polizei nicht kommentieren werde.

    Die jeweiligen Verteidiger der beiden freigesprochenen Polizisten sind dem Präsidiumssprecher da etwas voraus. "Das Urteil ist rechtskräftig", sagt der Neu-Ulmer Rechtsanwalt Thorsten Storp. Das Landgericht bestätigte das. "Das war auch das einzig Richtige", so der Anwalt. Die Suspendierung seines Mandanten sei in der Zwischenzeit aufgehoben worden. Storp ist froh, dass in zweiter Instanz so entschieden wurde. Schließlich handle es sich um den "Traumberuf" seines Mandanten. "Da hängen Existenzen dran." Wie es für den anderen Polizisten weitergeht, war nicht zu erfahren. Dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Werner Ruisinger aus Augsburg, machte aus Gründen der Schweigepflicht auf Nachfrage unserer Redaktion keine Angaben.

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