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Ulm/Pfaffenhofen: Der "erste Außenminister Ulms" geht auch mit 90 Jahren noch auf die Jagd

Ulm/Pfaffenhofen

Der "erste Außenminister Ulms" geht auch mit 90 Jahren noch auf die Jagd

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    Siegfried Keppler in Hirbishofen, wo er Jagdpächter ist und viel Zeit verbringt. Am 30. März ist der Ulmer Altstadtrat und frühere Kreisjägermeister 90 Jahre alt geworden.
    Siegfried Keppler in Hirbishofen, wo er Jagdpächter ist und viel Zeit verbringt. Am 30. März ist der Ulmer Altstadtrat und frühere Kreisjägermeister 90 Jahre alt geworden. Foto: Alexander Kaya

    Auf den Tisch kommt Hirbishofer Wildbret. Junges Reh und junges Wildschwein, vom Jubilar selbst geschossen. Siegfried Keppler geht auch mit 90 Jahren noch auf die Jagd. Nicht nur diese Leidenschaft hat sein Leben geprägt. Die "Maultaschendiplomatie" hat den Altstadtrat zum "ersten Außenminister von Ulm" gemacht, so sieht es CDU-Stadtrat Thomas Kienle. Zur Feier nach Marienfried sind alte Freunde gekommen, darunter ein ungarischer Minister. Dabei haben sie viel Lob und reihenweise Anekdoten.

    János Lázár war Bürgermeister der Stadt Hódmezővásárhely, zu der Keppler nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Kontakte knüpfte, die bis heute halten. Inzwischen ist der Fidesz-Politiker Minister für Bauen und Investitionen im Kabinett von Ministerpräsident Viktor Orbán. In Marienfried wünscht Lázár seinem Wegbegleiter, den er bereits zum Frühstück getroffen hat, noch einmal 90 Jahre. Er preist dessen Familie als "den größten Erfolg" und Monika Keppler als "Boss" seines Freundes. Das Ehepaar ist seit 54 Jahren verheiratet. Und glaubt man Oberbürgermeister Gunter Czisch, ist nur eines nicht so ganz im Reinen: Dass Siegfried Keppler es bis heute nicht pünktlich zum Mittagessen schafft.

    Siegfried Keppler saß im Gemeinderat und im Ulmer Bauausschuss

    Lázár hebt vor allem den Einsatz des Altstadtrats für Ulm, Ungarn und Deutschland hervor. Kienle würdigt den Jubilar als "Friedensingenieur". Die Ulmer CDU hat ihm eine Friedenseiche gestiftet, die unweit des Ulmer Hauptbahnhofs wächst. Frieden. Der heute 90-Jährige kam 1933 zur Welt, sein Vater erlebte beide Weltkriege und gab dem jungen Siegfried eine Botschaft mit: "Bua, nie wieder Krieg." Das hat der Jubilar immer wieder erzählt, bei der Feier erinnert Manuel Hagel daran. Der Fraktionsvorsitzende der Union im Stuttgarter Landtag ist gekommen, um Keppler die Konrad-Adenauer-Medaille zu verleihen. Träger des Bundesverdienstkreuzes ist der Ulmer bereits. Die freiheitliche Demokratie funktioniere nur, weil engagierte Staatsbürger sie tragen, betont Hagel. 30 Jahre lang saß Keppler im Gemeinderat, im Bauausschuss gestaltete der Ingenieur die Entwicklung der Stadt mit. Mit viel Expertise, wie OB Czisch rühmt. Wohnungsbau, aber auch der Einsatz erneuerbarer Energien, lagen ihm am Herzen. 2019, mit 86 Jahren, verpasste Keppler die Wiederwahl knapp. Abseits der Politik setzte und setzt er sich für die St.-Hildegard-Schule und den Botanischen Garten ein.

    Staatstragend geht es an diesem Tag im Restaurant Marienfried nicht immer zu. Bevor das Wild auf den Tisch kommt, servieren die Gäste reihenweise Anekdoten. Einmal bedeckt Minister Lázár das Gesicht mit beiden Händen, während Alt-OB Ivo Gönner laut lacht. Keppler und Lázár hatten in Ungarn ein Fasan geschossen, den der Stadtrat dem Stadtoberhaupt mitbrachte. Samt Anleitung, wie der Vogel zu rupfen sei und der Empfehlung, einen Braten zuzubereiten. Gunter Czisch berichtet von Strafzetteln fürs Falschparken vor dem Rathaus und erzählt von den Schachtelfahrten auf der Donau: "Sigi Keppler hatte immer ein Fernglas dabei, das er für einen Euro vermietet hat, wenn ein Badestrand kam."

    Früherer Kreisjägermeister geht noch heute in Hirbishofen zur Jagd

    Als die Berliner Mauer fiel, wurde Siegfried Keppler erstmals in den Gemeinderat gewählt. An der Demokratie mitgebaut hat er auch auf andere Weise. Mit seinem Ingenieurbüro arbeitete er am Reichstagsgebäude mit. Die Firma hat der Ulmer 1954 gegründet, noch heute geht er täglich ins Büro in der Bleichstraße. Und in den Wald. "Ich bin halt langsam", sagt der 90-Jährige. Wegen des weichen Bodens brauche er zwei Stöcke. Wenn er die kranken Bäume mit einer Sprühdose markiere, dauere das seine Zeit. Aber es halte ihn fit und bei Kondition. Die Vormittage verbringt der Mann üblicherweise in Ulm, nachmittags fährt er auf den Hof in Hirbishofen. Gleich hinter seinem Grundstück will Siegfried Keppler eine hölzerne Kapelle errichten lassen. Doch weil der Bauunternehmer im vergangenen Jahr überraschend starb, sind die Pläne bislang nicht umgesetzt worden.

    Dass die Gäste der Einladung gefolgt sind, nennt Keppler "ein großes Geschenk". Mit seinen einleitenden Worten ist er noch nicht fertig, als die Jagdhornbläser das Große Halali anstimmen. "Das ist das Signal, dass deine Begrüßung zu Ende ist", ruft Ivo Gönner. So sei er in seinen 30 Jahren im Gemeinderat nie zurechtgewiesen worden, scherzt Keppler. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Mehr als drei Sätze hat er dort für seine Botschaften selten gebraucht.

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