Das war‘s wohl erst mal mit Shopping in der Ulmer Fußgängerzone: Am Mittwochmittag hatte das Müller-Kaufhaus noch auf sämtlichen Stockwerken geöffnet. Doch am Dienstagabend hatte die Ulmer Stadtverwaltung „nach gründlicher Prüfung“ verfügt, dass die Verkaufsbereiche vom ersten bis zum dritten Obergeschoss zu schließen sind. Das heißt: Es sollte eihentlich ab Donnerstag nur noch Drogerieartikel bei Müller in Ulms Einkaufsherz. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagt dazu Ulms OB Gunter Czisch, der sich am Mittwochnachmittag persönlich ein Bild des Kaufhauses machte. Allerdings lässt sich Müller Zeit: Am Gründonnerstagmittag war das Kaufhaus noch komplett geöffnet.
Bei Müller in Neu-Ulm oder Senden gibt es noch Spielwaren
In den Müller-Filialen in Neu-Ulm oder Senden hingegen wird es wohl weiterhin Spielwaren, CDs und Co geben. Auch in Bayern werden laut Infektionsschutzmaßnahmenverordnung Mischbetriebe wie Müller nach dem Schwerpunktprinzip beurteilt. Das heißt: Sie können laut Auskunft des Neu-Ulmer Landratsamts insgesamt öffnen, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im erlaubten Bereich liegt. Dies sei für jede Filiale im Einzelnen zu prüfen. Überwiege das Drogeriemarktsortiment, darf in der Filiale auch nicht erlaubte Ware (etwa Schreibwaren, Spielzeug) verkauft werden. Noch sind die Filialen offen, sollte sich ein Bürger darüber beschweren, könnte eine Prüfung dies möglicherweise ändern.
Offen bleiben in Ulm nach Auskunft der Bürgerdienste auch der komplette Kaufland samt Marktkauf (jetzt Edeka). Dort überwiege der erlaubte Sortimentsteil, weshalb dort alle Sortimente vertrieben werden dürfen, die gewöhnlich auch verkauft werden.
Baumärkte locken aus dem Kreis Neu-Ulm nach Ulm
Besonders drastisch sind die Unterschiede bei der Beurteilung von Baumärkten: Während in Ulm Hornbach, Bauhaus und Co für alle geöffnet haben, dürfen in Neu-Ulm – wenn überhaupt – nur Gewerbetreibende einkaufen. Der „Sonderpreis Baumarkt“ in Senden machte gleich ganz dicht. „Das führt natürlich zu immensen Wettbewerbsverzerrungen“, kommentiert Oliver Stipar, der Neu-Ulmer Regionalgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK). Außerdem sei es ja auch nicht „im Sinne des Erfinders“, wenn die Ulmer Baumärkte voller denn je seien. Am vergangenen Samstag musste, wie berichtet, die Polizei in der Blaubeurer Straße einschreiten und auf Abstandsregelungen hinweisen.
Mit Blick auf eine kommende Lockerung der Beschränkungen fordert Stipar ein besser abgestimmtes Vorgehen der zwei Bundesländer. Es könne nicht sein, dass etwa in Ulm die Einkaufszentren früher geöffnet werden als in Neu-Ulm. Die Stimmung in der Neu-Ulmer Glacis-Galerie ist ohnehin am Boden. So verkauft etwa Rewe weiterhin Blumen, während die Ware des einzigen Blumenhändlers der Glacis-Galerie im Schaufenster verwelkt. 4000 Euro Miete muss dieser nach Informationen unserer Zeitung weiterhin zahlen. Und das bei null Einkommen.
Eisdielen haben in Bayern offen, in Ulm geschlossen
Einkommen haben hingegen die Eisdielen im Landkreis Neu-Ulm. Auch das Iller-Café im Sendener Iller-Center hat nach einiger Zeit der Verunsicherung wieder zur Mitnahme aufgemacht. In Ulm hingegen ist ein „Außer-Haus-Verkauf“ nicht zulässig. Die Ulmer Eisdielen greifen deswegen in die Trickkiste: Denn der Lieferservice bei Miraval oder Voi Gelato ist noch geöffnet. Und geliefert werde auch vor die eigene Ladentüre – mit dem bestimmten Hinweis, dass der Verzehr allerdings woanders erfolgen muss. Dass sich Müller mit Spielwaren einen großen Teil des Ostergeschäfts sicherte, findet Jürgen Gänßlen, der Geschäftsführer des Spielwaren-Traditionsgeschäfts am Ulmer Marktplatz, sehr ärgerlich. Wichtige Lieferanten wie die Firmen Schleich oder Ravensburger würden bei ihm mit Zahlungsforderungen auf der Matte stehen.
„In der Krise gibt es keine Gerechtigkeit“, lautet das Fazit von OB Czisch. Er persönlich hätte sogar das Müller-Kaufhaus aufgelassen. Doch es habe nach Prüfung der Bestimmungen keine Möglichkeit dafür gegeben. Zum Glück, so Czisch, seien die meisten Menschen der Region vernünftig. Wegen 500 Menschen, die unvernünftig seien, wolle er aber nicht die ganze Stadt in „Geiselhaft nehmen“. Deswegen sieht er keinen Lösungsansatz darin, Naherholungsgebiete wie die Friedrichsau abzusperren. „Die Leute müssen und sollen ja raus.“ Es habe schließlich nicht jeder 200 Quadratmeter Wohnfläche und einen eigenen Garten.
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