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Ulm: Internationaler Museumstag: Für das digitale Museum braucht es Kopfkino

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Internationaler Museumstag: Für das digitale Museum braucht es Kopfkino

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    Das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm lässt traditionell die Kaffeehauskultur der Donaumonarchie aufleben – und das klappt auch digital ganz gut.
    Das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm lässt traditionell die Kaffeehauskultur der Donaumonarchie aufleben – und das klappt auch digital ganz gut. Foto: Dagmar Hub

    Normalerweise freuen sich die Museen der Region jedes Jahr am Internationalen Museumstag über einen Ansturm von Interessierten; spezielle Kinderprogramme zeigen den Jüngsten, dass das Wort „Museumsbesuch“ keineswegs einen langweiligen Sonntagnachmittag bedeutet, und Besucher drängen sich oft dicht an dicht zu speziellen Führungen. Doch in diesem Jahr ist alles ganz anders.

    Am 6. April wurde der diesjährige Internationale Museumstag epidemiebedingt abgesagt. Eine ganze Reihe von Museen in der Region haben deshalb spontan reagiert und digitale Angebote online gestellt. Ein Selbstversuch am Internationalen Museumstag zeigt: Museum digital braucht das Kopfkino beim Besucher – das sinnliche Erleben muss er nämlich selbst liefern.

    Internationaler Museumstag findet in diesem Jahr digital statt

    Das Donauschwäbische Zentralmuseum (DZM) lässt traditionell – neben spannenden Kinderführungen – am Internationalen Museumstag die Kaffeehauskultur der Donaumonarchie aufleben. Sie ist sogar Weltkulturerbe. Doch ins Kaffeehaus gehen, Menschen beobachten, einen Einspänner trinken und eine Dobostorte essen? Das ist in dieser Zeit ein unrealisierbarer Traum. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee kann sich höchstens in der erinnernden Nase des Seitenbesuchers entwickeln. Aber Henrike Hampe erzählt im Video des DZM über die Kaffeehauskultur des legendären Cafés von Emile Gerbeaud im Budapester Stadtteil Pest so anregend und zeigt ein uraltes, wenngleich leeres Pralinenkästchen, sodass der digitale Besucher – zu sehnsuchtsvollen Klängen von Tamás Füsezi und Eva Llorente Díaz – dann doch eine ganze Menge Eindrücke bekommt.

    Um Kaffee ganz anderer Art geht es auch in dem Podcast, den das Ulmer HfG-Archiv zum Museumstag hochgeladen hatte: Der Designer Hans Gugelot schrieb während einer USA-Reise im Frühjahr 1956 an seine Frau Malke vom unerträglich schlechten Kaffee und dem schlechten Essen der „Amis“. Der vom Sohn Guus Gugelot zur Verfügung gestellte Briefwechsel zwischen Hans Gugelot und seiner Frau, die 1956 ebenfalls – aber zusammen mit Inge Aicher-Scholl zur Spendenakquise für die HfG – nach New York aufbrach, ist ein hoch interessantes Zeitdokument. Es erzählt viel über das Lebensgefühl der Avantgarde auf dem Hochsträss, über die Beobachtungen, dass es in den USA Kapital in Hülle und Fülle gibt, dass das Land aber kulturell von Europa abhängig sei. Der Briefwechsel, gesprochen von Martin Mäntele und Christiane Wachsmann, schildert intensiv eine Zeit, in der das Wort „Neger“ noch allgemeiner Sprachgebrauch war, er erzählt von Malke Gugelots Entscheidung, dass ihr Mann und Sohn Guus wichtiger sind als eine eigene Berufstätigkeit – und er schildert, wie viel Spaß Malke Gugelot und Inge Aicher-Scholl in New York hatten, während sie sich in einer Gesellschaft legendärer Namen bewegten.

    Ein Vorteil des digitalen Museumstag: die Auswahl an Museen ist groß

    Ganz aktuell mit der Corona-Krise beschäftigten sich Isabel Greschat und Marianne Honold aus dem Museum Brot und Kunst: Welche Auswirkungen könnte die Pandemie auf die Versorgung der Menschen haben? Sie stelle ein neues und großes Interesse an historischen Krisen fest, erzählt Museumsdirektorin Isabel Greschat im Video.

    Das Kindermuseum des Edwin-Scharff-Museums, sonst am Museumstag überlaufen wegen der für kleine Besucher spannenden Angebote, ist noch bis Mitte Juni geschlossen. Dafür gab es zum Internationalen Museumstag im Neu-Ulmer Museum das besondere Angebot, Videos nicht nur in deutscher und englischer Sprache, sondern auch in Portugiesisch mit Adriana Junqueira-Brugger anschauen und anhören zu können. Warum nicht einmal ausprobieren, was man sonst nicht tut – eine Führung in einer Sprache, die man nicht beherrscht und von der man nur einzelne Worte kann? Man erfährt ganz Neues – zum Beispiel, dass der Berliner Bär auf Portugiesisch „Urso de Berlim“ heißt. Interessant ist das, zu versuchen zu verstehen, was zum Internationalen Museumstag für Nicht-Muttersprachler angeboten wird.

    Fazit des digitalen Besuchs: Man entdeckt bei diesem etwas anderen Museumsbesuch auch völlig andere Perspektiven. Und digital bietet sich sogar die Möglichkeit, Museen an Orten zu besuchen, in die man vermutlich nie im Leben kommt. Wer kennt schon das Lost City Museum in Overton/Nevada? Auf digitale Weise wird der Internationale Museumstag tatsächlich international – aber eines fehlt: der reale Kontakt zu den Menschen und dem, was der Betrachter mit allen Sinnen wahrnehmen kann. Möge es 2021 wieder einen uneingeschränkten Internationalen Museumstag geben!

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