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Ulm: Nach Entlassungen: Bei Abt in Ulm geht die Angst um

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Nach Entlassungen: Bei Abt in Ulm geht die Angst um

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    Das Kaufhaus Abt in der Ulmer Hirschstraße.
    Das Kaufhaus Abt in der Ulmer Hirschstraße. Foto: Alexander Kaya

    Die Corona-Krise beutelt den Einzelhandel brutal. Aber dieser Schritt? „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Unternehmen mit 20.000 Beschäftigten 21 Leute nicht halten kann“, kritisiert Maria Winkler, Bezirksgeschäftsführerin der Dienstleistungsgesellschaft Verdi. 21 Angestellte im Kaufhaus Abt hat der Müller-Konzern entlassen, darunter dem Vernehmen nach auch alleinerziehende Mütter und langjährige Beschäftigte.

    Müller rechtfertigt den Einschnitt mit den Einbußen durch die Zwangsschließung des Ulmer Traditionskaufhauses, das der Konzern vor drei Jahren übernommen hat. Nur durch die Entlassungen könne die Existenz des Kaufhauses gesichert werden. Für die Gewerkschafter ist das Augenwischerei. Denn die Corona-Richtlinien haben den Konzern von Drogeriekönig Erwin Müller deutlich schwächer getroffen als viele andere Kaufleute. Die Drogeriemärkte der Kette seien doch durchgehend geöffnet gewesen, erinnert Winkler. Bei anderen Firmen, die von den Auflagen härter betroffen waren, seien keine Entlassungen bekannt. Der Verdi-Bezirk Ulm-Oberschwaben, für den Winkler zuständig ist, umfasst die Stadt Ulm und sieben Landkreise.

    Ulm: Gewerkschaft Verdi macht dem Konzern von Drogeriekönig Erwin Müller schwere Vorwürfe

    Die Gewerkschafter haben den Verdacht, dass Müller die Corona-Krise als Vorwand nutzt. Als der Konzern des Milliardärs das Traditionshaus am Münsterplatz übernahm, waren dort rund 100 Frauen und Männer beschäftigt. Zuletzt arbeiteten nur noch 70 Beschäftigte im Kaufhaus, das im vergangenen Sommer in das frühere K&L-Gebäude in der Hirschstraße umgezogen ist. Wer in Rente ging oder kündigte, dessen Stelle wurde nach Verdi-Informationen nicht mehr neu besetzt. Durch die jüngsten Entlassungen hat Müller die Abt-Belegschaft in nur drei Jahren halbiert.

    Anders als zunächst berichtet, blieb es Ende März nicht bei Ankündigungen der Entlassungen. Wie Verdi in Erfahrung brachte, erhielt zwar am 28. April jeder Abt-Angestellte ein Schreiben mit dieser Ankündigung – ohne Zahl der abgebauten Stellen, aber mit der klaren Anweisung, mit niemandem über das Thema zu sprechen. Verdi-Geschäftsführerin Winkler spricht von einem Klima der Angst. Fast alle Beschäftigten duckten sich weg und trauten sich mit ihren Sorgen nicht an die Öffentlichkeit, um nicht auch noch gefeuert zu werden. „Da geht die reine Angst um“, berichtet die Gewerkschafterin. Für sie ist das Vorgehen des Konzerns keine Überraschung. „Das passt genau in die Linie, die wir seit 20 Jahren von Drogerie Müller kennen“, sagt Winkler. Am gleichen Tag, an dem alle Mitarbeiter von den geplanten Kündigungen erfuhren, wurden einige zu Gesprächen in die Zentrale einbestellt und erfuhren dort, dass sie ihren Job verlieren. Wegen des verordneten Maulkorbs blieb zunächst unklar, wie viele Stellen Müller im Kaufhaus Abt gestrichen hat.

    Belegschaft im Kaufhaus Abt in Ulm wurde in nur drei Jahren um die Hälfte gekürzt

    Nicht nur die verbleibenden Angestellten dort haben Angst um ihre berufliche Existenz. Sorgen hätten die Beschäftigten auch bei den anderen Unternehmen im Einzelhandel und in vielen anderen Branchen. Die Gewerkschaft habe alle Hände voll zu tun, Mitglieder und Betriebsräte zu beraten und zu unterstützen, berichtet Verdi-Frau Winkler. Betriebsräte gibt es bei Müller nicht. Deswegen ist auch nicht klar, nach welchen Kriterien der Konzern die gefeuerten Abt-Mitarbeiter ausgewählt hat. Ein Unternehmenssprecher hatte mitgeteilt, man sei bemüht, den Personalabbau so sozial verträglich wie irgend möglich zu gestalten.

    Nach Informationen des SWRhandelt es sich bei den Entlassenen überwiegend um Verkäuferinnen und Kassiererinnen. Bei den verbliebenen Beschäftigten setzt der Konzern in ganz Süddeutschland eine vereinbarte Tariferhöhung aus, informiert wurden diese nach Angaben von Verdi lediglich mit einem Aushang.

    Relative Sicherheit haben dagegen die Ulmer Kaufhof-Beschäftigten. Die schon vorher angeschlagene Kette Galeria Karstadt Kaufhof nutzt ein Schutzschirmverfahren zur Sanierung. Kurzarbeit und Entlassungen sind deswegen ausgeschlossen, die Mitarbeiter erhalten Insolvenzgeld.

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