Sieg-Heil-Rufe auf einer Party, Chat-Nachrichten wie „ausrotten, die Pest“: Es sind widerwärtige Abgründe, die sich im Fackelwurf-Prozess gegen fünf junge Männer aufgetan haben, der am Mittwoch in Ulm zu Ende gegangen ist. Das Gericht hat in seinem Urteil rassistische Motive klar benannt. In der gleichen Woche hat sich die Ulmer Arbeitsgemeinschaft Straßenbenennung trotz Rassismus-Vorwürfen dagegen ausgesprochen, einen neuen Namen für die Mohrengasse zu finden. Eine vergebene Chance? Nein.
Rassismus ist im Prozess deutlich zutage getreten: Die Männer hatten eine brennende Fackel in Richtung eines Roma-Wohnwagens geworfen, um die Familie von einem Wiesengrundstück in Erbach-Dellmensingen zu vertreiben. Und Hass ist auch in anderen Fällen zutage getreten. Etwa, als ein Mann im August 2019 afrikanischstämmige Ulmer vor dem Bürgerhaus Mitte mit einer Waffe bedrohte. Nicht alle Vorfälle sind voller Gewalt. Ulms Rabbiner Shneur Trebnik kann erzählen, wie Leute vor ihm auf den Boden spuckten oder ihm judenfeindliche Bemerkungen zuraunten. Beim Stadtpokal im Januar überreichte ein Kicker einem dunkelhäutigen Gegenspieler eine Banane. Und als die Corona-Pandemie von China nach Europa und in die Region kam, wurden Menschen mit asiatischem Äußeren in Ulm angefeindet, die ein asiatisches Äußeres hatten.
Ulm: Viele Beispiele für Rassismus im Alltag
Beispiele für ein Problem, das zu oft totgeschwiegen oder kleingeredet wird. Eine vergebene Chance also, die Mohrengasse neu zu benennen? Der historische Ursprung des Straßennamens hat mit Rassismus nichts zu tun. Doch eine einheitliche Meinung dazu, ob der Name rassistisch oder kolonialistisch zu verstehen ist, gibt es nicht einmal in der Wissenschaft. Die SPD hatte Manga Bell als neuen Paten vorgeschlagen: ein afrikanischer Widerstandskämpfer gegen den deutschen Kolonialismus. Eine charmante Idee, ja. Aber dem Problem, dass Begriffe ihre Bedeutung wandeln und dass Rassismus mit Worten transportiert wird, wäre der Schritt nicht gerecht geworden.
Stattdessen soll sich der Text einer Hinweistafel mit dem Namen Mohrengasse, der Begriffsgeschichte und mit Rassismus auseinandersetzen. Ob es gelesen wird? Wahrscheinlich nicht von denen, die es lesen sollten. Zumindest aber wird ein ernstes Problem sichtbar gemacht. Denn Rassismus ist ein ernstes Problem, weil er in vielen Köpfen steckt. Sichtbarer wäre das Problem mit einem neuen Namen für die Mohrengasse nicht geworden.
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