Sie ist wohl nach einer früheren Gaststätte oder nach dem aus Nordafrika stammenden Heiligen Mauritius benannt. Und die Mohrengasse in Ulm soll ihren Namen behalten. Diese Empfehlung hat die Arbeitsgemeinschaft (AG) Straßenbenennung am Dienstag ausgesprochen. Allerdings soll nicht einfach alles beim Alten bleiben.
Zusätzlich zum Straßenschild soll eine Hinweistafel aufgestellt werden, die sich mit dem Namen auseinandersetzt. „Es wird nicht nur eine Zeile unter dem Straßenschild sein“, verspricht Ulms Kulturbürgermeisterin Iris Mann.
Neuer Name für Mohrengasse in Ulm? Vorstoß kam von SPD-Politiker Martin Rivoir
Die AG Straßenbenennung setzt sich aus Mitgliedern aller Gemeinderatsfraktionen zusammen, die Empfehlung ist ein Kompromiss. Der Vorstoß, einen neuen Namen zu finden, war vom SPD-Politiker Martin Rivoir gekommen. Andere hatten sich vehement gegen eine Umbenennung ausgesprochen. Auch Historiker verweisen darauf, dass der Begriff Mohr historisch nicht abwertend gemeint war. Andere sehen Rassismus und eine Verherrlichung der kolonialistischen Vergangenheit. Und sie kritisieren, dass sich das Verständnis gewandelt habe und das Wort daher durchaus als negativ zu verstehen sei.
Die AG Straßenbenennung hat Stadtarchivar Michael Wettengel und DZOK-Leiterin Nicola Wenge befragt – beide sind Historiker. Und sie hat Stimmen aus der afrikanischen Community in der Stadt eingeholt. Bei letzteren war das Meinungsbild vielfältig: Manche sahen Rassismus, andere wollten den Namen beibehalten und wieder andere fühlten sich gar nicht angesprochen.
Iris Mann: Umbenennung der Mohrengasse in Ulm hält sie für falsch
Auch wegen dieser unterschiedlichen Sichtweisen hat sich die Arbeitsgemeinschaft auf ihren Vorschlag geeinigt. Der wird nun dem Ältestenrat des Gemeinderats und je nach dessen Entscheidung noch dem gesamten Gremium vorgelegt. Eine Umbenennung der Mohrengasse halte auch sie persönlich für falsch, sagt Iris Mann: „Das Schild einfach auszutauschen wäre einfacher. Aber wir fanden das zu kurz gedacht.“
Durch die Hinweistafel werde man der Debatte, den unterschiedlichen Ansichten und vor allem der Wandlung des Begriffs besser gerecht. Dass Deutschland auch eine kolonialistische Vergangenheit habe, die manche in dem Straßennamen verherrlicht sehen, dürfe man nicht verschweigen.
Soll der Hindenburgring in Ulm nicht mehr Hindenburgring heißen?
Die Mohrengasse, die vom Marktplatz zum Weinhof führt, wird wohl die Mohrengasse bleiben. Eine andere Straße aber soll ihren Namen verlieren: Der Name des Hindenburgrings war nach der Diskussion rund um die Heilmeyersteige die erste große Aufgabe, der sich die im Herbst 2018 gegründete AG Straßenbenennung gewidmet hat. Und wie erst jetzt bekannt wurde, hat die Arbeitsgemeinschaft bereits Anfang 2020 die Empfehlung gefasst, einen neuen Namen zu suchen. Doch wegen der Corona-Pandemie wurde das Thema, das im Gemeinderat weiter behandelt werden sollte, vorerst zurückgestellt.
Auch hier steht also noch die finale Entscheidung aus. Wenn der Gemeinderat der Empfehlung folgt, bekommt die Arbeitsgemeinschaft eine weitere Aufgabe: einen neuen Namen für den Hindenburgring zu suchen. Dessen Pate, der Weltkriegsgeneral und Reichspräsident Paul von Hindenburg bereitete Adolf Hitler den Weg zur Macht. Das und die Mythenbildung, Deutschland sei im Feld unbesiegt geblieben und habe den Ersten Weltkrieg nur durch den Dolchstoß der Sozialdemokraten verloren, sah die Arbeitsgemeinschaft als ausschlaggebend an: Hindenburg dient nicht als Vorbild, deswegen darf er kein Namensgeber einer Ulmer Straße sein.
Warum die Heilmeyersteige in Ulm umbenannt wird
So hatte der Gemeinderat auch bei der Umbenennung der Heilmeyersteige argumentiert. Ludwig Heilmeyer hat Verdienste um die Stadt, er war Gründungsrektor der Universität. Doch er stand dem nationalsozialistischem Regime nahe. Die nach ihm benannte Straße wird im Dezember in Eselsbergsteige umbenannt. Dann ändert sich der Bus- und Straßenbahnfahrplan. Diese Gelegenheit sah die Stadt als passend an, die Schilder auszutauschen. Zudem war ein Vorlauf nötig. Bereits davor ist der Heilmeyersaal im Grünen Hof in Felix-Fabri-Saal umbenannt worden.
Eine Sache, die Heilmeyer sich zuschulden kommen hatte lassen, führt nun zu einer weiteren Veränderung. Heilmeyer hatte nach dem Zweiten Weltkrieg ein vom jüdischen Hämatologen Hans Hirschfeld verfasstes Lehrbuch unter seinem Namen neu herausgegeben. Hirschfeld war 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt umgekommen.
Der in Berlin geborene Arzt soll nun an Heilmeyers Stelle gewürdigt werden: Nach dem Vorschlag der AG soll der Kreisverkehr am nördlichen Eingang der Wissenschaftsstadt, an dem auch die Straßenbahn verkehrt, künftig Hirschfelds Namen tragen. Und aus Gründen der Parität bekommt der andere große Kreisel auf dem Oberen Eselsberg den Namen einer Frau: den von Marie Curie, der mit zwei Nobelpreisen ausgezeichneten Physikerin und Chemikerin.
Arbeit der AG Straßenbenennung geht weiter: Auch andere Straßen in Ulm könnte es treffen
Die Arbeit der AG Straßenbenennung indes geht weiter: man prüfe weitere Anregungen von Bürgern, sagt Iris Mann. Um welche Straßen es geht, solle noch nicht nach außen dringen. Man sei bei den Recherchen nicht weit genug. Das Verfahren jedenfalls bleibe vorerst gleich: Die AG wird auf Anfrage aktiv, ändern könne sich das nur auf lange Sicht: „Die Arbeit ist äußerst zeitintensiv“, sagt Mann. Und: „Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist nicht besonders groß. Wir wollen sensibel vorgehen, sonst bewirken wir am Ende das Gegenteil.“
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