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Prozess in Ulm: Kind getötet: Vater glaubte, er müsse seine kleine Tochter opfern

Prozess in Ulm

Kind getötet: Vater glaubte, er müsse seine kleine Tochter opfern

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    Am Landgericht Ulm hat am Dienstag der Prozess gegen einen 41-jährigen Mann begonnen, der in Wiblingen seine siebenjährige Tochter getötet hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor.
    Am Landgericht Ulm hat am Dienstag der Prozess gegen einen 41-jährigen Mann begonnen, der in Wiblingen seine siebenjährige Tochter getötet hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor. Foto: Thomas Heckmann

    Das Mädchen war vermutlich völlig arglos. Sein Vater gab vor, dass er mit ihm spielen wolle und ging mit ihm auf eine Wiese am Schulzentrum in Wiblingen. Dort fesselte er seiner Tochter mit einer Kordel die Hände auf den Rücken, was die Siebenjährige wohl immer noch für einen Teil des Spiels hielt. Dann holte der Mann ein Küchenmesser aus einem Turnbeutel und tötete das Kind mit einem Schnitt in den Hals. Zum Auftakt des Mordprozesses am Landgericht Ulm hat der Beschuldigte die am Ostermontag dieses Jahres begangene Bluttat gestanden. Und er sagte aus, warum er es getan hat. 

    Die Staatsanwaltschaft Ulm wirft dem Mann heimtückischen Mord vor

    Die Staatsanwaltschaft wirft dem 41-Jährigen heimtückischen Mord vor. Allerdings sei der Mann zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen, da er damals an einer schizophrenen Psychose gelitten habe. Die Anklagebehörde fordert deshalb, ihn in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Der Beschuldigte sei aufgrund seiner Krankheit für die Allgemeinheit gefährlich. 

    Der Mann habe im April dieses Jahres beschlossen, seine siebenjährige Tochter „einer höheren Macht zu opfern, sie zu töten“, so Oberstaatsanwalt Peter Staudenmaier. Die Mutter des Kindes sei gerade nicht zu Hause gewesen, so sei er mit der Tochter nach draußen gegangen, unter dem Vorwand „Indianer zu spielen“. Das Kind habe seinem Vater blind vertraut. Der habe das Mädchen in einem Rondell nahe der Schule erst gefesselt und dann mit einem Messer mit 20 Zentimeter langer Klinge getötet. Danach habe er einen Notruf abgesetzt und sich widerstandslos festnehmen lassen. Alkoholisiert war er den späteren Untersuchungen zufolge nicht, allerdings stand er unter dem Einfluss von Cannabis. 

    Die Frage des Vorsitzenden Richters Wolfgang Tresenreiter, ob sich die Tat so abgespielt habe, bejaht der Beschuldigte. „Stimmt“, bestätigt der 41-Jährige, ein nicht sehr großer Mann mit Halbglatze, der in einer dicken, dunklen Jacke neben seinem Anwalt sitzt. Er sei früher „ein großer Forscher“ gewesen. 25 Jahre lang habe er Cannabis geraucht und sich in jüngster Zeit viel mit Gott beschäftigt. „Ich habe verstanden, dass ich mein Kind opfern muss für Gott“, so die Begründung des Beschuldigten für das, was er getan hat. „Religion hat mich kaputt gemacht.“ 

    Über Notruf gestand er: „Ich habe meine Tochter umgebracht“

    Wieso sein Leben diese Wendung nahm, kann sich der Mann nicht erklären. „Normalerweise bin ich ein guter Mensch“, meint der serbische Staatsbürger, der von einer Dolmetscherin begleitet wird. Über seine Tochter sagt er: „Das war mein Engel.“ Auf Nachfrage erläutert er, dass er sich seit etwa ein bis zwei Jahren mit dem Gedanken getragen habe, sein Kind Gott zu opfern. Einen Monat vor der Tat, sei er dann hin- und hergerissen gewesen: „Ja – nein, ja – nein.“ Am Ostermontag fasste er endgültig den Entschluss. Warum er die kleinste Tochter und nicht eines seiner anderen Kinder getötet habe, will der Vertreter der Nebenklage, Alexander Oriold, wissen. Im Koran stehe, „das liebste Kind“ müsse geopfert werden, so der Beschuldigte. „Deshalb habe ich das gemacht.“ 

    Heute wisse er: „Das war hundertprozentig falsch.“ Und: „Ich habe meine Familie kaputt gemacht.“ Während des ersten Verhandlungstages kommen dem Mann mehrfach die Tränen. Zwischendurch zittert er stark. Auch, als das Gericht den Notruf abspielt, den der Beschuldigte unmittelbar nach der Tat absetzte. „Ich habe eine Straftat begangen“, meldete er dem Mitarbeiter in der Leitstelle. Was er denn getan habe, fragte dieser. „Mord, Mord“, schilderte der Anrufer. Auf mehrmalige Nachfrage gestand er schließlich: „Ich habe meine Tochter umgebracht.“ Der Mitarbeiter hielt den Mann so lange in der Leitung, bis drei Streifenwagen am Tatort waren. Neun Minuten und 14 Sekunden dauerte der Anruf. Danach wurde der 41-Jährige festgenommen. Für seine Tochter kam jede Hilfe zu spät.

    Das Gericht entscheidet über die Unterbringung des Mannes in der Psychiatrie

    Einen Tag nach der Bluttat im April fand die erste richterliche Vernehmung statt. Videoaufnahmen davon werden im Gerichtssaal gezeigt. Der Beschuldigte wirkt darin aufgebracht, verwirrt, aber auch großspurig und laut. „Wer den Mut dazu hat, der soll mir ins Herz schießen“, schreit er mehrfach. Die Worte seines Anwalts und des Richters scheinen nicht wirklich zu ihm durchzudringen. Immer wieder geht sein Blick ins Leere, dann hält er inne wie erstarrt. 

    Für das Sicherungsverfahren sind drei Verhandlungstage angesetzt. Zu allen Terminen ist ein psychiatrischer Sachverständiger geladen. Die Verhandlung wird am Freitag fortgesetzt. Dann soll auch die Mutter des Kindes, die sich dem Verfahren als Nebenklägerin angeschlossen hat, befragt werden. Das Urteil fällt voraussichtlich am Dienstag, 28. November. 

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