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Ulm: Joo Kraus verrät: Unter Druck kommen die besten Einfälle

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Joo Kraus verrät: Unter Druck kommen die besten Einfälle

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    In der Music Lesson mit Joo Kraus und Fola Dada ist das Publikum live dabei und sieht, wie ein neuer Song entsteht.
    In der Music Lesson mit Joo Kraus und Fola Dada ist das Publikum live dabei und sieht, wie ein neuer Song entsteht. Foto: Florian L. Arnold

    Seit einiger Zeit bietet Joo Kraus im Aegis Café in Ulm seine „Music Lessons“ an – ein offenes Format, in dem der 1966 in Ulm geborene Allrounder aus dem musikalischen „Nähkästchen“ plaudert. Zum Thema Rhythmus hat er da aus seinem reichen Erfahrungsschatz berichtet, ebenso Mysterien und Missverständnisse rund um die Blechblasmusik abgeräumt. In der dritten Music Lesson zeigte er mit Sängerin und Songwriterin Fola Dada live auf der Bühne, wie ein Song entsteht.

    Joo Kraus langer Weg zur Trompete

    Was da so locker-leicht im Improvisieren entstand, zeugt von einer langen Laufbahn mit unzähligen Erfahrungen, Erkenntnissen und Einsichten. Denn dem mit zwei Grammy-Nominierungen, fünf deutschen Jazzpreisen und einem Echo Jazz dekorierten Musiker Joo Kraus war die Lebensliebe Trompete nicht in die Wieg gelegt. „Mit acht Jahren habe ich erstmal Klavier gespielt“, erzählt er. Später kam Gitarre dazu und in der „Ulmer Knabenmusik“ lernte Kraus Disziplin, aber auch die Freude an der Improvisation. Seine Drummer-Karriere endete jäh, als er sein Instrument an eine Punkband verlieh und nie zurück bekam.

    Studieren wollte der junge Joo in Berkeley – doch dafür fehlte das Geld. Und weil es in den 1980ern in Deutschland noch keine Möglichkeit gab, Jazz und Popmusik zu studieren, wich er auf Orchestermusik aus. Das ist, nach allen Erfolgen in unterschiedlichsten Duo-, Trio- und Bandformationen, immer noch ein echter Traum. Wenn er die Mittel hätte, würde er gerne „eine Symphonie“ schreiben, freilich nichts Klassisches, sondern die Joo Kraus-gemäße Verwandlung klassischer Formen in etwas Neues. Einen Vorgeschmack bekamen die Ulmer immer wieder mal. So etwa mit dem Orchesterstück „Heroes“, das er für die Ulmer Philharmoniker schrieb und das wie ein erster Satz eines groß angelegten Trompetenkonzerts klingt.

    Weltkarriere mit Ulmer Wurzeln

    Erstmals trat Joo Kraus 1986 mit der Band deWinkelHattler in Erscheinung. 1987 wurde die Jazzrock-Band Kraan auf ihn aufmerksam, der er bis 1992 angehörte; dann kamen die legendären Jahre als „Tab Two“ mit dem Bassisten Hellmut Hattler. Es folgten Auftritte mit großen Legenden des Jazzgenres, aber auch Kraus‘ eigene Vermischung von Formen, insbesondere mit dem Hip-Hop machte ihn rasch zur Legende.

    In seinen „Music Lessons“ berichtet Kraus offen, uneitel, ehrlich von seinen Inspirationen, Erfahrungen und auch Rückschlägen. Und immer wieder betont er, dass die Trompete als „Instrument seines Lebens“ jeden Tag Übung und Achtung erfordert. „Sonst bleibt man nicht auf der Höhe.“ Dabei sehe der Tag des Musikers Joo Kraus manchmal erstaunlich langweilig aus: „Üben, Gedanken sammeln, Haushalt und Office.“ Und an manchen Tagen entstehen neue Songs – die Kraus häufig selbst textet – fast nebenbei. „Wo kommt das Thema her, der A-Teil, der B-Teil? Das frage ich mich manchmal selber.“ Aber wenn die Idee plötzlich da ist, müsse sie festgehalten werden. „Sonst ist sie weg.“ Darum geht Kraus nie ohne etwas zum Aufnehmen aus dem Haus, hat immer etwas zu Schreiben zur Hand.

    Kollegin Fola Dada verrät: Bei der Inspiration gebe es bei ihr den „Improvisationskanal“ – da wird aus dem freien Spiel ein Song. Und dann gibt’s den „Zwangskanal“ – der setzt ein, wenn ein Stück fertig werden muss. Joo Kraus nickt: Das sei auch bei ihm so. Er fügt hinzu: „Wenn ich begrenzt bin, wenn da beispielsweise nur ein Instrument da ist oder begrenzte Zeit, dann komme ich auf die besten Ideen; das sind Einfälle, auf die ich sonst nie kommen.“

    Neues Album von Joo Kraus erscheint am 27. September

    Viele dieser neuen Ideen kann man demnächst auf dem brandneuen Album „No Excuse“ hören, das am 27. September erscheint. Kenner seiner Arbeit würden eine kleine Veränderung bemerken, wenn sie das 2022 aufgenommene und akribisch abgemixte Album durchhören: „Die Texte und Melodien sind konkreter geworden, die Themen klarer“, sagt Kraus. Das achte Soloalbum zeigt aber auch den Joo Kraus, der Genremauern einreißt, Türen öffnet, neue Horizonte aufsucht.

    Neue Horizonte, das sind auch seine Music Lessons oder seine ebenfalls bei Aegis angesiedelte Reihe „Joo Kraus meets...“, wo zahlreiche Nachwuchskünstlerinnen und -künstler einen Raum bekamen. Nachwuchsförderung würde er das nicht nennen: „Wir haben alle etwas davon.“ Junge Musiker hätten neue Ideen und wenn er das zulasse, habe er als Gastgeber selbst den größten Spaß, gesteht Joo Kraus.

    Vorfreude gibt es auch auf ein anderes Projekt: Zum 30-jährigen Bestehen der Akademie der darstellenden Künste Ulm wird ein Musical von Ghirard Rhoden uraufgeführt – in der Orchestrierung von Kraus. „Das ist ein wahnsinnig schönes Werk, beste Broadwaytradition. Ich verneige mich vor dem kunstvollen Songwriting von Ghirard“, sagt Kraus. Und wundert sich, dass dieses Werk erst jetzt zur Aufführung kommt. Denn Versuche, es auf die Bühne zu kriegen, gab es genug. Aber so ist der Musikmarkt manchmal: „Man muss zwischendurch wirklich Geduld haben, auf den richtigen Moment warten können.“

    Er zählt zur Weltelite der Trompeter. Der Ulmer Joo Kraus veröffentlich im September ein neues Soloalbum.
    Er zählt zur Weltelite der Trompeter. Der Ulmer Joo Kraus veröffentlich im September ein neues Soloalbum. Foto: Rob Stirner
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