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Ulm: Uralte Technik: Mit dem Eisgalgen bleibt das Bier bis zum Spätsommer kalt

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Uralte Technik: Mit dem Eisgalgen bleibt das Bier bis zum Spätsommer kalt

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    Rutschen die Temperaturen unter null Grad, produziert der Galgen der Söflinger Kronenbrauerei das Eis, das den Keller in den nächsten Monaten kalt halten wird.
    Rutschen die Temperaturen unter null Grad, produziert der Galgen der Söflinger Kronenbrauerei das Eis, das den Keller in den nächsten Monaten kalt halten wird. Foto: Marcel Russ (Archivbild)

    Energie ist teuer. Bier aber braucht zur Herstellung und zur Lagerung kühle Temperaturen. Brau- und Mälzmeister Marcel Russ von der Söflinger Kronenbrauerei ist stolz auf den Eisgalgen der Brauerei, über den das Bier auf ökonomische und ökologische Weise strom- und kühlmittelsparend seine Kühlung bekommt: Rutschen die Temperaturen unter null Grad, produziert der Galgen das Eis, das den Bierkeller der

    Die Söflinger Kronenbrauerei wartet auf die „Eisernte“

    Marcel Russ hat den Wetterbericht genau im Blick. Die nächsten Nächte sollen kalt werden, auch tagsüber bleibt es wohl unter null. Russ freut das: Im Familienbetrieb – die Familie Russ betreibt die Brauerei im historischen Söflinger Ortskern in der fünften Generation – ist schon abgesprochen, wann die ausgeklügelte Bewässerungsanlage angeschaltet wird, die die Eiszapfen am Galgen wachsen lassen wird. Von der „Eisernte“ spricht Marcel Russ und meint damit jenen Tag, an dem die riesigen Eiszapfen dann mit Holzschlegeln und Pickeln abgeschlagen werden. 

    Mälzmeister Marcel Russ ist stolz auf den Eisgalgen der Brauerei.
    Mälzmeister Marcel Russ ist stolz auf den Eisgalgen der Brauerei. Foto: Dagmar Hub

    Danach werden sie in den Eis-Lagerkeller, der 400 Kubikmeter Eis fasst und eine Lagerkapazität von 500 Hektolitern Bier hat, geschafft und dort verteilt. „Das ist schon Knochenarbeit“, erklärt der 30-Jährige. Die Mühe aber lohnt: Weil das Eis den Keller konstant auf null Grad kühlt, reduziert diese traditionelle und uralte Kühlmethode die Energiekosten der Brauerei enorm. Früher, erzählt Marcel Russ, hatte die Kronenbrauerei noch einen alten hölzernen Galgen. Der aber wurde morsch – und der Familienbetrieb schaffte den Eisgalgen nicht wie viele andere Brauereien ab, die auf Kühlmaschinen setzten, sondern ersetzte ihn durch einen stählernen. 

    Seit dem 19. Jahrhundert wird in dem Ulmer Stadtteil Bier gebraut

    Wie das früher war, weiß Marcel Russ: Im Sommer 1887 eröffneten seine Vorfahren eine Brauerei mit Gaststätte – in einem historischen Gebäude, in dem sich bis dahin die Söflinger Schule befunden hatte. Zu jener Zeit wurde das in der Söflinger Ortsmitte gebraute Bier mit Pferden zum Reifen und Kühlhalten in den „Kronenkeller“ bei Ehrenstein gefahren, der sich bis 1960 zudem als Sommerwirtschaft großer Beliebtheit erfreute. Gebraut werden durfte aus hygienischen Gründen früher nur bis März (woher auch die Sortenbezeichnung „Märzenbier“ kommt). 

    Bier entwickelt seine Aromen am besten bei rund zehn Grad, erklärt Russ. Der Reifeprozess dauert bei dieser Temperatur etwa acht bis zwölf Wochen. „Minimum sind drei Wochen.“ Und zur Kühlung betrieben die Vorfahren schon den Eisgalgen, denn über eine traditionelle andere Kühlmethode mit aus zugefrorenen Seen ausgesägtem Eis verfügte man in Söflingen nicht. 

    Erwiesen ist, dass im Sommer mehr Bier als im Winter getrunken wird. Aber gerade die Saisonbiere, die der Familienbetrieb für die Weihnachtszeit und für die Faschingszeit herstellt, oder der „Eisbock“ sorgen für regen Umsatz. „Das Weihnachtsbier hat man uns dieses Jahr richtiggehend aus den Händen gerissen“, erzählt Marcel Russ. „Es war am Tag vor Heiligabend verkauft.“ Nun steht das Faschingsbier, das schon abgebraut ist und einen hohen Stammwürzegehalt hat, in den Startlöchern – und das Märzenbier, das ebenfalls etwas stärker ist, weil es in alter Zeit in der Fastenzeit auch für Kalorien sorgte. 

    Der Eisbock ist eine Spezialität der Kronenbrauerei Söflingen

    „Die vollmundigen Raritäten kommen sehr gut an“, ist Russ' Erfahrung. Wie sie hergestellt werden, ist natürlich ein Geheimnis – aber Marcel Russ verrät, dass das würzige und leicht süßliche Aroma durch höhere Temperaturen beim Abdarren entsteht, weil dann der Zucker im Gerstenmalz karamellisiert. Diese Vorgehensweise färbt das Bier auch dunkler. Der „Eisbock“, benannt nach einem ursprünglichen und synonymischen Bezeichnung für den Eisgalgen, ein untergäriges Starkbier mit relativ hohem Alkoholgehalt und einer Stammwürze von über zwanzig Prozent, hat sogar eine ziemlich dunkle Farbe. 

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