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Ulm: Von Engeln und Bengeln: Wo die himmlischen Wesen im Münster zu finden sind

Ulm

Von Engeln und Bengeln: Wo die himmlischen Wesen im Münster zu finden sind

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    Eine neue Führung lässt die Besucherinnen und Besucher auch die versteckten Engel im Ulmer Münster entdecken.
    Eine neue Führung lässt die Besucherinnen und Besucher auch die versteckten Engel im Ulmer Münster entdecken. Foto: Dagmar Hub

    Die evangelische Kirche ist nicht gerade für ihre Nähe zu Engeln bekannt. Die Reformation stellte Christus ins Zentrum des Glaubens; der schwäbische Pietismus kann mit den geflügelten Wesen nichts anfangen. Trotzdem: Im Ulmer Münster gibt es tatsächlich unzählige Engelsdarstellungen – wobei der Begriff "unzählig" hier nicht als Übertreibung gemeint ist. Sie wurden wirklich noch nie gezählt. Eine neue Münsterführung stellt einige von ihnen vor. 

    Im Laufe der Jahrhunderte schufen die Ulmer immer neue Engel im Münster

    Den Glauben an Engel als Boten Gottes gibt es nicht nur im Christentum, sondern auch im Judentum, im Islam, bei den Jesiden und Baha'i. Das Christentum versteht die – fast immer männlich interpretierten - Engel als unsichtbare Begleiter, die Botschaften Gottes überbringen. Sie sind Mittler zwischen Gott und Mensch. Im Ulmer Münster gibt es auch deshalb Engelsdarstellungen, weil das Gotteshaus im 14. Jahrhundert erbaut wurde, also lange vor der Reformation. Viele der im Münster und seinen Seitenkapellen zu entdeckenden Boten Gottes stammen aber auch aus den Jahrhunderten nach der Reformation, und es gibt sogar Engelsdarstellungen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. 

    Es finden sich schützende Engel mit großen Flügeln, es gibt sogar dickliche kleine Putti, und es gibt Engel, die so hoch oben sind, dass man sie nur mit dem Fernglas entdecken kann. Riesig ist dagegen die Figur des Erzengels Michael, die während der Zeit des Nationalsozialismus – 1934 – im Ulmer Münster als Teil eines Kriegerdenkmals mit drohend erhobenem Schwert installiert wurde. Ganz verborgen fristeten zwei Engel des Neu-Ulmer Künstlers Johann Martin Scheible ihre Existenz über lange Zeit in einem Schrank – die Leuchterfiguren wurden zufällig vor zwei Jahren in einer der Kammern entdeckt. 

    Das Ulmer Münster beherbergt nicht nur freundliche Engel

    Zu sieben Stationen unterschiedlicher Engelsdarstellungen aus verschiedenen Zeiten geht die neue Führung "Engel und Bengel", die Helga Heilbronner, Anni Eschenbach und Peter Schaal-Ahlers erarbeiteten und bei der die Teilnehmer zum Beispiel auch erfahren, wann und wo die erste Darstellung eines weiblichen Engels auftauchte. Engel und Bengel? Ja, unter all den Engelsdarstellungen im Münster, die auf Glas und aus Stein, auf Holz und gemalt zu entdecken sind, gibt es freundliche und tröstende, gibt es aber auch bedrohliche und eben solche, in denen sich teuflisches Tun verbirgt, Figuren, die selbst zu Luzifer werden. 

    Eine der interessantesten Engelsdarstellungen schufen in dieser Hinsicht Wilhelm Geyer-Schüler und Glaskünstler Claus Wallner 1965 in einem auf der Münster-Südseite eingebauten und oft wenig beachteten „Versuchung Christi“-Fenster: Der Teufel verbirgt sich hier dreifach in der Figur eines graublauen, dunklen Engels, der sich hinterhältig an Christus heranmacht, der aber stürzt. Ein anderes interessantes Kunstwerk ist die in Eichenholz geschnitzte Darstellung eines Weihnachtsengels mit riesigen Flügeln auf dem Ambo im Chorraum des Münsters. Dieser Engel ist ein Spätwerk Johann Martin Scheibles, gefertigt 1951, drei Jahre vor dem Tod des Künstlers. Ein Engel ist es, der Maria die Botschaft überbringt, dass sie Christus gebären soll, und ein Engel ist es, der Adam und Eva die Rückkehr ins Paradies verwehrt. 

    Eine der jüngeren Engelsdarstellungen: Wilhelm Geyer-Schüler und Claus Wallner schufen 1965 dieses bemerkenswerte Glasfenster, das einen gefallenen Engel zeigt.
    Eine der jüngeren Engelsdarstellungen: Wilhelm Geyer-Schüler und Claus Wallner schufen 1965 dieses bemerkenswerte Glasfenster, das einen gefallenen Engel zeigt. Foto: Dagmar Hub

    Engel zieren die Öffnung in der Turmhalle, durch die Glocken hochgezogen wurden, Engel sitzen auf Totenschilden und steinernen Reliefs. In der Nische des im Bildersturm zerstörten Karg-Altars von Hans Multscher finden sich nur noch Reste der einstigen Schönheit – goldene Engelsflügel. Die neue Führung "Engel und Bengel", die nun erstmals stattfand, gibt es wieder am 23. September um 18 Uhr – aber auch ohne Führer kann man sich jeden Tag auf die Suche machen, um einige der unzähligen und ungezählten Engel zu entdecken, die es im Münster gibt. 

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