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Ulm/Neu-Ulm: Warum es beim Donaufest auch um Prostitution und Menschenhandel geht

Ulm/Neu-Ulm

Warum es beim Donaufest auch um Prostitution und Menschenhandel geht

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    Prostitution gehört zu den lukrativsten Geldquellen des organisierten Verbrechens. Deutschland, das Land mit dem liberalsten Prostitutionsgesetz in der EU, ist Importland Nummer 1.
    Prostitution gehört zu den lukrativsten Geldquellen des organisierten Verbrechens. Deutschland, das Land mit dem liberalsten Prostitutionsgesetz in der EU, ist Importland Nummer 1. Foto: Boris Roessler, dpa (Symbolbild)

    28 Bordelle gibt es in Ulm, vier in Neu-

    90 Prozent der Prostituierten in Ulm/Neu-Ulm kommen nach einer Schätzung des Bündnisses aus Südosteuropa. Und davon wiederum die Hälfte aus Rumänien, einem Land an der Donau. Wie Christoph Hantel, der Leiter der Ulmer Volkshochschule sagt, sei es vor diesem Hintergrund "unmöglich" diesen Aspekt der Donau-Beziehungen auszublenden. Es sei geradezu eine Pflicht für die Ausrichter auch auf diese Schattenseiten hinzuweisen. Und das geschieht auf dem Donaufest, das in Ulm und Neu-Ulm vom 1. bis zum 10. Juli stattfindet, auf vielfältige Weise.

    Ein Themenzelt rund um Menschenhandel und Zwangsprostitution

    Der sichtbarste Part davon wird ein Themenzelt sein, das am Dienstag, 5. Juli, auf dem Markt der Donauländer aufgebaut wird. Verteilt wird dabei auch ein Faltblatt, das "Mythen" über das Thema Prostitution aufdecken soll, wie es Marietta Hageney, vom Ostalb-Bündnis gegen Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution, bei der Vorstellung des Programms ausdrückt. Die Methode: Insbesondere Gruppen junger Männer sollen von Frauen auf dem Donaufest "durchaus provokant" angesprochen werden. Etwa so: "Hey, warst Du schon mal im Bordell." Daraus, so Hageney, hätten sich in der Vergangenheit bei ähnlichen Aktionen fruchtbare Diskussionen ergeben. Diskussionen, die Männer mit den "Mythen" der Prostitution konfrontieren sollen. Etwa mit der Auffassung, dass Prostitution ein "ganz normaler Job" ist.

    Denn Zahlen würden ein anderes Bild zeigen: 60 bis 80 Prozent der Prostituierten würden während der "Arbeit" regelmäßig missbraucht. Körperlich oder psychisch. Prostituierte seien grundsätzlich massiven Druck ausgesetzt: von Freiern, Zuhältern und Bordellbetreibern. Neun von zehn Prostituierten könnten laut dem Flyer der Gruppe "Sisters – für den Ausstieg aus der Prostitution! die Arbeit nur mithilfe von Alkohol oder Drogen ertragen. Zudem hätten Prostituierte ein 20 Prozent höheres Risiko eines gewaltvollen Todes zu sterben als der Rest der Bevölkerung. Deswegen lehnt das Bündnis auch den Begriff "Sexarbeit" ab, denn er suggeriere, dass Prostitution eine ganz normale Arbeit sei.

    Ein Auge habe das Bündnis auch auf die besondere Situation von Geflüchteten aus der Ukraine. Hageney wisse von Werbe-Flyern, die Zuhälter an Frauen verteilt hätten. "Der Flüchtlingsrat ist sensibilisiert", sagt die im Bündnis aktive Stadträtin Eva-Maria Glathe-Braun (Linke). Die Polizei aus Ulm habe auch bereits in einem Treff von Frauen aus der

    Prostitution wird durch moderne Hotels begünstigt

    Wie Beyer zudem berichtet, habe sich seit der Pandemie auch in der Region die Anbahnung der Prostitution ins Internet verlagert. Nachdem es immer mehr Hotels mit Check-in am Automaten gebe, sei auch hier eine Hemmschwelle für Prostituierte und Freier weggefallen. Bayern warnt aber in diesem Zusammenhang vor dem Trugschluss, dass dies ein Zeichen dafür sei, wie sich Prostitution im Falle eines Verbots entwickeln werde. Das "Nordische Modell" ("Sexkaufverbot") habe gezeigt, wie die Nachfrage nach Prostitution reduziert werden könne. Untersuchungen in Schweden und Norwegen hätten zudem gezeigt, dass es keine Hinweise auf ein "Abrutschen in die Illegalität" der Prostitution gebe. Denn wenn Freier die Frauen finden, finden sie auch Hilfsvereine.

    Licht in dieses dunkle Feld soll am Donnerstag, 7. Juli, Helmut Sporer bringen. Der Leiter des Kommissariats 1 der Kripo in Augsburg ist einer der Teilnehmer einer Podiumsdiskussion im Ulmer Stadthaus (Beginn 19.30 Uhr). Sporer kennt die negativen Auswirkungen des umstrittenen Prostitutionsgesetzes auf die Lage der Frauen genau. Er geht davon aus, dass die meisten Prostituierten nur „scheinbar freiwillig oder selbstständig arbeitende Frauen“ sind, 90 Prozent der Frauen würden ihren Körper nicht freiwillig verkaufen. Um das zu ändern, formulierte er schon vor Jahren den "neuen deutschen Weg" - Neuerungen, die die Frauen besser schützen und die Verfolgung und Bestrafung von Kriminellen in diesem Bereich ver­bessern sollen. Für Hageney ist davon unabhängig auch klar, dass sich das Problem des Menschenhandels ohne Projekte in Südosteuropa nicht lösen lasse. "Ganz Deutschland verlässt sich in der Altenhilfe auf Polen und im Sexgeschäft auf Rumänien, Bulgarien und Ungarn." Notleidenden Frauen dort brauchten eine Perspektive.

    Das Thema Prostitution auf dem Ulmer Donaufest

    Mit insgesamt sechs Veranstaltungen wollen die Ulmer Volkshochschule, das Bündnis gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution sowie das Frauenbüro der Stadt Ulm ein Umdenken herbeiführen. Neben den genannten rückt das Einsteinhaus am Wochenende 2./3. Juli ins Zentrum des Geschehens: Kurzfilm, Fotoausstellung und eine Lesung zeigen das Elend hinter der Prostitution. Am Theater Ulm ist am Samstag, 2. Juli, sowie am Sonntag, 3. Juli (um 19.30 Uhr), zudem ein "Dokumentartheater" aus Rumänien zu sehen: Das Stück "Kinderkörper" dreht sich um Pädophilie.

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