Wiblinger Bachtage: Ein Konzert wird zur musikalischen Reise
Schottisch-mystische Klänge und Spanisch-Temperamentvolles aus der Alten Welt ergänzt das Collegium Instrumentale Stuttgart mit Dvoráks Symphonie "Aus der Neuen Welt".
Seit 39 Jahren leitet der Kirchenmusiker Albrecht Schmid die von ihm 1985 ins Leben gerufenen "Wiblinger Bachtage", und auch in diesem Jahr gibt es wieder 14 Konzerte innerhalb von zwei Wochen an verschiedenen Orten in Ulm und in seinen Ortsteilen. In der gut besuchten Kirche St. Maria Suso auf dem Eselsberg präsentierte Schmid ein von ihm dirigiertes Symphonie-Konzert mit dem hochklassigen Solisten Gustav Frielingshaus und dem renommierten Collegium Instrumentale Stuttgart.
Felix Mendelssohn-Bartholdy, Antonín Dvorák und Camille Saint-Saens lebten ihr ganzes Leben oder dessen überwiegenden Teil im 19. Jahrhundert – zu einer Zeit, als Reisen noch etwas ziemlich Exotisches und Beschwerliches war, zugleich aber Einflüsse solcher Reisen und exotische Mitbringsel gesellschaftlich chic wurden. Felix Mendelssohn-Bartholdy reiste 1829 als Zwanzigjähriger an einen Ort, den damals vermutlich erst wenige besucht hatten – auf die Hebriden, ein Archipel nordwestlich von Schottland, und besuchte dort eine Höhle, die damals dem keltischen Sagenkönig Fingal zugeordnet wurde. Schmid führte mit dem Collegium Instrumentale Stuttgart, dessen Konzertmeisterin die Ulmerin Ursula Müller-Merkle ist, die "Hebriden"-Konzert-Ouvertüre auf, die auf das Dunkel-Mythische jener Reise und auf das raue Klima der Inseln anspielt. Mit spanischen Anklängen versah dagegen der französische Komponist Camille Saint-Saens das fulminante "Introduction et Rondo capriccioso" in a-Moll für Violine und Orchester, mit dem Gustav Frielinghaus als Violin-Solist brillierte.
Dvoráks größter Erfolg erklingt bei den Bachtagen
43 Minuten etwa währt die Aufführungsdauer von Antonín Dvoráks Symphonie "Aus der Neuen Welt" – womit damals, 1892, als Dvorák mit dem Schiff über den Atlantik reiste, Amerika gemeint war. Mit großem Körpereinsatz und Temperament dirigierte Albrecht Schmid das Werk, das zu Dvoráks größtem Erfolg wurde, 1893 von den New Yorker Philharmonikern in der Carnegie Hall uraufgeführt und in Europa erstmals im Folgejahr in Karlsbad gespielt. Wie es für die Menschen damals gewesen sein mag, rhythmische Anklänge an die Musik der aus Afrika stammenden Sklaven zu hören, und Anspielungen auf die indigenen Einwohner Nordamerikas? Auch wenn sich Dvorák aus heutiger Sicht eher wenig mit den Charakteristika jener Musik der farbigen Sklaven und der indigenen Ureinwohner beschäftigt hatte, den er warf sie stilistisch in einen Topf und sah sie als eigentlich identisch an: Die fremden Anklänge, bezogen beispielsweise auf den legendären Irokesenbundführer Hiawatha, auf die doch deutlich auch böhmisch gefärbte Symphonie dürften in der Atmosphäre jener Zeit zum immensen Erfolg des Werkes beigetragen haben.
So gehen die Wiblinger Bachtage weiter
Mit stehenden Ovationen dankte das Publikum Albrecht Schmid, dem Collegium Instrumentale Stuttgart und dem Solisten Gustav Frielinghaus. Am Dienstag werden die Wiblinger Bachtage im Stadthaus mit zwei Vormittags-Schülerkonzerten und einem Streicherkonzert "Vier Saiten, vier Zeiten" am Abend um 20 Uhr (mit Musik von Vivaldi bis Piazolla) fortgesetzt. Am Mittwoch bringt Albrecht Schmid ein Crossover "Bach, Brass & Swing" in die Wiblinger Versöhnungskirche. Die Wiblinger Bachtag 2024 enden am kommenden Wochenende mit einem Konzert in der Schlosskirche St. Martinus in Erbach am Samstag und einem Abschlussgottesdienst in der Wiblinger Versöhnungskirche am Sonntag.
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