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Ulm/Landkreis Neu-Ulm: Gas-Embargo hätte "unermessliche Konsequenzen" für Firmen in der Region

Ulm/Landkreis Neu-Ulm

Gas-Embargo hätte "unermessliche Konsequenzen" für Firmen in der Region

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    Für zahlreiche Firmen aus der Ulmer Region und dem Landkreis Neu-Ulm wäre ein Embargo auf russisches Gas eine wirtschaftliche Katastrophe.
    Für zahlreiche Firmen aus der Ulmer Region und dem Landkreis Neu-Ulm wäre ein Embargo auf russisches Gas eine wirtschaftliche Katastrophe. Foto: Roman Pilipey, dpa (Symbolbild)

    Kommt das Embargo auf russisches Gas? Spätestens seitdem am Sonntag die Bilder der mutmaßlich von russischen Streitkräften begangenen Kriegsgräuel aus der ukrainischen Kleinstadt Butscha um die Welt gingen, muss sich die Bundesregierung wieder mit dieser Frage auseinandersetzen. Noch betonen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Unentbehrlichkeit des russischen Energieträgers für die Aufrechterhaltung der deutschen Wirtschaft. Gleichzeitig rief Habeck kürzlich die Gas-Frühwarnstufe aus, Vorbereitungen für den Ernstfall werden getroffen. Während Ökonomen über die Folgen eines möglichen Lieferstopps spekulieren, sähen sich zahlreiche Firmen aus Ulm und dem Landkreis Neu-

    "Es ist eine mehr als angespannte Lage", sagt Franz König vom Ulmer Unternehmen Schwäbische Härtetechnik (SHU) auf Anfrage unserer Redaktion. "Sollte es zu einem Embargo gegen russisches Erdgas kommen und keinen Ersatz geben, müssten wir wohl im Oktober unsere Produktion herunterfahren." In Kürze hat der Betrieb, welcher auf Lohnhärterei spezialisiert ist, einen Termin mit den Ulmer Stadtwerken (SWU). König erklärt den Hintergrund des Gesprächs: "Wir sind jetzt in der ersten Stufe des Notfallplans Gas. Für uns heißt das, dass wir bei den

    Im Ernstfall entscheidet Bundesnetzagentur über Verteilung von Gas

    Sollte der Ernstfall eintreten, und aus Russland würde kein Erdgas mehr importiert werden, muss die Bundesnetzagentur festlegen, wer noch mit Gas versorgt wird und wer nicht – über die sogenannte "hoheitliche Zuteilung". Vorrang hätten dann Privathaushalte, soziale Institutionen wie Krankenhäuser oder Gaskraftwerke, die elementar für die Stromversorgung sind. Das Nachsehen hätten weite Teile der Industrie.

    "Meinem Chef sage ich immer, dann spielt es auch keine Rolle mehr, ob wir am 1. oder am 10. Oktober kein Gas mehr erhalten", so König mit verzweifeltem Unterton. Welche Umstellungsmöglichkeiten bleiben der SHU in der Kürze der Zeit? König: "Das Einzige, was wir aktuell machen können, ist, Druck über unseren Verband auf die Politik auszuüben. Und zu hoffen."

    IHK Schwaben: Bundesregierung muss Unternehmen schnell entlasten

    So wie der Firma SHU geht es zahlreichen energieintensiven Betrieben in der Region. Nina Reitsam von der IHK Schwaben, spezialisiert auf Energiefragen, ordnet die aktuelle Lage in ein größeres Spektrum ein: "Wegen enorm steigender Energiepreise kamen bereits im vergangenen Herbst viele Unternehmen auf uns zu." Für ein Viertel der bayerisch-schwäbischen Firmen seien die Energiepreise innerhalb eines Jahres um 100 Prozent angestiegen. "Wenn die Erdgaslieferungen abnehmen oder gar komplett eingestellt werden sollten, werden die Preise noch stärker steigen." Was die Firmen im Landkreis Neu-Ulm im Einzelnen für Notfallpläne haben, könne sie derzeit nicht sagen. Eines wisse sie aber: "Viele Unternehmen wollen sich langfristig resilienter aufstellen, also verstärkt auf fossile Energieträger verzichten."

    Noch ist es aber nicht so weit, aktuell würden etliche Betriebe bei einem Gas-Lieferstopp in schwere Bedrängnis geraten. Deshalb fordert die IHK die Bundesregierung dazu auf, die Unternehmen möglichst schnell zu entlasten. "Die Energiesteuer auf Erdgas müsste dringend gesenkt werden", sagt Reitsam. Die derzeitigen Belastungen seien schlichtweg zu hoch.

    Neu-Ulm: Honold Logistik Gruppe rüstet um von Gas- auf Stromheizung

    Matthias Honold ist angekratzt angesichts der momentanen Diskussionen. Er ist Chef der Honold Logistik Gruppe in Neu-Ulm; einer der ersten Firmen in der Region, die auf den Krieg in der Ukraine reagierte. Innerhalb weniger Tage richtete er in seinem Unternehmen eine Taskforce ein, ein "5-Mann-Team", wie Honold es nennt. Deren Aufgabe: Wie rettet sich der Betrieb in den nächsten Winter hinein, sollten die Gaslieferungen wegfallen? Das Unternehmen habe schließlich riesige Lagerhallen zu beheizen, unter anderem in Neu-Ulm. "Allein am Standort Neu-Ulm haben wir kurzfristig einen hohen sechsstelligen Betrag investiert, um von Gas- auf Stromheizungen umzurüsten", sagt Honold. Aber auch hier macht er sich keine Illusionen: "Wenn die Gasversorgung zusammenbricht, wird es auch beim Strom Probleme geben. Alle werden plötzlich darauf zugreifen wollen."

    Auch wenn das Unternehmen sauber dastehe, so Honold: "Wenn die russischen Gaslieferungen ausblieben, das hätte unermessliche Konsequenzen – für die Firmen in der Region und den gesamten deutschen Mittelstand." Natürlich möchte auch er solidarisch mit der Ukraine sein, sagt Honold. Deshalb habe seine Firma unmittelbar nach Invasion der russischen Truppen einen großen Betrag gespendet. Und er sei Scholz und Habeck auch wirklich dankbar, dass beide die Situation so realistisch einschätzten. Aber eines "kotze ihn an: Da setzen sich unwissende Leute in die Talkshows und reden von Gas-Embargos, obwohl sie die Konsequenzen für viele Arbeitsplätze in Deutschland gar nicht nachvollziehen können", gerät Honold in Rage. Trotzdem sei er weiter optimistisch, dass es keinen Lieferstopp geben werde: "Zu 99 Prozent", sagt er. Von einem der größten Arbeitgeber der Region, den Wieland-Werken, war keine aktuelle Stellungnahme zur derzeitigen Situation zu bekommen.

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